Rheinpfalz Training für den fremden Alltag

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Kusel (kgi). Auch Rheinland-Pfalz muss immer mehr Flüchtlinge aufnehmen. In dieser Serie berichten wir über Aktionen, bei denen sich Bürger und Kommunen besonders für diese Aufgabe engagieren. In der heutigen Folge geht es um die Kontaktstelle Holler in Kusel. Sie hilft Asylbewerbern vor allem dabei, schnell Deutsch zu lernen.

Eigentlich ist der langgezogene ovale Tisch vor der kleinen Wandtafel im größten Raum der Kontaktstelle Holler der, an dem Kinder Hausaufgaben machen, Jugendliche sich um Bewerbungen kümmern, gegessen wird, Brettspiele gespielt und Dekorationen gebastelt werden. In der Spiel- und Lernstube treffen sich seit 1983 Kinder und Jugendliche, viele davon aus Migrantenfamilien, zum Lernen und in ihrer Freizeit. Die Kontaktstelle hat ihren Sitz in einer Wohnung in einem tristen Mehrfamilienhaus in der Berliner Straße in Kusels Stadtteil Holler. Finanziert wird die Wohnung von der Stadt, die sich zusätzlich neben Land, Kreis, Verbandsgemeinde sowie den Mitgliedern des Trägervereins und Spendern auch an den Lohnkosten der Erzieherin und des Sozialarbeiters sowie an den Sachkosten beteiligt. Jeden Dienstagvormittag und Donnerstagabend sind die Besucher, die sich an dem großen Tisch treffen, deutlich älter als sonst: Die Lehramtsstudentin Caroline Cassel und Ilse Schleppi, eine Lehrerin im Ruhestand, bieten dann Sprachunterricht für Asylsuchende an. Sie tun es ehrenamtlich, weil sie die Flüchtlingssituation als bedrückend empfinden und einen Weg suchen, wie sie sich engagieren können. 332 Asylbewerber sind derzeit im Kreis Kusel untergebracht, 117 davon in der rund 5000 Einwohner großen Kreisstadt. Alle kämpfen mit Sprachproblemen: In der Erstaufnahme in Trier habe er einen Crashkurs bekommen, seither lerne er in Eigenregie mit Hilfe des Internets weiter, erzählt beispielsweise der 21-jährige Eritreer Michael. „Die Vokabeln sind nicht schwer, aber die Grammatik.“ Die Informationen, wer wo in den 98 Gemeinden des Landkreises welche Sprachkurse anbiete, und welche Träger dafür Mittel vom Land beantragt haben, würden nicht zentral zusammenlaufen, bedauert die Sprecherin der Kreisverwaltung. Zwei befristet eingestellte Fachkräfte mehr sollen künftig Abhilfe schaffen. Doch die Informationsbarriere ist nicht das einzige Problem: Das Nahverkehrsnetz ist in der dörflich geprägten Region nicht besonders eng geknüpft und fürs Fahrrad sind die Entfernungen teils zu weit. So hat die Kontaktstelle nicht nur die beiden jeweils 90 Minuten dauernden Deutschstunden organisiert, sondern für Teilnehmer aus umliegenden Dörfern auch einen ehrenamtlichen Fahrdienst. Auf dem Weg wird manchmal ein Stopp am Supermarkt eingelegt. „Dann können wir unser Deutsch probieren“, sagen die vier jungen Männer, die an diesen Abend per Shuttle aus dem benachbarten Rammelsbach kommen. Bis zu 20 Personen nutzen die Deutschstunden, dieses Mal sind es elf: eine Familie und Einzelpersonen – überwiegend junge und mittelalte Männer aus Eritrea und Somalia, Albanien und Tschetschenien. Ein bisschen erinnert die Konversation an die babylonische Sprachverwirrung: Unterrichtet wird auf Deutsch und Englisch, untereinander helfen sich die Schüler auch mal in der Mutter- oder Verkehrssprache der alten Heimat. „Das Problem ist, dass die Gruppe recht groß und der Kenntnisstand unterschiedlich ist“, sagt Caroline Cassel. „Jedes Mal ist ein neues Gesicht dabei. Aber alle sind sehr motiviert und konzentriert. Sie wollen lernen, schreiben die Hefte total voll. Das ist in anderen Klassen ja oft nicht so.“ Der Unterricht dreht sich um Alltagssituationen: „Sich vorstellen können, Begrüßungen, Hobbys, Familie, Supermarkt, wie funktioniert der Nahverkehr?“, nennt Cassel als Beispiele. Die 28-Jährige steht an der kleinen Tafel, schreibt, wischt wieder weg, wiederholt. „Wie heißen Sie?“, „Wie alt sind Sie“, „Was machen Sie gerne?“ – reihum gehen die Übungen. Die Aussprache fällt nicht immer leicht. Hausaufgabenblätter werden ausgepackt. Die Kopien stiften die Ehrenamtlichen ebenfalls. Der Anstoß zum Sprachkurs kam, weil einige Asylsuchende in Wohnungen in der Nähe der Kontaktstelle Quartier bekommen haben. „Sie kamen auch immer mal hierher, spielten Tischfußball und versuchten, ihr Deutsch aufzubessern“, erinnert sich Sozialarbeiter Bastian Drumm. Kurzentschlossen stellte die Kontaktstelle einen Aufruf in die sozialen Netzwerke. „Ich habe das gelesen, angerufen, und zwei Tage später ging es los“, erinnert sich Cassel lachend. „Unbürokratisch und spontan.“ Bastian Drumm ist froh darüber, dass die Kontaktstelle Holler auf so großes Interesse stößt und für die Flüchtlinge etwas bewegen kann. Es gehe für die Einrichtung auch darum, Stellung zu beziehen gegen Rassismus – für eine Willkommenskultur. Sozialarbeiter Drumm: „Wenn 15, 20 Menschen aus sechs, sieben Nationen am Tisch sitzen und gemeinsam lernen, dann ist das ein Beleg für Multikulti, wie er schöner und besser nicht sein kann.“

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