Rheinpfalz Wenn Lehrling und Meister streiten

Ludwigshafen

. Eigentlich darf das Rollgerüst nur bewegt werden, wenn niemand darauf steht. So jedenfalls hat es der Azubi gelernt. Doch seinem Chef dauert das Runter- und wieder Raufkraxeln zu lange: Er will das Gestell verschieben, während der junge Mann oben ist. Überhaupt, sagt der 22-Jährige, nimmt es der Meister, Inhaber eines Handwerksbetriebs im Rhein-Pfalz-Kreis, mit den Sicherheitsbestimmungen nicht so genau. Zum Beispiel, wenn es um Schutzkleidung geht. Oder um die Frage, was ein Lehrling überhaupt schon alleine machen darf. Ayten Yasar, Azubi-Beraterin bei der Industrie- und Handelskammer (IHK) Pfalz in Ludwigshafen, kennt solche Schwierigkeiten. Wenn auch eher in der umgekehrten Variante: Sie berichtet vor allem von Auszubildenden, die sich beschweren, weil sie nicht tun dürfen, was sie ihrem Berufsbild zufolge eigentlich lernen müssten. Doch dafür kann es gute Gründe geben. Zum Beispiel, dass der Berufsanfänger einfach noch nicht so weit ist. Um solche Fragen zu klären, „schauen wir mal ins Berichtsheft“, sagt Yasar. Und die Berater sprechen mit dem Chef – falls der Auszubildende einverstanden ist. Denn erst einmal sind sie zu Verschwiegenheit verpflichtet. Viele Lehrlinge suchen zwar Hilfe. Aber gleichzeitig wollen sie nicht, dass sich deshalb jemand von der IHK bei ihrem Betrieb meldet. Manchmal ist das auch gar nicht nötig, berichtet die Beraterin. Zum Beispiel, wenn sich schnell zeigt, dass die Beschwerde gar nicht berechtigt ist. Berufsanfänger hören viel – von den Lehrern an der Berufsschule, aber auch von Eltern und Mitschülern. Nicht immer stimmt, was ihnen da erzählt wird. Dann haben sie falsche Vorstellungen, wenn es darum geht, ob sie Überstunden schieben müssen. Oder wie ihre Zeit in der Berufsschule korrekt zu verrechnen ist. Oder ob der Chef von ihnen verlangen kann, dass sie auch mal den Mülleimer leeren. Pfalzweit bestanden zum Jahreswechsel exakt 13.333 Ausbildungsverhältnisse, 5509 Berufsanfänger haben 2013 einen Ausbildungsvertrag unterschrieben. Wie viele von ihnen sich wegen Problemen bei der IHK melden, wird in keiner Statistik festgehalten. Yasar peilt über den Daumen: Jeder der fünf für verschiede Regionen der Pfalz zuständigen IHK-Berater bekommt ein bis zwei derartige Anrufe pro Woche. Besonders anfällig für Streit in der Ausbildung sind die Gastronomie, der Handel und die IT-Branche, besagt Yasars Erfahrung. Und: In großen Unternehmen mit ihren formalisierten Abläufen knirscht es vergleichsweise selten. Krach zwischen Chef und Lehrling gibt es eher in kleinen Betrieben. Wie in dem, bei dem der 22-Jährige gelernt hat. Dort gibt es, so berichtet er, in der Werkstatt gar keine Toilette. Wer mal muss, geht ins benachbarte Privathaus des Inhabers. Und wenn der nicht da ist, bleibt nur ein längerer Weg zum stillen Ort. Der führt dann eben zum Beispiel ins nicht allzu weit entfernte Rathaus, sagt der junge Mann. Zumindest dieses Problem hat sich für ihn mittlerweile erledigt: Sein Chef hat ihn gefeuert. Zur Prüfung ist er trotzdem noch angetreten, berichtet er. Das geht, wenn der Auszubildende dafür schon angemeldet und die Lehrzeit fast abgeschlossen war. Die IHK prüft im Einzelfall, ob die Voraussetzungen erfüllt sind. Doch eigentlich wollen Yasar und ihre Kollegen verhindern, dass es überhaupt so weit kommt. Dazu holen sie Ausbilder und Lehrling an einen Tisch. Doch sie beraten junge Leute auch, wenn sie schon auf der Straße stehen. Ihre erste Empfehlung heißt natürlich: ab zur Arbeitsagentur. Doch manchmal können sie auch selbst einen Betrieb nennen, in dem ein Auszubildender seine Lehre vielleicht noch zu Ende bringen kann.

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