Bad Dürkheim Schwere Erinnerungen im Bart

„Wie der Soldat das Grammofon repariert“ war Saša Stanišics erster Roman. Das Mannheimer Stadtensemble hat die stark autobiographisch gefärbte Geschichte einer Flucht vor dem jugoslawischen Bürgerkrieg als „inszenierte Ausstellung“ auf die Bühne des Nationaltheaters gebracht. Die Regisseurin Beata Anna Schmutz bereitet den Zuschauern ein außergewöhnliches Theatererlebnis.

Wer schon einmal eine Inszenierung eines Dramas oder eine Romanbearbeitung von Beata Anna Schmutz gesehen hat, weiß, dass er keine herkömmliche Theateraufführung zu sehen bekommt. In ihrer Bearbeitung von Shakespeares „Hamlet“ mit ihrer eigenen Truppe Rampig etwa gab es gleich mehr als ein halbes Dutzend Hamlets und Ophelias, die gleichzeitig agierten und verschiedene Facetten der beiden Bühnenfiguren verkörperten. In ihrer Theateradaption von Franz Kafkas Roman „Das Schloss“ verteilte sie zeitlich aufeinanderfolgende Schlüsselszenen des Romans auf mehrere Stationen im Raum. Bei der Ausgestaltung räumt die Regisseurin ihren Darstellern viel Freiheit ein. Seit dieser Spielzeit nun leitet Beata Anna Schmutz das Stadtensemble, die früher Bürgerbühne genannte Laienspieltruppe des Nationaltheaters. Von ihrer vorherigen Wirkungsstätte, dem Badischen Staatstheater Karlsruhe, hat sie ihre Inszenierung von Saša Stanišics „Wie der Soldat das Grammofon repariert“ nach Mannheim mitgebracht. Während in Karlsruhe nur wenige Darsteller des dortigen Volkstheaters die Erlebnisse des elfjährigen Aleksandar im bosnischen Bürgerkrieg erzählten, sind es in Mannheim 32 einer bunt gemischten Truppe. Das jüngste Mitglied des Stadtensembles ist gerade einmal neun, das älteste 69 Jahre alt; einige sind alteingesessene Mannheimer, andere noch nicht lange hier lebende Flüchtlinge, die die Erzählung von Vertreibung gut verstehen können. Wenn der Zuschauer das Studio im Werkhaus betritt, begegnet er so zunächst vier zu Statuen erstarrten Menschen auf Podesten. Schilder etikettieren sie als „Kontingentflüchtling“, „Kopftuchtürkin“ oder „Arbeitsmigrantin“, und wenn der Zuschauer auf einen Knopf drückt, bewegt die „Statue“ ihre Lippen, während eine Lautsprecherstimme ein Buch zitiert. Wenn der Zuschauer weitergeht, kommt er zu vier durch Stellwände abgeteilten und wie Wohnküchen hergerichteten Stationen. An den Wänden stehen Zitate aus dem Roman wie „Die Stille fletscht die Zähne“ oder „Wie schwer wiegen Erinnerungen in einem Bart“. Bald fallen alle 32 Darsteller zu Boden. Aleksandars Opa, der an Marschall Tito und den Sieg des Kommunismus geglaubt hat, ist tot. Das Ereignis markiert das Ende der glücklichen Friedenszeit. Nach und nach werden jetzt an den Stationen Episoden aus Stanišics Roman erzählt. Einer malt unfertige Bilder, ein anderer tanzt zum „Klofest“ auf einem Tisch. Wer den Roman gelesen hat, ist im Vorteil. Termine Es gibt noch Restkarten für die Vorstellung heute um 20 Uhr im Studio Werkhaus (Kurzeinführung um 19.30 Uhr). Weitere Aufführungen am 8. und 28. März sowie am 27. April. Kartentelefon 0621/1680-150

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