Essen Modebranche tief in der Krise

Eine Bund-Länder-Bürgschaft über 100 Millionen Euro soll die Zukunft der Modemarke Tom Tailor sichern. Die Tom Tailor Holding hi
Eine Bund-Länder-Bürgschaft über 100 Millionen Euro soll die Zukunft der Modemarke Tom Tailor sichern. Die Tom Tailor Holding hingegen musste Insolvenz anmelden.

Die Corona-Krise droht zum Desaster für Modehersteller und Modehändler gleichermaßen zu werden. Immer mehr Firmen suchen Rettung in Schutzschirmverfahren oder stellen gleich Anträge auf ein Insolvenzverfahren. Darunter sind auch viele bekannte Namen.

Egal ob Galeria Karstadt Kaufhof, Esprit oder Tom Tailor: Bekannte Namen schützen in der Textilbranche nicht mehr vor dem Absturz. Fast im Wochentakt mussten seit Ausbruch der Corona-Krise namhafte Modehersteller und Textilhändler Rettung in einem Schutzschirmverfahren suchen oder gleich Insolvenzverfahrensanträge stellen. „Wir laufen große Gefahr, dass Traditionshäuser, die unsere Innenstädte seit vielen Jahrzehnten prägen, in die Insolvenz gehen“, warnte Josef Sanktjohanser, Präsident des Handelsverbandes Deutschland (HDE), angesichts der Krise.

Das Problem: Vielen Unternehmen aus der Modebranche ging es schon vor der Corona-Krise nicht gut. Dem Siegeszug des Onlinehandels und dem Erfolg von Fast-Fashion-Anbietern wie Primark oder Zara hatten sie nur wenig entgegenzusetzen. Das Coronavirus traf, als es für flächendeckende Ladenschließungen in Deutschland sorgte, bei Herstellern und Händlern sozusagen vorgeschädigte Opfer.

Rettung Schutzschirmverfahren?

Für die meisten Schlagzeilen sorgte dabei Deutschlands letzte große Warenhauskette Galeria Karstadt Kaufhof, die Anfang April Rettung in einem Schutzschirmverfahren suchen musste. Inzwischen ordnete das Amtsgericht Essen ein Insolvenzverfahren in Eigenverwaltung für die Warenhauskette und acht verbundene Unternehmen an. Es schließt unmittelbar an das bisherige Schutzschirmverfahren an. Der Konzern will 56 der 172 Warenhäuser schließen, darunter die Kaufhof-Häuser in Landau, Worms und Mannheim (N7) sowie 20 der 30 Karstadt-Sports-Häuser. Für viele Standorte führen der Konzern sowie der Insolvenz-Sachverwalter Gespräche mit den Vermietern. Sachverwalter Frank Kebekus äußerte am Wochenende die Hoffnung, dass am Ende weniger als 50 Häuser schließen müssen. Unterdessen gibt es Berichte, wonach die Gespräche abgebrochen worden seien. Die Gewerkschaft Verdi reagiert empört: „Nach wie vor legen die Verantwortlichen nicht offen, nach welchen Kriterien sie über die Schließung von Filialen entscheiden. Zudem verweigern sie bisher jegliche Transparenz über den Stand der Verhandlungen mit den Vermietern“, kritisiert Orhan Akman, bei Verdi verantwortlich für den Einzel- und Versandhandel.

Aber der Warenhauskonzern ist nicht allein. Im Gegenteil: In der Modebranche häufen sich die Problemfälle. Auch die Handelskette Sinn und das Modeunternehmen Hallhuber suchten im April Rettung in einem Schutzschirmverfahren. Die Damenmode-Kette Appelrath Cüpper beantragte ein Insolvenzverfahren in Eigenverwaltung.

Ende März hatten sich außerdem mehrere Tochtergesellschaften von Esprit in ein Schutzschirmverfahren gerettet. Der Modekonzern will rund die Hälfte seiner Filialen in Deutschland schließen – insgesamt rund 50 Geschäfte. Rund 1100 Stellen in den Läden und der Verwaltung sollen wegfallen.

Der Taschenhersteller Picard suchte ebenfalls Rettung im Schutzschirmverfahren. Geschäftsführer Georg Picard sagte dem Branchenfachblatt „Textilwirtschaft“ mit Blick auf die Corona-Krise: „Es ist das Heftigste, das ich jemals erlebt habe. ... Das kam wie ein Überfall.“ Die größte Schwachstelle des Unternehmens sei jedoch der hohe Umsatzanteil von Galeria Karstadt Kaufhof gewesen.

Experten rechnen mit weiteren Verfahren

Auch die Tom Tailor Holding geriet in der Corona-Krise in Schieflage und musste im Juni wegen der Probleme bei der Tochter Bonita Insolvenz anmelden. Die Tom Tailor GmbH und damit die Modemarke Tom Tailor ist nach Unternehmensangaben davon aber nicht betroffen. Ihre Zukunft sei durch eine Bund-Länder-Bürgschaft über 100 Millionen Euro gesichert, betonte das Unternehmen.

Ein Ende der Probleme für die Branche ist derzeit noch nicht absehbar. Im Gegenteil: Erst vor einigen Tagen stellten mit dem Hosenspezialisten Hiltl und der Deutschland-Tochter des schwedischen Modehändlers Gina Tricot weitere Unternehmen Insolvenzverfahrensanträge.

Die Wirtschaftsauskunftei Creditreform rechnet denn auch in den nächsten Monaten mit einem weiteren Anstieg der vorläufigen Insolvenzverfahren und der Insolvenzen in der Modebranche. „Dienstleister, Gastronomie und (Textil-)Einzelhändler sind diesmal nicht am Ende der Krise von den Auswirkungen betroffen, sondern stehen am Anfang. Daher wird die Masse der insolvenzreifen Unternehmen unweigerlich steigen“, prognostizierte der Creditreform-Experte Patrick-Ludwig Hantzsch.

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