Kultur Südpfalz Liebe und Tod

Mit zwei weiteren „Abendsternen“ und dem traditionellen Kammerkonzert der Deutschen Händel-Solisten ging das Programm der 41. Karlsruher Händel-Festspiele diese Woche auf hohem Niveau weiter.

Sehr spannend waren wieder drei Abende unter dem Motto „Abendsterne“ als kleines Festival im Festival (wir berichteten über den ersten am 23. Februar). Das gilt vor allem für das dritte Konzert am Donnerstag in der Christuskirche, bei dem statt dem Geiger Stefano Montanari der international gefeierte Cembalist Mahan Esfahani spielte. Der machte dem ihn vorauseilenden Ruhm alle Ehre und begeisterte durch ein exorbitantes Spiel auf dem gelegentlich unterschätzten Instrument. Wenn Esfahani Cembalo spielt, dann klingt ein ganzes Orchester aus den zwei Manualen, dann erzeugt der Musiker eine kaum vorstellbare klangliche Vielfalt und präsentiert eine Ausdruckspalette als wäre es Musik von Chopin. Und das nicht, weil er so romantisch spielte. In keinem Fall, aber Mahan Esfahani setzt seine musikalische Vorstellungs- und Gestaltungskraft so konsequent und differenziert ein, dass sein Vortrag in keinem Takt irgendwie mechanisch anmutet, sondern jeder Takt Ausdruck größter musikalischer Fantasie ist. Sehr reizvoll war sein Programm, das mit einer Pavane von Orlando Gibbons begann, von Bach die konzertant anmutende Englische Suite Nr. 4 und die ausladende Toccata D-Dur BWV 912 brachte, dazu eine g-Moll-Sonate von Jiri Antonin Benda enthielt und zum Schluss bei einer Suite von Rameau köstliche Tonmalereien (etwa zu pickenden Hennen) machte. Großer Beifall und eine wunderbare kunstvoll-zarte Zugabe von Purcell und eine wilde Sonate von Domenico Scarlatti. Händel gab es an diesem Abend nicht, dafür ausschließlich in der Stadtkirche beim „Abendstern“ Musik für Königinnen mit der Geburtstagsode für Königin Anne und der Trauerode für Königin Caroline. Hier zeigten einheimische Kräfte wie der Coro piccolo und das Karlsruher Barockorchester ihre Kompetenz in einem belebten und beredten Vortrag unter Leitung des Stadtkirchenkantors Christian-Markus Raiser. Besonders interessant war die Begegnung mit aufstrebenden exzellenten Gesangssolisten. Die Sopranistin Margo Arsane überzeugte durch erlesene Tongebung und bestechende Stimmkultur. Der Countertenor Cameron Shahbazi empfahl sich für weitere Aufgaben, er überzeugte durch sein weiches und klangvolles Timbre und seinen charismatischen Vortrag. Traditionelles Kammerkonzert Es war einmal eine Zeit ohne CDs, da mussten die Menschen selbst Musik machen. Aus dieser Zeit stammen die Stücke, die vier langjährige Mitglieder der Deutschen Händel-Solisten für ihr Kammerkonzert ausgewählt haben. Dmitri Dichtiar und Gerhart Darmstadt, Spezialisten auf dem Barockcello, David Sinclair am barocken Kontrabass und Rien Voskuilen am Cembalo präsentierten im Kleinen Haus des Badischen Staatstheaters eine interessante Auswahl an Sonaten und Soli unter dem Motto „Eros und Thanatos“. Liebe und Tod lagen in der barocken Oper nah beieinander, und nach den Worten von Dmitri Dichtiar stellen die barocken Kompositionen für Cello nichts anderes dar als „Arien ohne Worte“. So unterstrichen die Musiker ausdrucksvoll den oft elegischen Duktus der langsamen Sätze, ob in der reizvollen g-Moll-Sonate von Giovanni Benedetto Platti oder der Fantasia IV in d-Moll von Orlando Gibbons. Dessen Stück für drei Streicher bestach zudem durch den dicht gewobenen, satten Klang, den die Musiker in ihrem konzentrierten Zusammenspiel erreichten. Spannend an solchen Konzerten ist die Begegnung mit der Musik von heute gänzlich unbekannten Komponisten. Von Francisco Caporale weiß man, dass er als Cellist in Händels Opernorchester spielte. Er hinterließ unter anderem eine Sonate in d-Moll für Cello und Basso continuo, die Gerhart Darmstadt und Rien Voskuilen bestens zur Geltung brachten. Vom französischen Komponisten Martin Berteau weiß man eigentlich nur, dass er selbst ein Virtuose auf dem Cello gewesen sein muss. Berteaus e-Moll-Trio op. 1,6 stellte eine echte Entdeckung dar. Die Musiker legten einen lebendig pulsierenden Rhythmus unter die ganz eigene, feinherbe Klangfarbe dieses Stückes. Für dieselbe Besetzung mit zwei Celli und Basso continu schrieb Benedetto Marcello die c-Moll-Sonate op. 2, 2. In den weit ausschwingenden melodischen Linien der langsamen Sätze konnten Dichtiar und Darmstadt ihre Kunst, das Cello „singen“ zu lassen, voll und ganz ausspielen. Händels g-Moll-Sonate aus Opus 2, HWV 393, war eigentlich für zwei Violinen komponiert, aber Dichtiar und Darmstadt legten die Stimmen kurzerhand tiefer. Dichtiar sieht Telemanns Sonate für Cello solo und Generalbass TWV 41 eine Entsprechung zur antiken Geschichte von Orpheus und Euridike. Den spritzig gegebenen letzten Allegro-Satz deutete er als Apotheose: Orpheus wird von seinem göttlichen Vater Apoll in den antiken Götterhimmel geholt. Zu derartigen Höhenflügen setzte Johann Jakob Froberger nie an. Er scheint im 17. Jahrhundert der Fachmann für Lamentationen, Meditationen und generell musikalische Klagen gewesen zu sein. Rien Voskuilen interpretierte Frobergers „Méditation sur ma morte future“ so frei, als würde der Komponist sich das Stück gerade selbst am Cembalo ausdenken.

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