Musiktheater Karlsruher Händel-Festspiele erfolgreich mit „Ottone“ eröffnet

Ottone (Yuriy Mynenko) weist Adelberto (Raffaele Pe) in die Schranken.
Ottone (Yuriy Mynenko) weist Adelberto (Raffaele Pe) in die Schranken.

Eine Opernproduktion mit großartigem Singen und Musizieren in einer Inszenierung mit eindrucksvollen Bildern eröffnete die 45. Händel-Festspiele in Karlsruhe.

Bei den Internationalen Händelfestspielen gibt es seit 2017 bei den Opernneuinszenierungen – wohl eher zufällig, aber doch auffällig – gleichsam einen turnusmäßigen Wechsel zwischen schrillen Shows mit der Verlegung der Stoffe in die Gegenwart oder jüngste Vergangenheit und einer betont kunstvoll stilisierten Optik und differenzierter Psychologie. Für die erste Richtung stehen Floris Vissers „Semele “ und „Hercules“ sowie Max Emanuel Cencics phänomenaler „Serse“, für die andere die „Alcina“ von James Darrah und Benjamin Lazars „Tolomeo“. Und eben der jetzt zur Eröffnung des 45. Festivals gezeigte „Ottone“ des venezolanischen Regisseurs Carlos Wagner, der zum ersten Mal in Karlsruhe inszenierte.

Mit Händel allerdings ist er vertraut – und mit der anderen Händel-Oper über die Ottonen auch, denn 2017 setzte er in Göttingen bei den dortigen Festspielen den „Lotario“ in Szene. Natürlich ist seine Regie jetzt anders, schließlich sind die Ausmaße und Möglichkeiten des Deutschen Theaters in Göttingen nicht mit denen des Badischen Staatstheaters zu vergleichen. Aber in der Grundidee sind beide Inszenierungen sehr ähnlich. Auch in Karlsruhe setzt Carlos Wagner auf erlesene und wohl überlegte szenische Bilder, auf eine feine Charakterisierung der Personen und eine stilisierte, nicht selten entschleunigte Bewegungsprache. Christophe Ouvrard schuf dafür ein mehrstöckiges Bühnenbild, das römisch anmutet (das Stück spielt in der Ewigen Stadt), aber auch ein wenig nach heruntergekommenem Barockschloss aussieht. Die Kostüme sind inspiriert von Vorlagen aus dem 18. Jahrhundert, aber im Grunde zeitlos.

Eindrucksvolle Bilder

Carlos Wagner hat nur in wenigen Ansätzen etwas mit der historischen Theatersprache der Barockoper im Sinn, aber er überträgt deren Ästhetik in eine andere Form kunstvoller Gestik. Das passt dann sehr gut zur Musik, die in dieser exakt 300 Jahren alten Oper Händels auch eher verhalten als knallig ist. Es gelingen dem Regieteam eine Fülle ganz außerordentlich eindrucksvoller Bilder, auch durch Schattenspiele und Hell-Dunkel-Effekte. Es gibt immer etwas zu sehen, ohne dass billige Effekte eingesetzt werden. In zwei „Hits“ der Oper, Ottones großer Arie mitten im zweiten Akt, und dem kessen Duett Gismonda-Matilda am Ende des zweiten Aktes setzt er vielmehr eine geschickte Choreographie ein, um den Showcharakter dieser Stücke im Sinn der barocken Dramaturgie zu betonen.

Das erwähnte Duett ist ganz besonderes Stück, hier singen zwei Frauen, einmal kein Liebespaar, wie sonst die Regel, und sie erfreuen sich über eigentlich illegale Taten: eine Gefangenenbefreiung und eine Entführung.

Auch für den – wie in der Barockoper üblich – positiven Schluss findet der Regisseur eine schlüssige Lösung: die Herrscher ziehen sich auf ihre Throne zurück, und Teofane, die Lichtgestalt, prägt die Bildmitte. Nur Gismonda, die ihren Sohn Adelberto nicht zum König machen kann, ist das alles zuviel.

