Radfahren Auto versus Fahrrad: Zoff um die Vorfahrt

Geeignete Fahrradwege in der Stadt – auch in Ludwigshafen ein großes Thema. Unser Bild zeigt den kaum genutzten Streifen in der
Geeignete Fahrradwege in der Stadt – auch in Ludwigshafen ein großes Thema. Unser Bild zeigt den kaum genutzten Streifen in der Heinigstraße. Der wurde ursprünglich vor allem zur Luftreinhaltung angelegt.

Deutschland will mehr für Radfahrer tun. Doch wenn Autofahrer Raum abgeben sollen, kommt es oft zu Konflikten – auch in der Pfalz. Auf der großen Radverkehrskonferenz in Leipzig wird intensiv um Lösungen gerungen.

Kurzer Radweg, große Diskussion: Seit Wochen wird in Leipzig um einen grünen Fahrstreifen vor dem Hauptbahnhof gestritten. Radfahrer haben dort im April einen neuen Weg bekommen – auf Kosten von Autospuren. Die Maßnahme war Teil eines Konzepts, mit dem die Stadt unter anderem die Sicherheit erhöhen wollte. Doch das Projekt stieß auf Widerstand. Wirtschaftsverbände protestierten, eine Petition wurden gestartet. Bislang hält die Stadt Leipzig am Radweg fest.

Die Debatte um den Radweg kochte vor der Weltradverkehrskonferenz „Velo-City“ hoch. Noch bis Freitag tagen dabei auf der Leipziger Messe mehr als 1500 Teilnehmer aus über 50 Ländern. Das Motto lautet „Leading the Transition“. Es geht um Stadtentwicklung, nachhaltige Mobilität und Infrastruktur für Fahrräder. „Das Fahrrad ist eine einfache Lösung für die kompliziertesten Probleme der Welt“, heißt es auf der Internetseite der Konferenz. Klingt vielversprechend. Doch in der Praxis – das zeigt nicht nur der Streit um den Radweg vor dem Leipziger Hauptbahnhof – kommt es oft zu Konflikten.

Manchmal müssen Gerichte über die Fälle entscheiden. Der Allgemeine Deutsche Fahrradclub (ADFC) nennt mehrere Beispiele aus den vergangenen Jahren. Demnach wies etwa das Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg die Klage eines Politikers gegen provisorische Radfahrstreifen zurück. In Düsseldorf hingegen musste die Stadt laut ADFC ein Projekt rückgängig machen, weil für einen Radweg Lkw-Parkplätze weggefallen waren und die Stadt die Notwendigkeit ihrer Maßnahme nicht mit Unfallzahlen belegen konnte.

Fahrradnation Deutschland?

Zu solchen Problemen kommt es, obwohl in Deutschland mehr oder weniger Konsens darüber herrscht, dass eine Verkehrswende notwendig ist, um den Ausstoß von CO2 zu reduzieren. So wurde bereits 2021 der Nationale Radverkehrsplan beschlossen, mit dem Deutschland bis 2030 zum „Fahrradland“ werden soll. Der Plan sah unter anderem mehr Radschnellverbindungen vor, außerdem mehr Rücksicht auf Lastenräder und einen Ausbau von Fahrradparkplätzen.

Zwar hat der Radverkehr nach Angaben des ADFC zugenommen. Doch zugleich sind in Deutschland so viele Autos wie noch nie zugelassen. Laut dem Statistischen Bundesamt waren Anfang des vergangenen Jahres 48,5 Millionen Pkw registriert. Der Kfz-Verkehr sei stärker geworden, sagt ein ADFC-Sprecher. Und: „Der häufigste Unfallgegner von Radfahrenden ist der Pkw.“

Der Ausbau der Radverkehrsinfrastruktur habe mit dem steigenden Radverkehr nicht Schritt gehalten. Beim Fahrradklima-Test 2022, einer Umfrage des ADFC, hat Deutschland die Schulnote 4 erhalten. 80 Prozent der Teilnehmer klagten über zu schmale Radwege, 70 Prozent fühlten sich beim Radfahren nicht sicher.

Auch in der Pfalz sind Radwege und deren Zustand ein heißes Thema, nicht zuletzt in Ludwigshafen, wo es immer wieder um den wenig genutzten Streifen in der Heinigstraße geht oder um die an vielen Stellen mangelhafte Baustellenumfahrung.

Nachholbedarf unstrittig

Selbst beim ADAC, dem Lobbyverband der Autofahrer, ist man der Ansicht, dass mehr für Radfahrer getan werden sollte. Zwar hätten Umfragen gezeigt, dass nur jeder dritte Autofahrer die Umwandlung von Verkehrsflächen unterstützt. Aber: „Grundsätzlich denke ich, dass es notwendig ist, an der einen oder anderen Stelle Raum abzugeben“, sagt Ronald Winkler, Fachreferent für Stadtverkehr.

Der Umbau sollte demnach fair ablaufen, also nicht von heute auf morgen passieren. Es sei wichtig, die Interessen aller Verkehrsteilnehmer mit einzubeziehen. Wo es möglich ist, sollten Rad- und Autoverkehr räumlich getrennt werden, zum Beispiel durch Fahrradstraßen. Die Entwicklung einer besseren Fahrradinfrastruktur werde allerdings Zeit in Anspruch nehmen, sagt Winkler. Auch Fahrradhochburgen wie Münster hätten Jahrzehnte gebraucht, um ein hochwertiges Netz aufzubauen.

Dieser Prozess, davon ist man beim ADFC überzeugt, wird weitere Konflikte mit sich bringen. „Wir hören aber aus Städten aus dem Ausland, die teilweise viel radikalere Einschränkungen des Autoverkehrs vornehmen, dass die Änderungen nach kurzer Zeit akzeptiert werden“, sagt ein Sprecher.

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