Rheinpfalz Jessica findet Geschmack an Afrika

BORNHEIM (jüm). Adebare sind Individualisten. Das zeigen die Erfahrungen mit den Pfälzer „Senderstörchen“: Während sich Lieselotte zu einer nordspanischen Müllkippe hingezogen fühlt, flattert Jessica rund 3000 Kilometer weiter südlich in der Nähe des westafrikanischen Niger-Flusses herum. Dabei sind sie Geschwister, die aus einem Nest in der Südwestpfalz stammen.

Mitte Juni hat Wolfgang Fiedler 26 in der Südpfalz und bei Worms geschlüpfte Jungstörche mit Minisendern ausgerüstet. Von solchen „Senderstörchen“, die via SMS Daten über ihre aktuellen Aufenthaltsorte übermitteln, erhofft sich der Biologe von der Vogelwarte Radolfzell Aufschluss über die Reisegewohnheiten dieser Vögel. Organisiert wurde dieses Projekt von der Aktion Pfalzstorch, die bei Sponsoren die nötigen Finanzmittel mobilisierte. Seit August verfolgen Storchen-Fans den Zug der 26 „Auserwählten“ in die Winterquartiere. Eine Vorhersage hat sich leider bestätigt: Die Reise ist gefährlich. Etliche Vögel sind schon verendet, meistens, weil sie an Leitungsmasten einen Stromschlag erlitten, wie der Biologe berichtet. Um andere „Pfälzer“ muss man sich ebenfalls Sorgen machen: Von ihnen erreichte keine SMS mehr die Heimat. Dazu zählte zeitweise Jessica, die am Kirschbacherhof bei Zweibrücken das Licht der Welt erblickte: Ende August kamen von ihr Signale aus Marokko. Dann ließ sie wochenlang nichts von sich hören. Offenbar erkundete sie die Sahara, in der das Handynetz vor allem aus Löchern besteht. Inzwischen schickt ihr Sender wieder Daten, zuletzt am Freitag. Danach zieht Jessica beim Dreiländereck Mali – Niger – Burkina Faso ihre Kreise. Deutlich weniger abenteuerlustig ist ihre Schwester Lieselotte. Sie verharrt bei der nordspanischen Stadt Lleida. Offensichtlich findet Lieselotte bei einer Müllkippe einen reich gedeckten Tisch. Für dieses so unterschiedliche Zugverhalten selbst von Geschwistern gibt es noch keine rechte Erklärung, bestätigt Wolfgang Fiedler. Es sind wohl Zufälle, die dabei eine Rolle spielen: Der eine Storch erwischt einen günstigen Wind, der ihn rasch über große Entfernungen hinweg trägt. Und der andere schließt sich einer Gruppe von Artgenossen an, die es gemütlich angehen. In jedem Fall dürfte das Futterangebot bei der Reiseplanung eine Rolle spielen. Mit Storchenaugen betrachtet, sind Müllkippen hochinteressant. Gibt es doch dort reichlich weggeworfene Lebensmittel. Die Tiere scheinen die Abläufe auf den Deponien genau zu kennen: Sie „wissen“ offenbar, wann die Laster „frische Ware“ abkippen, und dass am Wochenende, wenn die Deponie geschlossen ist, wenig zu erwarten ist. Den Vögeln schadet das unappetitliche Biotop offenbar kaum: Auf Mülldeponien verenden nach Fiedlers Worten relativ wenige Tiere. Übrigens: Außer Jessica hält sich noch der im südpfälzischen Bornheim geschlüpfte Borni in Mali auf, im Nachbarland Mauretanien schaut sich Mercedes (Rülzheim) um. Weitere Afrikareisende aus der Pfalz sind Felix und Odysseus (beide aus Sondernheim) sowie Vroni (Bornheim), die sich derzeit – noch? – in Marokko herumtreiben. Die übrigen überlebenden Senderstörche aus der Pfalz halten sich in Spanien auf. Bleibt die Frage, welche exotischen Reiseziele von den Pfälzer Adebaren noch zu erwarten sind. Viel weiter südlich wird es kaum mehr gehen, dämpft Fiedler zu hohe Erwartungen. Der zentralafrikanische Regenwald scheint ein unüberbrückbares Hindernis darzustellen. Bekanntlich zieht sich aber quer durch Deutschland eine geheimnisvolle „Storchengrenze“: Während die südwestdeutschen Exemplare wie Jessica Afrika über die Straße von Gibraltar ansteuern, reisen ihre nördlich und östlich dieser Linie geschlüpften Artgenossen via Bosporus, Türkei, Syrien, Israel und das Niltal nach Süden. Von letzteren ist bekannt, dass einige Vögel sogar Südafrika erreichen. Gut möglich ist, dass Jessica und andere Pfälzer noch in diesem Winter den Tschadsee kennenlernen. Vielleicht treffen sie dort auf Alexander: Dieser Senderstorch schlüpfte in der Nähe von Moskau, hat somit den Tschad über die Ostroute erreicht. Solche West-Ost-Begegnungen von Störchen sind nicht ungewöhnlich, weiß Fiedler. Ganz ungewöhnlich wäre es allerdings, wenn sich ein Westzieher am Tschadsee für die Rückreise den Oststörchen anschließen würde. Info —Wer die Reise der Pfälzer „Senderstörche“ verfolgen möchte, kann dies mit Hilfe der kostenlosen Animaltracker-App tun. Die Adresse lautet www.orn.mpg.de/animaltracker. —Zusätzliche Infos bietet die Aktion Pfalzstorch unter www.pfalzstorch.de („Besenderungsprojekt“).

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