Wirtschaftspolitik Nächster US-Präsident vollführt wohl keine 180-Grad-Wende

Der nächste US-Präsident Joe Biden will ein Konjunkturpaket zur Bewältigung der Corona-Krise auflegen.
Der nächste US-Präsident Joe Biden will ein Konjunkturpaket zur Bewältigung der Corona-Krise auflegen.

Nach vier Jahren US-Präsident Trump, die von ständigem Druck und Drohungen geprägt waren, hofft die deutsche Wirtschaft auf einen kooperativen Neustart mit Trumps Nachfolger Joe Biden. Doch Konfliktpotenzial bleibt bestehen.

Das Verhältnis zu Europa hat in der Amtszeit des scheidenden US-Präsidenten Donald Trump enorm gelitten – unter Nachfolger Joe Biden kann es eigentlich nur besser werden. Auch bei den wirtschaftlichen Beziehungen liegt vieles im Argen. Besonders die von Trump mit seiner „Amerika zuerst“-Politik angezettelten Handelskonflikte sorgten weltweit für große Verstimmung. Nach vier Jahren mit Drohgebärden, Gepolter und Chaos ist die Hoffnung auf einen Neuanfang groß. Doch ist Biden tatsächlich der ersehnte Heilsbringer?

„Eine 180-Grad-Wende ist auch mit dem neuen Präsidenten nicht zu erwarten“, warnt Hubertus Bardt vom Institut der deutschen Wirtschaft (IW) in Köln. Biden werde sich zwar an internationale Regeln halten, weniger drohen und verlässlicher sein als Trump. Aber an der protektionistischen Handelspolitik werde sich womöglich gar nicht viel ändern. Tatsächlich fällt auf, dass Biden Trumps „Handelskriege“ im Wahlkampf zwar als desaströs bezeichnete, aber kein Versprechen abgab, die von seinem Vorgänger verhängten Sonderzölle wieder zurückzunehmen. Biden kündigte bislang lediglich an, bestehende Zölle kritisch zu überprüfen. Die USA sind der größte Einzelmarkt für den Export von Waren „Made in Germany“, Einfuhrschranken sind deshalb von großer Bedeutung für die vom Außenhandel abhängige deutsche Wirtschaft.

Trump hatte mit seinem Slogan „America first“ stark auf die Bevorzugung von in den USA hergestellten Produkten und die Stützung heimischer Industrien gesetzt. Biden bedient sich ähnlicher Rhetorik. „Unsere Zukunft wird Made in America sein, es wird eine Zukunft sein, die von amerikanischen Arbeitern geschaffen wird“, sagte Biden jüngst. Häufig verspricht er auch, seine Politik werde in den USA „Millionen gut bezahlter und gewerkschaftlich organisierter Jobs“ schaffen.

Für die deutsche Industrie waren vor allem Trumps Strafzölle auf Stahl und Aluminium ein Affront. Dass der Präsident den 2018 erfolgten Schritt mit Bedenken hinsichtlich der nationalen Sicherheit begründete, sorgte für riesige Empörung. Zusätzlich erschüttert wurde das Verhältnis durch Trumps Drohung, auch Autoimporte mit Strafzöllen zu belegen – zumindest das sollte nun vom Tisch sein.

Ganz oben auf der handelspolitischen Liste von Bidens Regierung dürfte ohnehin nicht die EU, sondern China stehen. Mit keinem anderen Land oder Wirtschaftsblock überwarfen sich die USA unter Trump dermaßen. Hier muss Biden schnell entscheiden, wie es etwa mit Unternehmen wie Huawei oder der Tiktok-App weitergeht, die von Trump auf schwarze Listen gesetzt oder mit Verboten bedroht wurden. Zwischen der EU und den USA gibt es nach Einschätzung von Analysten etliche gemeinsame Nenner beim Thema China.

Die Hoffnung, dass der neue Präsident die Handelsbarrieren rasch wieder senkt, könnte durchaus enttäuscht werden, gibt der Bundesverband der Deutschen Industrie zu bedenken. So würden die umstrittenen Zölle nicht nur von den Gewerkschaften, sondern auch von vielen Demokraten im Kongress unterstützt. Besser sind die Aussichten für die Welthandelsorganisation WTO, die von der Trump-Regierung durch eine Blockade ihres zentralen Organs zur Schlichtung von Handelskonflikten in die schwerste Krise seit ihrer Gründung 1995 gestürzt wurde.

Die WTO ist auch Schauplatz eines seit über 15 Jahren erbittert zwischen der EU und den USA geführten Streits über illegale Subventionen für die Flugzeugbauer Airbus und Boeing. Die Schiedsrichter der Welthandelsorganisation stellten im Laufe der Jahre verbotene Staatshilfen auf beiden Seiten fest und genehmigten jeweils Vergeltungszölle auf Waren im Volumen etlicher Milliarden Dollar. Auch wenn hinter den Kulissen schon länger Verhandlungen über eine Beilegung des Dauerstreits laufen, standen die Zeichen zuletzt nicht auf Entspannung. Anfang Januar erst eskalierten die USA die Lage mit neuen Strafzöllen auf Produkte aus Deutschland und Frankreich weiter.

Die USA und Europa liegen jedoch bei weitaus mehr über Kreuz als nur bei Handelsfragen. Ein weiteres Konfliktfeld, um das sich die Biden-Regierung zügig wird kümmern müssen, ist etwa die Tech-Regulierung. Frankreichs geplante Digitalsteuer für Online-Riesen wie die Google-Mutter Alphabet oder Facebook ist dabei ebenso ein Stein des Anstoßes wie die Absicht der EU-Kommission, die Tech-Giganten mit neuen Spielregeln für digitale Dienste und Online-Plattformen in die Schranken zu weisen. Den US-Konzernen könnte dadurch sogar die Zerschlagung drohen.

Zu den Bereichen, bei denen unter Biden die raschesten Kehrtwenden vollzogen werden dürften, zählen Experten die Umwelt- und Klimapolitik. Die Auswirkungen auf Wirtschaft und Unternehmen wären groß. Eine der ersten Maßnahmen, die ergriffen werden könnte, ist die Rücknahme einer von Trumps Regierung beschlossenen Lockerung von Abgasvorschriften für Pkw. Das würde deutsche Autobauer wie VW, Daimler oder BMW treffen. Auch der Umweltverschmutzung durch Öl- und Gasförderer will Biden entgegenwirken – profitieren würden davon alternative Energien, wovon sich etwa Siemens gute Geschäfte verspricht. Auch die Aussicht auf ein Infrastruktur-Investitionsprogramm unter Biden, das dieser im Februar konkretisieren will, sorgte beim scheidenden Siemens-Chef Joe Kaeser bereits für gute Stimmung. Nach seinem Amtsantritt will Biden aber zunächst ein 1,9 Billionen Dollar schweres Konjunkturpaket zur Bewältigung der Corona-Krise auf den Weg bringen.

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