Kultur 13. Filmfestival in Ludwigshafen: Matthias Brandt erhält Schauspielpreis

In „Polizeiruf 110: Kreise“ von Christian Petzold steht Barbara Auer als Kollegin Kommissar Hanns von Meuffels (Matthias Brandt)
In »Polizeiruf 110: Kreise« von Christian Petzold steht Barbara Auer als Kollegin Kommissar Hanns von Meuffels (Matthias Brandt) zur Seite.

Viele Worte braucht er nicht: Matthias Brandt fasziniert in seinen Rollen durch seine Aura und macht neugierig auf das Unausgesprochene. Morgen erhält der 55-Jährige, der als jüngster Sohn Willy Brandts früh im Rampenlicht stand und 2016 als Autor debütierte, den Schauspielpreis des Festivals des deutschen Films in Ludwigshafen, als – so Festivalchef Michael Kötz – „Mann für alle Fälle“.

Dieses feine, milde Lächeln ist seine Spezialität. Unverbindlich freundlich kann es gemeint sein oder mitfühlend nachdenklich. Mal wirkt es spöttisch, mal distinguiert und weise, mal perfide – je nachdem, ob Matthias Brandt den adeligen Ermittler Hanns von Meuffels in „Polizeiruf 110“ gibt oder einen psychopathischen Kindesentführer, wie im hoch spannenden Psychothriller „Sanft schläft der Tod“, der gerade beim Festival auf der Parkinsel läuft und am 7. Oktober, 20.15 Uhr, in der ARD. Der Wahnsinn steht Brandt hier so gut, dass es den Zuschauer bis ins Mark erschüttert. Der Schauspieler ist ein Meister des Subtilen. Nuancen in seiner Mimik haben größte Wirkung. Und nahezu immer bleibt ein Rätsel. Mit seiner Präsenz zieht Brandt alle Augen wie magisch auf sich. Der Zuschauer sucht, seine Figuren zu ergründen, und scheitert doch oft, gerade bei seinem Münchner Kommissar, den die ARD im Einführungstext denn auch „Mann ohne Eigenschaften“ nannte. So kann sich Brandt wunderbar in der Rolle des eher stillen, beobachtenden und von Melancholie umwehten Gentleman-Kommissars verstecken und sie variieren, zumal wechselnde Autoren und Regisseure am Werk sind, darunter Größen wie Dominik Graf und Christian Petzold. 13 Mal war Brandt bislang Hanns von Meuffels, nur noch zwei neue „Polizeiruf 110“-Krimis folgen. Es ist Zeit für Neues, hat er sein Aussteigen begründet. Und sich gewundert, wie viele Menschen an der Figur hängen und hofften, dass er bleibt. Sentimentalitäten dieser Art sind dem Schauspieler fremd. Schließlich geht es in dem Beruf ja darum, stets in neue Rollen schlüpfen zu können. Und das liebte Matthias Brandt schon als Kind, offenbart sein Buchdebüt von 2016: In „Raumpatrouille“ blickt Brandt in 14 Erzählungen auf seine Kindheit. Erfunden seien die Geschichten, aber doch wahr, schreibt er im Vorwort: „Manches von dem, was ich erlebt habe, hat stattgefunden.“ Als Knirps träumte er sich dem Buch zufolge in Karrieren als Raumfahrer, Zauberer oder Fußballstar. Mit großem, bisweilen blindem Ehrgeiz und auf Wirkung bedacht. So panzert er sich mit einer übertriebenen Profimontur für seinen ersten Auftritt im Fußballtor: „In dem Moment, in dem ich die Heldenverkleidung überstreifte, ging ich über meine bisherige Existenz hinaus und wurde zu einem anderen.“ Brandt präsentiert sich in seinem wunderbar die späten 1960er und frühen 1970er zwischen Bonanzarad und Knabber-Fischli aufleben lassenden Erzählband als ambivalentes Kind und beschreibt auch offen Schwächen. Einen Hang zu plötzlichen Wutausbrüchen habe er gehabt, zeigt die erste Geschichte: Der Bub malt sich hier aus, die Pistole des Beamten, der auf dem elterlichen Anwesen für Sicherheit sorgen soll, gegen diesen zu richten. In einer anderen Geschichte räumt der Erzähler ein, seinen einzigen Freund während der Schulzeit wie alle anderen gemobbt zu haben: „Den größten Außenseiter mit zu quälen, war die einfachste Art, zu sein wie die anderen, und das war mein brennendster Wunsch.