Immobilien Keine Entspannung am Wohnungsmarkt

Entgegen dem allgemeinen Trend wurden 2022 weniger Einfamilienhäuser gebaut als im Jahr zuvor.
Entgegen dem allgemeinen Trend wurden 2022 weniger Einfamilienhäuser gebaut als im Jahr zuvor.

Die Anzahl der neugebauten Wohnungen in Deutschland ist im vergangenen Jahr um 0,6 Prozent auf 295.300 gestiegen. Experten warnen dennoch vor anhaltender Wohnungsnot.

Wie das Statistische Bundesamt am Dienstag mitteilte, wurde im vergangenen Jahr auch das Niveau des Jahres 2020 von 306.400 Wohnungen nicht erreicht. Im laufenden Jahr rechnet die Bauindustrie bestenfalls mit 250.000 fertiggestellten Wohnungen.

Viele Bauvorhaben stockten im vergangenen Jahr wegen Fachkräftemangels und der Lieferengpässe bei Baumaterialien. Zum Jahresende 2022 lag die Anzahl der genehmigten, aber noch nicht fertiggestellten Wohnungen bei 884.800 (plus 38.400 gegenüber 2021).

Weniger Einfamilienhäuser gebaut

Die durchschnittliche Dauer von der Genehmigung bis zur Fertigstellung habe sich seit der Störung globaler Lieferketten durch die Corona-Pandemie um etwa zwei Monate verlängert – von 20 Monaten im Jahr 2020 auf 22 Monate im Jahr 2022, erläuterte das Statistik-Amt.

Einen Rückgang gab es bei Einfamilienhäusern (minus 1,5 Prozent). Die Anzahl neuer Wohnungen in Zweifamilienhäusern stieg dagegen deutlich um 14,1 Prozent auf 23.000. In Mehrfamilienhäusern wurden 150.200 Neubauwohnungen geschaffen und damit 1,5 Prozent mehr als im Vorjahr.

12.300 neue Wohnungen in Rheinland-Pfalz

In Rheinland-Pfalz wurden im vergangenen Jahr 12.292 neue Wohnungen fertiggestellt (ohne Maßnahmen im Bestand), das waren 261 oder 2,2 Prozent mehr als 2021. Der landesweite Höchststand beim Bau neuer Wohnungen wurde im vergangenen Jahrzehnt im Jahr 2018 erreicht. Damals seien 13.413 neue Wohnungen erstellt worden, teilte das Statistische Landesamt auf Anfrage mit.

„Gerade in den Ballungsgebieten und ihrem Umland wird damit die Wohnungsnot zementiert“, kommentierte der Hauptgeschäftsführer des Hauptverbandes der Deutschen Bauindustrie, Tim-Oliver Müller, die bundesweiten Zahlen. Auch 2024 sei kaum Besserung in Sicht, die Fertigstellungszahlen dürften angesichts eingebrochener Baugenehmigungen weiter sinken.

Sinkende Genehmigungszahlen

Trotz der Nachfrage nach Wohnraum sind die Genehmigungszahlen seit vergangenem Jahr im Sinkflug. Wegen stark gestiegener Kreditzinsen und hoher Baupreise halten sich viele Bauherren mit Projekten zurück oder stornieren sie – von privaten Hausbauern bis Großinvestoren.

Die Industriegewerkschaft Bauen-Agrar-Umwelt (IG Bau) sieht die Wohnungsbaupolitik an einem Kipppunkt. „Wenn jetzt politisch nichts passiert, dann ist der Wohnungsbau am Ende. Dann rauschen die Neubauzahlen in diesem Jahr unter die Marke von 250.000“, warnte IG-Bau-Chef Robert Feiger.

IG Bau fordert Sondervermögen

Die IG BAU fordert bis 2025 ein Sondervermögen von 72 Milliarden Euro für sozialen Wohnungsbau und bezahlbaren Wohnraum. Zudem müssten umständliche Bauverordnungen und -normen zügig zurückgefahren werden. „Die nicht gebauten Wohnungen sind ein Gradmesser dafür, wie es um den sozialen Frieden steht“, betonte Feiger.

Auch der Immobilienverband Deutschland (IVD) warnt vor gesellschaftlichen Folgen insbesondere in der Mittelschicht. „Für die Altersvorsorge und den Vermögensaufbau ist die Entwicklung eine Katastrophe“, sagte IVD-Präsident Jürgen Schick den Zeitungen der Funke Mediengruppe. Im neuen Zinsumfeld fehle vielen potenziellen Käufern das Eigenkapital für den Immobilienerwerb, so Schick. Er forderte staatliche eigenkapitalersetzende Bürgschaften, um die Lücke zu schließen.

Bauministerin kündigt Förderprogramm an

„Das Verfehlen der Wohnungsbauziele ist umso dramatischer, als dass sich durch die Aufnahme ukrainischer Kriegsgeflüchteter der Wohnungsbedarf in Deutschland noch einmal erhöht hat“, sagte Sebastian Dullien, wissenschaftlicher Direktor des Instituts für Makroökonomie und Konjunkturforschung der gewerkschaftsnahen Hans-Böckler-Stiftung. So hatte der Zentrale Immobilien-Ausschuss geschätzt, dass 2025 rund 700.000 Wohnungen in Deutschland fehlen werden. Die Bundesregierung müsse den öffentlichen Wohnungsbau massiv fördern.

Bundesbauministerin Klara Geywitz will den Neubau von Einfamilienhäusern mit einem neuen Förderprogramm ankurbeln. Zum 1. Juni sollten Familien mit einem Einkommen von bis zu 60.000 Euro zinsvergünstigte Kredite von der staatlichen Förderbank KfW bekommen können, sagte die SPD-Politikerin am Dienstag. Für viele Familien sei der Traum vom Eigenheim wegen der höheren Zinsen geplatzt, da wolle der Bund helfen. Die konkreten Konditionen sollen in der kommenden Woche bekanntgegeben werden.

Den leichten Anstieg bei der Anzahl neugebauter Wohnungen 2022 bewertete Geywitz positiv. „Der Bau bleibt auch in der Krise stabil“, sagte sie. Es sei eine „sehr beachtliche Leistung der kompletten Baubranche angesichts eines Krieges, mehrerer Förderstopps im letzten Jahr und vor allen Dingen natürlich steigender Zinsen, Materialengpässe und spürbarem Fachkräftemangel“.

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