Kultur Südpfalz Mit Herzschmerz und finnischen Zungenbrechern

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„Heimat und Fremde“ lautet der dieser Tage so beziehungsreiche Titel seines aktuellen Programms: Und nach mittlerweile zwölfjähriger Tradition startete das exzellente Männerensemble „Lords of the Chords“ den Aufbruch in die Konzert-Fremde 2016 am Schauplatz der Gründung: Bad Bergzabern.

„Ist immer wie heimkommen“, kommentierte launig der Berliner Domkantor Tobias Bromann (Bariton). Mit ihm entfachten die Bässe Joe Roesler (Leipzig), Marcus Stäbler (Hamburg), Christoph Drescher (Berlin), die Baritone Florian Schmitt (Berlin), Henning Jensen (Ulm), die Tenore Maurice Croissant (Pirmasens), Daniel Schreiber (München) und der Altus Jochen Patscheke (Gießen) am Sonntagabend in der ausverkauften Marktkirche zugabensüchtige Beifallsstürme. Die „Lords“ – bereits von Beginn an unstreitig in der Oberliga der vokalen Ensemble-Landschaft angesiedelt – sind spürbar gereift, haben ihrem sensibel ausgeleuchteten Klangprofil vertieft unverwechselbare Kontur verliehen, ein originäres Signet verpasst. Inhalt und Darstellung kommen um nichts weniger spannungs- und abwechslungsreich daher, aber zusätzlich eleganter, feinsinniger, auf unangestrengte Weise reich an Esprit. Slapstick und Witz, lachmuskelstrapazierenden Parforce-Ritte im schrägsten Harmonie- und Textgeschirr – meinetwegen auf Finnisch – sind sorgsam im Programm platziert (und tun unentrinnbar Wirkung). Dennoch überwiegt der kontemplative, der elegische Grundton, das äußerst penibel austarierte Zusammenspiel von neun sich konzentriert aneinander ausrichtenden, hochkultivierten Stimm-Persönlichkeiten. Es entsteht ein ebenso vollmundiger wie seidenweicher, in der vollkommenen Verschmelzung gerade der verebbenden Dynamik atemberaubend makelloser Klang, nach dem sich nahezu süchtig werden ließe. Roter Faden fürs weltläufige Programm: Ein fiktiver junger Globetrotter, ein romantischer Wanderbursch mit Jetset-Allüren, wird zwischen literarisch solidem Trennungsschmerz (Isaac: „Innsbruck, ich muss dich lassen“, Silcher: „Ännchen von Tarau“) und fröhlichem Seemanngarn (Robert Sund: „Trunken Sailor“) auf die musikalische Reise rund um den Erdball geschickt. Dieser Kunstkniff schuf einen kleinen Plot für Daniel Schreibers geistreiche kleine Plaudereien zwischen den Vorträgen. Welch nachhaltige Bühnenpräsenz! Mit nonchalanter Beiläufigkeit schwadronierte er finnisch locker über „Etaläpohjalainen piirilautu“ (Toivo Kuula), kommentierte höchst unterhaltsam und stets geschmackvoll, sicher präzise vorbereitet, aber dem Anschein nach wie aus der Hüfte gefeuert. wie aus. Sollte ihn sein brillanter Tenor jemals im Stich lassen – als wortvirtuoser „Zwischenträger“ ließe sich gewiss erneut Karriere machen. So schickten Schreiber und die „Lords“ ihren Jüngling also zu „Jungfrauen, Jägern, schwedischen Blaubeeren“ und vielem mehr und bemühen dazu herrlichste (vorwiegend) zeitgenössische Chorliteratur aus aller Herren Länder. Schalk und Turbulenzen bediente der virtuos quer durch die tonalen Vernetzungen schießende „Jäger längs dem Weiher“ von Bernd Englbrecht. Herrliche Musiken der Schweden Hugo Alfvén und Anders Edenroth, raffinierte, brillante oder auch schlicht anrührende Sätze unter anderem von Heitor Villa-Lobos, Francis Poulenc, Ralph Vaughan Williams und Arthur Sullivan komplettierten die spannungsreiche Werkfolge. Den heiteren Schlusspunkt vor der Zugabenfolge setzte eine köstliche Reminiszenz an den berühmtesten Matrosen der deutschen Nachkriegsschnulzenlandschaft. „Freddy Quinn“ Joe Roesler, sekundiert vom Backgroundchor, parodierte im Originalsound und „Snack“ ohne Überzeichnung – das hatte was ungemein Anrührendes. Da bleibt dem Publikum nur zu sagen: „Junge(n), komm(t) bald wieder!“ (gp)

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