“ Der Junge ist aber auch mitfühlend, empfänglich für Stimmungen und verantwortungsvoll, etwa dem benachbarten, an Demenz leidenden Ex-Bundespräsidenten Heinrich Lübke gegenüber, den er oft zum Kakaotrinken besucht. Und er liebt seine Eltern, auch wenn er in einer Episode von einer spießigen Familie träumt, die abends gemeinsam Fernsehen schaut. Der Brandt-Haushalt dagegen war ein intellektueller, in dem auch der Nachwuchs zu ironischer Distanz erzogen wurde. Und doch konnte der Vater auch anders, so kulminiert das Buch in einer Geschichte, in der Willy Brandt dem Sohn vorliest. Auch wenn es „Polizeiruf 110“-Fans geben soll, die aufgrund des Allerweltsnachnamens nicht folgerten, dass Matthias Brandt „Sohn von“ ist, spielt Willy Brandt in der Biografie des Schauspielers doch eine bleibende Rolle. Zumal der Sprung von der Bühne zur Fernsehkarriere durch einen Film befeuert wurde, der nah an der Familiengeschichte entlang führte: In „Im Schatten der Macht“ verkörperte Matthias Brandt 2003 den Kanzlerspion Günter Guillaume, an der Seite von Michael Mendl als Willy Brandt. Ein Ausrufezeichen. Zuvor war Matthias Brandt nur Theaterkennern bekannt. Nach einer Schauspielausbildung in Hannover spielte er am Staatstheater Oldenburg, es folgten Stationen wie Wiesbaden, Bonn, München, Berlin, Zürich, Bochum, Frankfurt. Dazwischen das Mannheimer Nationaltheater. Nach „Im Schatten der Macht“ aber rief das Fernsehen, 2004 spielte er einen ersten „Tatort“, danach war er in zahlreichen preisgekrönten Fernsehfilmen zu sehen, darunter „In Sachen Kaminski“ (2006, Bayerischer Filmpreis) oder „Aries Welt“ (2007, Grimme-Preis). Auch Hörbücher liest Brandt mit seiner sanften, fesselnden Stimme ein, wofür er Deutsche Hörbuchpreise erhielt. 2014 gab es auch einen Hessischen Filmpreis für Hermine Huntgeburths Film „Männertreu“, in dem er einen Bundespräsidentschaftskandidaten spielt, der über eine Affäre mit einer Jüngeren stolpert. Der Film läuft am Samstag nach der Verleihung des Schauspielpreises auf der Parkinsel. Matthias Brandt ist ein exzellenter Schauspieler und würdiger Preisträger, auch wenn er im Kino seltener zu sehen ist. Für seine Rolle als von seiner Frau misshandelter Polizist in „Gegenüber“ von Jan Bonny war er 2008 für einen Deutschen Filmperis nominiert. In Doris Dörries „Glück“ gab er 2012 einen Anwalt. Und im Vorjahr spielte er Stefan Zweigs Verleger in „Vor der Morgenröte“ von Maria Schrader, einem der Programmhöhepunkte des Ludwigshafener Filmfestivals 2016. Seine Kunst hat Brandt selbst einmal in einem „Zeit“-Interview treffend zusammengefasst: „Das Verbergen ist das Interessante – nicht das Entblößen.“ Termine/Lesezeichen —Verleihung Schauspielpreis an Matthias Brandt, Samstag, 20 Uhr. —„Sanft schläft der Tod“, Sonntag, 19 Uhr, und 17. September, 18 Uhr. ARD: 7. Oktober —Matthias Brandt: „Raumpatrouille“; Kiepenheuer & Witsch; 176 Seiten; 18 Euro.

In „Sanft schläft der Tod“ spielt Matthias Brandt einen Entführer.
In »Sanft schläft der Tod« spielt Matthias Brandt einen Entführer.
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