Rheinpfalz Sind die Tage der Einzelpraxen gezählt?

Abschaffung der Kassenärztlichen Vereinigung, Studienbonus für Landärzte, kommunale Finanzspritzen: Wenn es um Ärztemangel auf dem Land geht, werden aus der Not heraus viele Ideen geboren. Eine Lösung haben die Teilnehmer der Podiumsdiskussion zur hausärztlichen Versorgung, die am am Donnerstagabend im Wadenauer Hof auf reges Interesse stieß, aber nicht gefunden.

Erst vor kurzem hatte sich der Kreistag mit dem Thema befasst. Das Ergebnis: Der Kreis Kusel sei voll versorgt. „Statistisch stimmt das sogar“, sagte Podiumsteilnehmerin Sigrid Hansen vom Verband der Ersatzkassen. Der Landkreis sei mit 113 Prozent sogar überversorgt, konkretisierte die Gesundheitsexpertin der Verbraucherzentrale, Sabine Strüder. „Sie jammern hier auf hohem Niveau“, forderte sie die Diskutanten heraus. Strüder klärte allerdings auch auf, dass der Bedarf anhand von Statistiken aus den 90er Jahren erstellt werde und monierte: „Das kann man so nicht machen.“ Dem stimmte Michael Schnorr aus Kusel zu. Er empfahl die Abschaffung der KV. „Wer sich in der Wirtschaft an einem 90er-Jahre-Modell orientiert, wäre doch längst bankrott“, warf er ein. Die KV stellt die ambulante medizinische Versorgung im Land sicher. Vertreter der KV und der AOK als größter Krankenversicherer waren der Einladung in den Wadenauer Hof aber nicht gefolgt. Aus Anlass seines 40. Geburtstages hatte der Krankenpflegeverein Dennweiler-Oberalben zur Diskussion mit Moderator Wolfgang Pfeiffer, Leiter der RHEINPFALZ-Redaktion Kusel, eingeladen. „Warum will keiner mehr Landarzt werden?“, fragte zu Beginn Vereinsvorsitzender Dieter Leonhard. Eine Antwort versuchte Günter Zytariuk. Der Arzt aus St. Julian, der ebenfalls die Abschaffung der KV empfahl, sagte, junge Leute wollten sich nicht mehr langfristig binden. Zytariuk gab zudem Einblicke in den Verdienst eines Hausarztes. So werde ein Hausbesuch mit 20 Euro abgerechnet – „dafür nimmt ein Handwerker noch nicht mal seine Mütze vom Kopf“. Der Politik warf Zytariuk, der drei Jahre vergeblich einen Nachfolger suchte, Versagen vor: „Erst schicken sie uns mit 67 in die Rente, jetzt dürfen wir bis 100 arbeiten.“ Sein Kollege Rüdiger Brust aus Altenglan, nicht mehr weit vom Rentenalter entfernt, sagte: „Wir sollen gezielt wegfallen.“ Die Situation sei gewollt, um medizinische Versorgungszentren aufzubauen. „Nur sterben die Praxen zu schnell ab“, lautete sein Befund. Dass die Tage der Einzelpraxen gezählt seien, meinte auch Sigrid Hansen. Mit Blick auf den Krankenhausbau in Meisenheim, der mehrere Gesundheitseinrichtungen kombinieren werde, forderte sie eine stärkere Vernetzung der Angebote. „Wo wir den Arzt aufsuchen, ist doch gleichgültig“, betonte sie. „Das Vertrauen zum Hausarzt ist ganz wichtig“, wandte daraufhin eine Zuhörerin ein. Gerade diese sprechende Medizin, in der der Arzt sich Zeit für einen Dialog mit dem Patienten nimmt, und nicht nur Apparate einschaltet und „Chemie“ verordnet, sei den Patienten wichtig. Der Reichenbach-Steegener Arzt Eike Heinike, der kürzlich eine ähnliche Diskussion angestoßen hatte, setzte sich für Neuerungen in der Ausbildung ein: „Wir brauchen Lehrstühle für Gesundheit, nicht für Allgemeinmedizin“, forderte er. Und: Ärzten die Ansiedlung auf dem Land mit günstigen Bauplätzen oder kommunalen Finanzspritzen versüßen. Darauf angesprochen, zeigte sich der erneut kandidierende Bürgermeister Michael Kolter aus Wolfstein – der nördliche Landkreis ist vom Ärztemangel stark betroffen – offen. Bei medizinischen Versorgungszentren müssten auch die Kommunen Geld in die Hand nehmen, sagte er. (suca)

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