Interview Schauspielerin Karoline Schuch: „Abgründigkeit interessiert mich“

Im ARD-Mystery-Mehrteiler „Oderbruch“ verkörpert Karoline Schuch eine Kommissarin, die von Dämonen ihrer Vergangenheit gequält w
Im ARD-Mystery-Mehrteiler »Oderbruch« verkörpert Karoline Schuch eine Kommissarin, die von Dämonen ihrer Vergangenheit gequält wird.

Die Thüringerin Karoline Schuch ist in der ZDF-Mediathek noch als Racheengel in „Die zweite Welle“ zu sehen. In der Mystery-Serie „Oderbruch“, ab 19. Januar in der ARD, spielt die 42-Jährige eine Kriminalkommissarin, die zur Aufklärung einer Mordserie in ihr Heimatdorf nahe der polnischen Grenze zurückkehrt. Katharina Dockhorn hat sich mit ihr über ihre Arbeit unterhalten.

Kannten Sie das Oderbruch vor dem Dreh?
Nur oberflächlich von einer Radtour durch die wunderschöne Landschaft. Die vielfältige Flora und Fauna habe ich damals sehr genossen. Der Film stellt die Gegend jetzt ganz anders dar, mystischer, verwunschener, einsamer, nicht so touristisch kuschelig und reizvoll. Ich hoffe, die Bevölkerung des Oderbruchs verzeiht uns das.

Sie sind jetzt in zwei Serien innerhalb von wenigen Wochen besetzt. In „Die zweite Welle“ spielen Sie eine Frau, die nach dem Tsunami in Thailand 15 Jahre verschwunden war und nun auftaucht. Was reizt Sie an dem Format, und wie stecken Sie solche Belastung weg?
In einer Serie habe ich viel mehr Zeit, meine Figur einzuführen, die Konflikte größer zu machen und sie wieder aufzulösen. Die Drehs von 60 bis 80 Tagen sind aber sehr anstrengend für alle, und das Privatleben bleibt völlig auf der Strecke. Nach so einer Belastung bräuchte jeder eine angemessene Pause, die ich mir nicht nehmen konnte, weil der Dreh von „Oderbruch“ vorgezogen werden musste Nach meiner Rückkehr aus Thailand vom Set von „Die zweite Welle“ blieben mir nur zwei Wochen, um meine Haare zu färben und mich auf die Rolle in „Oderbruch“ einzustimmen. Nach der letzten Klappe dieser Serie habe mir eine Auszeit genommen, um bei meiner Familie zu sein.

Im ZDF-Sechsteiler „Die zweite Welle“ spielt Karoline Schuch die Figur Alexandra, die als Opfer des Tsunamis in Thailand galt, a
Im ZDF-Sechsteiler »Die zweite Welle« spielt Karoline Schuch die Figur Alexandra, die als Opfer des Tsunamis in Thailand galt, aber überlebt hatte.

Ihre Figuren haben eins gemeinsam, die Persönlichkeiten sind von Ereignissen der Vergangenheit stark belastet?
Mich interessiert immer, wenn Figuren so eine Abgründigkeit und ein Geheimnis in sich tragen. Aber jede Figur geht anders mit der Belastung um. In „Die zweite Welle“ wird ihr Handeln von Wut und Rachegedanken angetrieben, während sich die Maggie in „Oderbruch“ nach der Rückkehr in die Heimat den Monstern ihrer Vergangenheit stellt. Als Kind hat sie keine Liebe erfahren. Das prägt ihr Verhalten als erwachsene Frau, sie kann nicht leichtfüßig durchs Leben gehen.

Sind Sie ein Fan des Mystery-Genres?
Ich mag oft leichtere Geschichten, wenn ich mir Filme oder Serien ansehe. Ich mag es, wenn es schauspielerisch interessant wird. Mich in „Oderbruch“ auf ein mir fremdes Genre einzulassen, hat mir aber große Freude bereitet. Es wird wenig gesprochen und trotzdem viel verhandelt, es gibt sehr ruhige Szenen und krasse Action.

