Wirtschaft Generalangriff auf lukrative Sparverträge

Spar- und Bausparkassen greifen immer häufiger zu Tricks, um gut verzinste Altverträge loszuwerden, wie eine groß angelegte Studie des Bundesverbands der Verbraucherzentralen (VZBV) zeigt.

Bauspar- und andere langfristige Sparverträge zählen in Deutschland zu den beliebtesten Anlageformen. Zwei Drittel aller Verbraucher über 18 Jahre verfügen laut VZBV über mindestens ein solches Produkt. Gemessen am heutigen Zinsniveau sind diese Verträge oft hoch verzinst, vor allem über Bonusregelungen mit zunehmender Laufzeit. Damit werden sie den Spar- und Bausparkassen zur Last, weil ihre früheren Zusagen kaum noch adäquat am Markt refinanziert werden können. Laut VZBV greifen sie daher immer früher und immer öfter zu fragwürdigen Praktiken, um diese Verträge loszuwerden.

Perfide Methoden

Die Methoden der Kassen sind demnach vielfältig und für betroffene Sparer gerade dann besonders perfide, wenn sie in persönlichen Gesprächen überredet werden sollen. Irreführende Aussagen könnten so kaum belegt werden. Mal werde einfach behauptet, ein Vertrag sei beiderseitig erfüllt, obwohl eine Sparkasse noch in der Pflicht ist und Vertragslaufzeiten über Jahrzehnte hinweg bestehen. Ein anderes Mal würden im Gespräch Alternativen angeboten, die für den Kunden angeblich günstiger seien – was bei genauem Blick aber nicht stimmt. Häufig würden auch Sparbeiträge willkürlich limitiert, etwa von vertraglich vereinbarten 150 auf 50 Euro monatlich, weil die Institute dann weniger Zinsen zahlen müssen. Wer in einer Filiale derartigen Änderungen leichtgläubig zustimme, könne nicht mehr zurück, warnt die VZBV. Denn in solchen Fällen gebe es kein Widerrufsrecht.

Prämien werden verschwiegen

In Schreiben an unliebsame Kunden seien Sparkassen mit ihren Aussagen vorsichtiger, hier sei das Prinzip, gezielt einen falschen Eindruck zu erwecken. So werde etwa auf einen unattraktiven Sparzins von 0,001 Prozent hingewiesen, die vereinbarte Prämie zu Vertragsende, die zu einer Gesamtrendite von 3 Prozent führt, aber verschwiegen. Beliebt sind laut VZBV auch Appelle an die Verantwortung für das Kollektiv. Wer in einen hochverzinslichen Vertrag weiter einbezahle, „schädigt nicht nur die Bausparkasse sondern auch die gesamte Bauspargemeinschaft“, schreibt zum Beispiel die Aachener Bausparkasse ihren Kunden. Ähnlich klingt es bei anderen Instituten. Das sei ein völlig ungerechtfertigter Vorwurf, stellt die VZBV klar. Verbraucher müssten vielmehr darauf vertrauen können, dass Tarifbedingungen erfüllt werden. Auch per Einmalzahlung sollen lästige Verträge aufgelöst werden. Kassen bieten in solchen Fällen laut VZBV zwischen 250 und 700 Euro für eine Vertragsauflösung an, obwohl die bestehenden Verträge allein in einem Jahr mehr als das, und über die Vertragslaufzeit mehrere Tausend Euro an Zinsen garantieren. Wenn Kunden das böse Spiel durchschauen, werde regelmäßig mit Kündigung gedroht.

Absurde Fälle

Die Studie der VZBV dokumentiert auch einen absurden Fall, in dem die Privatbank Donner & Reuschel ihre Riester-Vorsorgesparpläne mit der Begründung kündigt, diese könnten nach einer Softwareumstellung „nicht in die neue IT-Landschaft übernommen werden“. Ein weiterer, häufig gebrauchter Kündigungsgrund ist Verbraucherschützer Niels Nauhauser zufolge, dass angeblich höhere Regelsparbeträge nicht bis zu mehrere Jahre rückwirkend nachgezahlt werden, obwohl vertraglich Minisummen von 20 Euro monatlich festgelegt worden sind. Dabei handle es sich oft um Verträge, die minderjährigen Kindern von Verwandten geschenkt wurden. Für besonders dreist hält Nauhauser Kündigungen wegen des Gebots der Wirtschaftlichkeit, oder wegen Störung der Geschäftsgrundlage, wobei diese als das allgemeine Niedrigzinsumfeld definiert wird. Unter anderem in einem solchen Fall prozessiert die VZBV derzeit in zweiter Instanz. Der Experte bedauert, dass die Praktiken von Sparkassen bislang nur in den wenigsten Fällen von Gerichte als rechtswidrig zurückgepfiffen wurden. Gerade in bedeutsamen Fällen einigten sich die Anbieter mit ihren Kunden regelmäßig außergerichtlich per Vergleich, bevor es zu einem Grundsatzurteil komme. „Wir lassen uns aber nicht auf einen Vergleich ein“, betont Nauhauser. Er schätzt, dass bundesweit Hunderttausende Sparer im Visier von Sparkassen sind. Das entsprechende Beschwerdeaufkommen bei den 16 Verbraucherschutzzentralen der Bundesländer ist 2017 gegenüber 2015/16 jedenfalls um ein Fünftel angeschwollen.

Kündigungen unter bestimmten Bedingungen erlaubt

Die Kritisierten sind sich keiner Schuld bewusst. Kreditinstitute in Deutschland fühlten sich stets zur vertragsgetreuen Erfüllung ihrer Verträge verpflichtet, entgegnet der Branchenverband Deutsche Kreditwirtschaft. Denen müsse es aber möglich sein auf veränderte Bedingungen wie dauerhaft niedrige Zinsen „sachgerecht reagieren zu können“. Kündigungen von Verträgen unter bestimmten Bedingungen habe der BGH erlaubt. Darauf hebt auch der Verband privater Bausparkassen ab und hält die Lage seit dem Urteil im vorigen Jahr für beruhigt. Vertragskündigungen seien ein letztes Mittel. Strittig und in gerichtlicher Klärung seien nur noch außergewöhnliche Einzelfälle. Dem widerspricht Beate Weiser, Referentin für Finanzthemen im bundesweit agierenden Marktwächterteam der Verbraucherschützer. Die von der Studie aufgedeckten Praktiken fielen nicht unter das BGH-Urteil, da es in der Studie um Verträge gehe, die entweder noch gar nicht oder erst seit wenigen Jahren zuteilungsreif sind. Die Praktiken der Kassen bewegen sich mangels Grundsatzurteilen vielfach in einer rechtlichen Grauzone. Für Verbraucherschützer ist allerdings klar: „Wenn Finanzinstitute langfristige Sparverträge kündigen oder Kunden überreden, sich von diesen Verträgen zu trennen, wälzen sie die negativen Folgen des Niedrigzinsumfeldes einseitig auf die Verbraucher ab“, kritisiert Weiser.

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