Wirtschaft Air Berlin streicht rund 100 Flüge

An den Service-Schaltern von Air Berlin (hier am Flughafen Berlin-Tegel) bildeten sich gestern wegen der Flugausfälle lange Schl
An den Service-Schaltern von Air Berlin (hier am Flughafen Berlin-Tegel) bildeten sich gestern wegen der Flugausfälle lange Schlangen.

«Berlin». Air Berlin sieht die Rettung des Unternehmens durch Krankmeldungen vieler Piloten in Gefahr. Mitten im Verkaufsprozess musste die insolvente Fluggesellschaft gestern rund 100 Flüge streichen und dürfte damit weiteres Vertrauen bei ihren Kunden verloren haben.

„Heute ist ein Tag, der die Existenz der Air Berlin bedroht“, schrieb Flottenchef Oliver Iffert in einem Brief an die Belegschaft. Tausende von Passagieren würden vergeblich auf ihren Abflug warten. Viele Kunden machten ihrem Ärger in den Sozialen Netzwerken Luft. „In einem schlechteren Licht kann ein Unternehmen gar nicht dastehen als die Air Berlin am heutigen Tage“, schrieb Iffert. Am Freitag läuft die Frist für Angebote für die insolvente Fluglinie aus. Der Grund für die Flugstreichungen sei eindeutig, betonte Air Berlin: „Es gibt heute rund 200 Krankmeldungen im Cockpit, vor allem von Kapitänen.“ Die „Bild“-Zeitung berichtete, Hintergrund sei, dass am Montag Verhandlungen zum Übergang von 1200 der 1500 Air-Berlin-Piloten auf den potenziellen neuen Käufer von der Geschäftsführung abgebrochen worden seien. Ein Air-Berlin-Sprecher dementierte dies allerdings. Die Pilotengewerkschaft Vereinigung Cockpit (VC) Gewerkschaft stellte klar, sie habe Piloten nicht dazu aufgerufen, sich krankzumelden. Sozialplanverhandlungen über einen geregelten Übergang des Personals seien der einzige Weg, um viele Jobs zu erhalten. Air Berlin hatte Mitte August Insolvenz angemeldet, weil der Großaktionär Etihad den Geldhahn zudrehte. Nun lotet der Sachwalter Lucas Flöther zusammen mit dem Management Lösungen für eine Sanierung aus. Interessenten können ihre Angebote bis zum 15. September abgeben. Eine Entscheidung über den Verkauf der Airline als Ganzes oder Teile davon könnte kurz danach fallen. „Unser Ziel ist, dass wir bereits im Gläubigerausschuss am 21. September zu konkreten Entscheidungen kommen“, schrieb Chief Operations Officer (COO) Iffert. Deshalb seien die „heutigen Ereignisse pures Gift.“ Der Generalbevollmächtigte des Unternehmens, Frank Kebekus, ergänzte: „Wenn sich die Situation nicht kurzfristig ändert, werden wir den Betrieb und damit jegliche Sanierungsbemühungen einstellen müssen.“ Die Flugausfälle könnte zu einem Verlust zwischen 4 und 5 Millionen Euro führen, sagte ein Brancheninsider. Konzernchef Thomas Winkelmann sagte nur: „Der heutige Tag kostet uns mehrere Millionen Euro.“ Die Airline müsse nun schnellstmöglich wieder zu stabilen Betriebsabläufen zurückfinden, mahnte Flottenchef Iffert. „Das ist die zwingende Voraussetzung dafür, die laufenden Verhandlungen mit den Investoren zu einem positiven Abschluss zu bringen.“ Alles andere gefährde das Ziel, möglichst viele Arbeitsplätze zu erhalten. Verdi zeigte derweil Verständnis für die Krankmeldungen. Sie seien „in dieser Situation keinesfalls verwunderlich“. Es sei nicht auszuschließen, dass es auch bei anderen Beschäftigten dazu kommen könne. Verdi rief die Beschäftigten zugleich auf, den Flugbetrieb weiter aufrecht zu erhalten, um ihre Arbeitsplätze nicht zu gefährden. In den Gesprächen der Investoren dürfe es nicht nur um wirtschaftliche Interessen gehen, sondern auch um die Arbeitsplätze von mehr als 8000 Beschäftigten. „Angst und Wut der Air Berliner eskalieren, weil es hier um Existenzen ganzer Familien geht“, warnte Verdi-Bundesvorstand Christine Behle. Zuletzt musste Air Berlin schon zahlreiche Langstreckenflüge streichen, um Kosten zu sparen, denn mangels Vertrauen der Kunden brachen die Buchungen ein und hätten somit zu einem Verlustgeschäft geführt. Erst am Montag hatte Air Berlin angekündigt, ab 25. September sein Karibik-Flugprogramm zu beenden und die Streichung von USA-Flügen vorzuziehen. Grund dafür war laut Iffert, dass ein Leasingunternehmen zehn Langstreckenmaschinen zurückhaben wollte.

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