Für die Vorbereitung auf die körperlichen Anforderungen blieb Ihnen aber kaum Zeit?
Durch „Die zweite Welle“ brachte ich eine gewisse körperliche Grundfitness mit und war ganz gut im Training. Durch die gute Vorbereitung und die genauen Absprachen mit den Stuntkoordinatorinnen konnte ich dann Stunts selbst bewältigen, die ich mir sonst kaum zugetraut hätte. Trotzdem hatte es insbesondere die finale Szene in sich. Ich stand mit Jan Krauter vor der Kamera, der auf diesem Feld sehr bewandert ist. Seine Vorfreude auf den gemeinsamen Kampf hat mich richtig angesteckt.

Ist das auch eine Sache der Erfahrung, was man sich zutrauen kann?
Ich weiß, was ich mir zumuten kann. Ich weiß gleichzeitig, welche Verantwortung ich trage und wie wichtig es ist, mich nicht zu verletzen, das habe ich im Laufe der Jahre gelernt.

Ver.di und der Schauspielverband fordern in den Tarifverhandlungen die Vier-Tage-Woche. Wäre sie hilfreich?
Ich glaube schon. Bei den Produktionen, die das Modell ausprobiert haben, ging es allen Beteiligten besser. Wir müssen uns auch beim Film über Teilzeitmodelle Gedanken machen, die einigermaßen familienfreundlich sind. Die Bedingungen im Moment sind alles andere als optimal.

Sie haben als zweifache Mutter selbst zwischendurch Pausen gemacht. Hatten Sie keine Bedenken, zu viel abzulehnen und aus dem Geschäft zu sein?
Ich bin da ganz hoffnungsvoll. Ich denke schon dran, dass es nicht leichter wird für die Frau ab 40 vor der Kamera. Aber was soll ich denn machen? Ich kann weder mein Alter ändern, noch will ich jetzt meine Kräfte überschätzen oder keine Zeit für meine Familie haben. Wenn Angebote für Rollen kamen, die ich schon gemacht habe oder die mich nicht besonders reizten, habe ich in den vergangenen Monaten nur ein bisschen die Füße still gehalten. Ich sitze ja auch nicht den ganzen Tag auf dem Sofa und starre an die Decke. Im Gegenteil. Ich arbeite seit Monaten an verschiedenen Projekten hinter der Kamera und bin 2024 wieder vor der Kamera am Start.

Unterstützen Sie auch die Initiative von Gesine Cukrowski, die mehr und attraktivere Rollen für ältere Schauspielerinnen fordert?
Ich bin total bei ihr und verstehe den Frust, der sich da angestaut hat. Die Initiatorinnen der Initiative haben sehr gute Argumente auf den Tisch gepackt, und ich habe das Gefühl, da tut sich ein bisschen was bei den Drehbüchern. Häufiger wird jetzt in Drehbuchbesprechungen gefragt: Könnte diese oder jene Männerfigur nicht auch durch eine Frauenfigur ersetzt werden? Wenn die Rollenprofile für Frauen auf der Leinwand und auf dem Bildschirm vielfältiger werden und einem Trend in der Realität folgen, desto besser ist es für unsere Gesellschaft und für unsere Kinder.

Zur Person

Karoline Schuch ist 1981 in Jena geboren. Der Schauspieler Albrecht Schuch ist ihr jüngerer Bruder. Sie wurde im Jahr 2000 durch „Verbotene Liebe“ bekannt. Sie spielte Hauptrollen in TV-Filmen wie „Katharina Luther“ oder Kinofilmen wie „Ballon“. Für ihre Rolle im Mehrteiler „Das Geheimnis des Totenwaldes“ erhielt sie einen Bayerischen Filmpreis.

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