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Das auf ein kariertes Blatt Papier gezeichnete Strichmännchen „Nico“ machte 2017 von Spanien aus Furore. Binnen weniger Tage rei
Das auf ein kariertes Blatt Papier gezeichnete Strichmännchen »Nico« machte 2017 von Spanien aus Furore. Binnen weniger Tage reiste es virtuell über die sozialen Netzwerke in 144 Länder.

Wie ist es dem Gehirn möglich, gezeichnete Objekte als Haus oder als Tier zu erkennen? Die Wahrnehmung bewältigt das Gehirn automatisch, ähnlich zu der von Fotografien.

Von Bettina Hennebach

„Fast jeder Mensch kann mit ein paar Strichen Objekte darstellen. Kindergartenkinder kommen oft mit selbstgemalten Bildern nach Hause, auf denen Mama, Papa oder vielleicht das eigene Zuhause zu erkennen sind. Und selbst vor Tausenden von Jahren malten unsere Vorfahren mit Strichen Tiere und andere Objekte an Höhlenwände“, so die Wissenschaftler des Max-Planck-Instituts für Kognitions- und Neurowissenschaften in Leipzig in Zusammenarbeit mit der Freien Universität Berlin und der Justus-Liebig-Universität Gießen. Veröffentlicht haben sie ihre Ergebnisse im Journal of Neuroscience.

Aber wie sei es eigentlich möglich, dass wir diese Objekte als Haus oder als Tier erkennen? Schließlich würden sich Strichzeichnungen stark von den Objekten unterscheiden, die uns umgeben: Sie haben oft keine Farbe, sind stark vereinfacht, und haben oft sogar eine ganz andere Form als das echte Objekt.

Hirnaktivität gemessen

Um der Frage nachzugehen, wurde untersucht, wie sich unsere Wahrnehmung von Strichzeichnungen von natürlichen Bildern unterscheidet. Dabei zeigten die Forscher den Versuchsteilnehmern Bilder von Objekten wie Hunden oder Autos in drei Varianten: einmal als normales Foto, einmal als eine detaillierte Strichzeichnung des Fotos, und einmal als schnell gekritzeltes Bild. Während sie diese Bilder ansahen, wurde ihre Hirnaktivität mit funktioneller Magnetresonanztomographie und Magnetenzephalographie aufgezeichnet.

„Durch diese beiden Messmethoden konnten wir die Hirnregionen bestimmen, die an der Wahrnehmung von Objekten beteiligt sind und auch den zeitlichen Verlauf der Hirnaktivitätsveränderung auf die Millisekunde genau messen. Wir konnten dem Gehirn genau bei der Arbeit zuschauen, während es Bilder von Objekten als Fotos und als Strichzeichnungen verarbeitete“, berichtet Johannes Singer.

Gehirn arbeitet automatisch

Die Forscher hätten dabei zwei Vermutungen gehabt: „Entweder nimmt unser Gehirn Objekte als Strichzeichnungen anders wahr. Dann muss es auf weitere Verarbeitungsschritte zurückgreifen. Die Strichzeichnung eines Hundes muss im Gehirn also im übertragenen Sinne eine Extrarunde drehen, bevor sie erkannt wird. Oder unser Gehirn ist so, wie es ist, bereits flexibel genug, einen Hund auch dann zu erkennen, wenn es sich nur um ein paar Striche handelt.“

Die Ergebnisse seien eindeutig gewesen: Für die Wahrnehmung von Zeichnungen seien die Hirnsignale sehr ähnlich zu denen gewesen, die für Fotos von Objekten gemessen wurden. Das bedeute, dass unser Gehirn ganz automatisch mit Strichzeichnungen von Objekten umgehen könne. „Wir wissen jetzt auch, dass unsere Wahrnehmung von Objekten wirklich besonders robust gegenüber Veränderungen in unserer Umwelt ist“, so Martin Hebart, Leiter der Studie. Unser Gehirn mache es uns also leicht, Objekte als Strichzeichnungen zu erkennen. Wenn man zum Beispiel nicht besonders gut zeichnen könne, dann sei das nicht so schlimm: „Das Gehirn hilft uns schon beim Erkennen“, so Hebert.

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