Wissenschaft Medizin-Nobelpreis für zwei mRNA-Pioniere

2020 teilten sie sich auf einer Bank der Universität Pennsylvania Süßigkeiten, jetzt teilen sie sich den Nobelpreis für Medizin:
2020 teilten sie sich auf einer Bank der Universität Pennsylvania Süßigkeiten, jetzt teilen sie sich den Nobelpreis für Medizin: Katalin Karikó (rechts) und Drew Weissman.

Die ungarische Biochemikerin Katalin Karikó erhält zusammen mit dem US-Amerikaner Drew Weissman für ihre Forschung zur mRNA-Technologie den Medizin-Nobelpreis.

Die beiden Wissenschaftler legten mit ihrer Forschung die Grundlage für die Corona-Impfstoffe von Biontech/Pfizer und Moderna. Bei mRNA-Impfstoffen werden keine Krankheitserreger oder deren Bestandteile benötigt wie bei herkömmlichen Impfstoffen. Vielmehr werden einigen wenigen Körperzellen mit dem Impfstoff Teile der Erbinformation des Virus als RNA mitgegeben – geliefert wird also der Bauplan für einzelne Virusproteine, die auch als Antigene bezeichnet werden.

Antigene aktivieren das Immunsystem und sollen so die schützende Immunantwort erzeugen. Vereinfacht gesagt: Bei herkömmlichen Impfstoffen wird das Antigen selbst gespritzt, bei mRNA hingegen die genetische Information, so dass der Körper das Antigen selbst bildet.

Viel Zeit mit Förderanträgen verbracht

Im Fall von Sars-CoV-2 enthalten einige Impfstoff-Kandidaten die genetische Information für einen Bestandteil des sogenannten Spikeproteins auf der Virusoberfläche. Dieses benötigt das Coronavirus, um in die Zellen einzudringen.

Die heute 68 Jahre alte Karikó wurde 1955 in Ungarn geboren, arbeitete schon seit Mitte der 1980er Jahre in den USA. Einen Großteil der 1990er Jahre verbrachte sie mit dem Schreiben von Förderanträgen zur Finanzierung ihrer Forschung über mRNA – Boten-Ribonukleinsäure, die den Zellen Informationen über den Bau von bestimmten Proteinen liefert.

Schlüssel für Corona-Impfstoffe entdeckt

Karikó glaubte, dass mRNA der Schlüssel zur Behandlung vieler Krankheiten sei. Doch die Ablehnungen von Fördermitteln häuften sich und aus dem erhofften Lehrstuhl an der Universität von Pennsylvania wurde nichts. „Ich war für eine Beförderung vorgesehen, und dann haben sie mich einfach degradiert und erwartet, dass ich zur Tür hinausgehe“, sagte Karikó im Dezember 2020. Mit niedrigem Gehalt schlug sie sich in der Männerdomäne erst einmal durch. 1997 begann sie dann mit Drew Weissman zusammenzuarbeiten, der mRNA-Impfstoffe gegen Aids entwickeln wollte.

Zehn Jahre später fanden sie eine Möglichkeit, mRNA in die Zellen von Mäusen einzuschleusen. Sie nutzten eine fettige Hülle, sogenannte Lipidnanopartikel, welche die Aufnahme in den Zellen erleichtern. Diese Innovationen waren später der Schlüssel zu den Corona-Impfstoffen.

Karikó arbeitete lange für Biontech

Karikós Karriere ist auch eng mit Deutschland verknüpft. Denn 2013 wurden die Biontech-Gründer Özlem Türeci und Ugur Sahin auf sie aufmerksam und boten ihr einen Job an. Zehn Jahre arbeitete sie fest für das Unternehmen mit Sitz in Mainz, ab 2019 war sie Senior-Vizepräsidentin für den Bereich RNA-Proteinersatztherapien, bis 2022 blieb sie dabei. Derzeit forscht sie weiter an der Universität von Pennsylvania und ist Professorin an der Universität Szeged in Ungarn. Daneben ist sie immer noch Beraterin für Biontech.

Die enge Verbindung zu Deutschland zeigte sich auch an den begeisterten Glückwünschen nach Bekanntgabe des Nobelpreises. „Eine bessere Wahl für Nobelpreis Medizin könnte es nicht geben“, schrieb Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) im Onlinedienst X, ehemals Twitter. Auch die rheinland-pfälzische Ministerpräsidentin Malu Dreyer (SPD) gratulierte.

Tochter ist zweifache Olympiasiegerin

Der Nobelpreis ist nicht die erste Top-Auszeichnung in Karikós Familie. Ihre Tochter Susan Francia hat schon zwei olympische Goldmedaillen im Rudern für die USA gewonnen. Der 64-jährige Weissman wiederum glaubte anfangs an einen „Scherz“ von „Katie“, als die ihn über den Nobelpreis informierte.

Karikós und Weissmans Arbeit dürfte auch in den kommenden Jahrzehnten bedeutend bleiben. Die „beeindruckende Geschwindigkeit und Flexibilität“, mit der mRNA-Impfstoffe entwickelt werden könnten, ebne den Weg für Impfstoffe gegen andere Krankheiten, erklärte das Nobel-Komitee und fügte hinzu: In Zukunft könnte die Technologie auch zur Behandlung einiger Krebsarten eingesetzt werden. Therapeutische Impfungen gegen Krebs werden bereits getestet.

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