Rheinpfalz In den anderen hineinversetzen

Der Täter-Opfer-Ausgleich bietet eine Alternative zu Gerichtsverfahren. Die Anlaufstelle in Kaiserslautern ist das Arbeits- und Sozialpädagogische Zentrum in der Pfaffstraße. Dort beraten die Mediatorinnen Christine Kümmel, Alexandra Dülm und Kornelia Euler-Deßloch.

Etwa 130 Fälle kamen in diesem Jahr auf die beiden Sozialpädagoginnen Christine Kümmel und Kornelia Euler-Deßloch sowie auf Psychologin Alexandra Dülm zu. In rund 100 Fällen gibt es bereits eine Regelung, meist in Form einer gütlichen außergerichtlichen Einigung, wie Kümmel und Dilm berichten. Seit 1996 ist die „Schlichtungsstelle Dialog“ für den Täter-Opfer-Ausgleich unter Erwachsenen im Landesbezirk Kaiserslautern zuständig. Die Schlichtungsstelle ist auch zuständig für Personen aus dem Kreis Kusel. Konflikte unter Jugendlichen werden in den Jugendämtern behandelt. Träger der Initiative ist der Pfälzische Verein für Soziale Rechtspflege. Die Maßnahme unterstützt Geschädigte und Beschuldigte dabei, miteinander in Dialog zu treten, nicht als Gegner, sondern als Menschen, sagen die Mediatorinnen. In Vorgesprächen können beide Seiten unabhängig voneinander den Tathergang aus ihrer Sicht schildern, eigene Bedürfnisse erkennen und mit den Vermittlern beraten, ob eine Begegnung von Angesicht zu Angesicht möglich ist. Eine solche Begegnung muss nicht zwingend erfolgen, denn auch die Vermittler wissen, dass es dafür oft Mut auf beiden Seiten braucht. Bei der sogenannten Shuttle-Mediation können die Vereinbarungen über die Vermittler ausgehandelt werden, ohne dass Täter und Opfer jemals persönlich in Kontakt treten. Doch gerade bei einem persönlichen Gespräch könne sich das Täter-Opfer-Verhältnis oft auflösen, wenn beide Parteien versuchten, sich in den anderen hineinzuversetzen. Dadurch würden die Hintergründe einer Tat nachvollziehbarer. „Fragen wie ,warum ich?` sind für den Geschädigten oft wichtiger, als einfach nur Schadensersatz oder Schmerzensgeld einzufordern. Deshalb ist es aus unserer Sicht immer von Vorteil, sich auf ein solches Gespräch einzulassen“, bestätigt Kümmel. „Oft reift die Einsicht eines Beschuldigten auch erst während des Gesprächs“, ergänzt Dülm. Die Wahrscheinlichkeit, dass ein persönliches Ausgleichsgespräch negativ verlaufe, sei äußerst gering. In 95 Prozent der Fälle werde eine für beide Seiten zufriedenstellende Konfliktlösung erarbeitet, sprechen die Mediatorinnen aus Erfahrung. Grundvoraussetzung dafür sei, dass beide Parteien an den Gesprächen freiwillig teilnehmen. Die Wünsche und Bedürfnisse der Beteiligten stehen im Vordergrund und werden vertraglich festgehalten, berichten die Mediatorinnen. Das könne von einer öffentlichen Entschuldigung bis hin zu einer finanziellen Wiedergutmachung reichen. Für Letzteres hat die Schlichtungsstelle Kaiserslautern spezielle „Opfer-Fonds“ eingerichtet. Sie sollen Tätern mit geringen finanziellen Möglichkeiten dabei helfen, den vereinbarten Betrag durch gemeinnützige Arbeit im Arbeits- und Sozialpädagogischen Zentrum oder anderen Einrichtungen aufzubringen. Danach werden die Betroffenen von den Vermittlern aber nicht einfach sich selbst überlassen. Bis zu einem Jahr begleiten diese beide Parteien, um die Einhaltung eines Vertrages zu garantieren. In manchen Fällen ist dafür nach Erfahrungen der Schlichter viel Ausdauer gefragt. Bei Nichteinhaltung gibt es Sanktionen. Für den Täter-Opfer-Ausgleich eigne sich prinzipiell jeder Fall mit persönlich Betroffenen. Die meisten Fälle werden der Schlichtungsstelle vom Gericht oder der Staatsanwaltschaft zugewiesen, wie Dülm und Kümmel erzählen. Weitere Möglichkeiten seien, beim Stellen der Strafanzeige, der Vernehmung oder bei einem Rechtsanwalt nach einer Schlichtung zu fragen und über Polizei und Staatsanwaltschaft an die Schlichter weitergeleitet zu werden. Allerdings sei diese Möglichkeit noch wenig bekannt und werde daher kaum genutzt. „Uns ist wichtig, dass der Täter-Opfer-Ausgleich gerade von den Geschädigten als Chance erkannt wird, sehr schnell eine Wiedergutmachung und Klärung zu erhalten, die sonst in einem normalen gerichtlichen Ablauf zum Teil Monate und Jahre dauern oder sogar gar nicht erfolgen würde“, betont Dülm. Auch Sabine Müller – Geschädigte in einem Fall wegen Unterschlagung von Kommissionsware – hat diese Chance genutzt und lobt die Arbeit der Mediatorinnen: „Hut ab davor, mit welcher Aufopferung und Nervenstärke sich die Vermittler für die Betroffenen einsetzen. Ich kann nur empfehlen, dass mehr Menschen den Täter-Opfer-Ausgleich nutzen.“

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