Bad Dürkheim Wenn Politik auf Wirklichkeit trifft

„Ich schließe die Abstimmung und bitte die Schriftführerinnen und Schriftführer, mit der Auszählung zu beginnen.“ So endet im Bundestag gewöhnlich die dritte und letzte Lesung eines neues Gesetzes. Wenn es eine Mehrheit gibt, dann hat das Gesetz auf der Berliner Bühne nichts mehr zu suchen. Kurzer Applaus, dann Abgang. Wenn es erst einmal im Bundesgesetzblatt steht, kräht kein Hahn mehr danach. Denn das nächste Gesetz klopft schon an die Tür der Abgeordneten. Das aktuelle Bundesrecht umfasst derzeit 1729 Gesetze mit 45.801 Einzelnormen. Das ist eine Menge Holz. In Berlin wird große Politik gemacht – und Länder, Kommunen und Bürger müssen damit zurechtkommen. Wenn Politik auf Wirklichkeit trifft, sieht man die Folgen von Gesetzen in grellem Licht. So war es im Ortsgemeinderat Erpolzheim, dessen Sitzung ich am Dienstagabend verfolgte (Bericht der Kollegin Ries auf Seite 2). Ortsbürgermeister Alexander Bergner spricht über den dringend notwendigen Breitbandausbau. Die große Politik hat gesagt, das Digitale ist wichtig und muss gefördert werden. Der Ortsbürgermeister sagt: Wir haben schon zwei Anträge auf Zuschüsse gestellt, bekamen aber immer wieder „eine Klatsche“. Jetzt läuft der dritte Antrag. Gestritten wird um technischen Parameter, die über die Förderwürdigkeit der Gemeinde entschieden. „Wahrscheinlich wird’s wieder nix“, argwöhnt Bergner. Und: „Die da oben sollen nichts versprechen, was sie nicht halten können.“ Dann geht es um die Gewerbesteuer: Die große Politik hat es ermöglicht, dass sich multinationale Konzerne dem lokalen Fiskus entziehen können. Der Ortsbürgermeister sagt: Uns fehlen die Steuereinnahmen des Betonwerks am Ort, das zu einem Konzern gehört. In Vor-Euro-Zeiten flossen rund 100.000 Mark ins Gemeindesäckel. Heute zahlt der Konzern die Steuern dort, „wo es ihm am besten gefällt“ – aber eben nicht in Erpolzheim. Schließlich das Thema Kinderspielplätze. Die große Politik sagt, Kommunen müssen ihre freiwilligen Leistungen kürzen. Zu diesen zählen aber auch Bau und Unterhalt von Kinderspielplätzen. Der Ortsbürgermeister sagt: „So wird das gesellschaftliche Leben beschnitten. Wenn man diese Ausgaben streicht, macht man eine Gemeinschaft kaputt.“ Der lange Arm der großen Politik – er schlägt manchmal gnadenlos zu. Der Autor Der Autor arbeitet als Hauptstadt-Korrespondent der RHEINPFALZ in Berlin. Er verbringt zwei Wochen in Bad Dürkheim, um weit entfernt vom Berliner Politikbetrieb mit jenen Menschen ins Gespräch zu kommen, für die er schreibt.

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