Viel Sinn für Ästhetik

Die neue Karlsruher Produktion zu der Oper mit ihrem Stoff um Kaiser Otto II. aus dem 11. Jahrhundert, der es in Rom nicht leicht hat, sich intriganter Widersacher zu erwehren und endlich seine byzantinische Braut Teofane zu gewinnen, ist sehr gelungen und tiefgehend, gerade weil sie in der Wahl ihrer Mittel sehr überlegt und mit viel Sinn für Ästhetik vorgeht.

Eindrucksvoll ist auch die musikalische Einstudierung. Zum ersten Mal steht Carlo Ipata am Pult der Deutschen Händel-Solisten und gibt der Partitur sehr plastisches Profil. Das heißt, er weiß um die Sprachkraft dieser Musik und bringt diese mit viel Intensität zur Wirkung. Auch wenn bei dieser Oper nur Oboen, Fagotte, Streicher und Generalbassinstrumente vorkommen, ist Händels Musik immer vielgestaltig und lebendig.

Cuzzonis erste Händel-Rolle

In der Titelrolle begeistert der ukrainische Countertenor Yuriy Mynenko mit souveränem Barockgesang, sicheren Koloraturen und vielen dynamischen Schattierungen. Er überzeugt auch durch die Darstellung eines noblen, ganz kaiserlichen Helden. Sein Widersacher Adelberto wird von Raffaele Pe famos und sehr differenziert gesungen, wobei der italienische Counter auch sehr treffend die charakterlichen Schwächen der Figur ausspielt. Seine Verlobte Matilda wird von der italienischen Star-Altistin Sonia Prina wie zu wünschen und zu erwarten furios und klangschön gesungen.

In der Rolle der Mutter des Adelberto, Gismonda, bringt die ukrainische Sopranistin Lena Belkina sehr expressive Züge ein, doch trotz des satten Timbre ihrer Stimme ist mit dem Stil des Barocks bestens vertraut.

In der Rolle des Piraten Emireno, der ja eigentlich Basilio, der Bruder Teofanes und später Kaiser Ostroms ist, glänzt Nathanaël Tavernier als einziger aus den hauseigenen Ensemble mit den Wohllaut seines Baritons und seiner Stimmkultur.

Die spanische Sopranistin Lucía Martín-Cartón erfüllt alle Anforderungen der Partie der Teofane, der sie sehr empfindsame und anmutige Töne verlieht. Sie bewegt sich erfolgreich auf den Spuren der ersten Sängerin dieser Rolle, der Barockprimadonna Francesca Cuzzoni, die 1723 damit ihre erste Rolle bei Händel sang.

„Ottone“ war nach „Rinaldo“ und „Giulio Cesare“ die erfolgreichste Oper Händels zu seinen Lebzeiten. Er hatte ja damals auch mit Cuzzoni, der Durastanti, Senesino oder Gaetano Berenstadt eine Traumbesetzung.

„Ottone“ in Karlsruhe wird jetzt dem Anspruch und dem Reiz des Werks grandios gerecht. Das Premierenpublikum war denn auch begeistert.

Info

Vorstellungen am 19. und 26. Februar, 1. und 3. März sowie 22. und 25. Februar 2024. Karten unter 0721 933333 oder www.staatstheater.karlsruhe.de

Der hohe Paar der Oper: Yuriy Mynenko (Ottone), Lucía Martín-Cartón (Teofane)
Der hohe Paar der Oper: Yuriy Mynenko (Ottone), Lucía Martín-Cartón (Teofane)
Dramatische Szene kurz vor dem guten Ende mit Yuriy Mynenko (Ottone), Raffaele Pe (Adelberto), Sonja Prina (Matilda) und Lena Be
Dramatische Szene kurz vor dem guten Ende mit Yuriy Mynenko (Ottone), Raffaele Pe (Adelberto), Sonja Prina (Matilda) und Lena Belkina (Gismonda).
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