Wirtschaft Millionen für einen Fahrradkeller

An den Hauptbahnhöfen großer Städte wimmelt es von Menschen – und zunehmend auch von Fahrrädern. Die Kehrseite des Fahrradbooms sind die vielen wild durcheinander geparkten Drahtesel. Die ordentlichen Schweizer hat das nicht ruhen lassen.

In Zürich ist jetzt ein unterirdischer Fahrradkeller entstanden. Die Zürcher mögen diese Bezeichnung allerdings nicht. Sie nennen ihr Projekt Velostation. Auf 1200 Quadratmetern können dort 1600 Fahrräder abgestellt werden. Die Stadt war von ihrem nach mehrjähriger Planung eröffneten Bau so begeistert, dass zur Einweihung gleich drei ihrer Dezernenten die Zufahrtsrampe zum Fahrradkeller hinabradelten. „Willkommen in unserem Luxustempel“, schwärmte Tiefbau-Dezernent Filippo Leutenegger. Die Kehrseite der großen Fahrradsause sind die Kosten. Die riesige Abstellfläche hat fast 14 Millionen Franken oder umgerechnet rund 12 Millionen Euro gekostet. Davon trägt zwei Drittel die Stadt, ein Drittel hat die Regierung in Bern beigesteuert. Ist die Parkgarage damit vom Feinsten? Neben den zweistöckig angeordneten Halteständern gibt es Spezialplätze zum Beispiel für Lastenfahrräder. Betreiber der Anlage ist eine städtische Organisation zur Integration von Flüchtlingen. Sie bewachen die Anlage, betreiben eine Werkstatt einschließlich des Verkaufs von Ersatzteilen, und verleihen Gratisvelos. Auch Ladestationen für E-Bikes und eine kostenfrei nutzbare Ecke für die Reparatur von Drahteseln, die schlapp gemacht haben, sowie eine Pumpstation sind vorhanden. Zuckerstückchen des Konzepts bilden der unterirdische Zugang zum Bahnhof und zur Straßenbahn und ein Stückchen weiter zum Busparkplatz. Verknüpfung mit dem öffentlichen Personenverkehr, lautet denn auch die Idee hinter dem Bau. Entsprechend sollen in Zürich in den kommenden Jahren 10.000 solcher Abstellplätze bei Bahnhöfen entstehen. Bis Ende Oktober können die Fahrrad-Fans die neue Station kostenlos testen. Danach sollen sie über Gebühren die Betriebskosten finanzieren. 20 Franken kostet ein Monatsabo, für ein Jahr werden 180 Franken fällig, das sind knapp 160 Euro. Gratis-Abstellplätze sollen rund um den Bahnhof zwar weiter zur Verfügung stehen, dies auch in der neuen Anlage. Aber über die Anzahl wird es noch ein hartes Gerangel zwischen Stadt und Fahrrad-Lobby geben. Die Schweiz ist ein Fahrradland. Doch die Liebe zum Zweirad stößt in Zürich nicht nur auf Zustimmung. Fußgänger und Autofahrer stören sich am Wild-West-Gebaren vieler Velolenker. Dennoch stimmten die Zürcher in einem Volksentscheid kürzlich mehrheitlich für eine weitere Einschränkung des Straßenverkehrs zugunsten des öffentlichen und des sogenannten „Langsamverkehrs“. Aber sie unterlagen den umliegenden Gemeinden. Im gesamten Kanton Zürich wandte sich eine klare Mehrheit von 61 Prozent dagegen.

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