Rheinpfalz Herr Matheis, übernehmen Sie!

Rodalben. Arbeitsalltag an einem Donnerstagmorgen. Es ist 8.30 Uhr. Die Verbandsgemeindeverwaltung in Rodalben öffnet ihre Tore. Verbandsbürgermeister Werner Becker und Stadtbürgermeister Wilhelm Matheis und sicherlich auch die anderen Verwaltungsmitarbeiter sind schon im Haus. Dass sie heute unerwartete und unangemeldete Gäste empfangen – und zwar noch recht kleine –, das soll eine „Überraschung“ werden. Auf dem Parkplatz finden sich nach und nach Mamas und Papas mit ihren Kleinkindern ein. „Mama, das ist doch nicht der Kindergarten“, hört man eines der Kinder sagen. Mit großen Augen beobachten die kleinen Gäste – es sind acht an der Zahl – zwei Bezirkspolizisten, die aus einem Streifenwagen steigen und freundlich grüßen. Im Foyer begrüßt Renate Woll, die in der Zentrale tätig ist, etwas fragend schauend die Gruppe. Schnell erklärt eine der Mütter: „Der Kindergarten streikt. Wir können nicht zur Arbeit, deshalb dachten wir, wir bringen die Kinder hierher.“ Da staunt Renate Woll nicht schlecht. Die Kindertagesstätten streiken. Daran beteiligt sich auch der städtische Sommerfeld-Kindergarten. Der Streik geht nach Pfingsten bereits in die dritte Woche. Die Gewerkschaften Verdi und GEW wollen mehr Anerkennung für Erziehungsberufe durch höhere Eingruppierungen erreichen. Für die bundesweit 240.000 Beschäftigten im Sozial- und Erziehungsdienst würde das eine deutliche Anhebung der Gehälter bedeuten. Dieser Streik trifft natürlich die berufstätigen Eltern, die auf eine gesicherte Betreuung ihrer Kinder angewiesen sind. Kindergewusel breitet sich derweil im Foyer aus und Lärm füllt den Vorraum der Verbandsgemeinde aus. VG-Mitarbeiter gehen verwundert vorbei. Eine der Damen ermahnt die Kinder: „Da könnt ihr nicht durch, die Tür muss zu bleiben.“ Woll holt den Kleinen zwischenzeitlich einen grünen Ball und zeigt ihnen den Maltisch. Das anfängliche Staunen weicht freudigem Mitspielen. Während die Erzieherinnen streiken, fühlen sich die Kinder offensichtlich in der Verbandsgemeinde pudelwohl. Die Meinung der Mütter – ein Vater kommt auch noch hinzu – ist einhellig: „Recht haben die Erzieherinnen, dennoch müssen die Streiks ein Ende haben.“ Vor allem die Eltern wissen die Arbeit der Erzieherinnen zu schätzen, auch wenn diese massiv unter dem Streik leiden. Jessica Lindacher, Mutter des dreijährigen Luca, holt zwischenzeitlich ein Plakat mit der Aufschrift „Der Streik muss ein Ende haben!“ aus dem Auto. Ein Besucher der Verbandsgemeinde empört sich kopfschüttelnd: „Das ist ja Wahnsinn hier!“ Kurz vor 9 Uhr macht sich die Kinder- und Elterngruppe auf ins Obergeschoss. Der Stadtbürgermeister möge sich – wenigstens temporär – als Erzieher betätigen. Auf dem Weg nach oben trifft die Eltern-Kind-Gruppe Verbandsbürgermeister Werner Becker. Der schaut zunächst verwundert aus seinem Büro. Die Frage „Was ist denn hier los?“ lässt sich auf seinem Gesicht ablesen. Ein kurzer Plausch, dann folgt der Verweis auf die Zuständigkeit des Stadtbürgermeisters. „Mich stören die Kinder hier nicht!“, grummelt er. Die Kleinen klopfen an die Tür von Wilhelm Matheis. Sie werden kurz vertröstet. Dann bittet der Stadtbürgermeister alle herein und begrüßt jedes Kind persönlich mit Handschlag. Schnell verwandelt sich das Bürgermeisterzimmer in einen Gruppenraum. Die Kinder setzen sich, spielen und essen mitgebrachte Brote. Matheis hört sich verständnisvoll die Belange der Eltern und Kinder an. „Für mich sind die Forderungen der Erzieherinnen und auch der Eltern völlig nachvollziehbar, doch das Problem ist, dass keine Gelder vorhanden sind. Das ist Landessache“, erklärt er. Während die Erwachsenen diskutieren, muss eines der Kinder Pipi, und die kleine Ella bekommt Hunger. Eine Lösung muss her, ist der Tenor von Stadtbürgermeister und Eltern. Beim Aufbruch nach Hause, bittet uns Heidi Merkel zum Verbandsbürgermeister ins Zimmer. „Ganz kurz noch!“ Dann zaubert Becker für jedes Kind einen kleinen Stoffaffen aus dem Aktenschrank. Die Probleme der Eltern löst das zwar nicht, jedoch freuen sich die Kinder über die Stofftiere. Eine für die Kinder und Verwaltungsmitarbeiter aufregende Stunde ist zu Ende. Nun hoffen Eltern und sicher auch Erzieherinnen des Sommerfeld-Kindergartens auf ein glückliches Ende des Streiks. Die Autorin RHEINPFALZ-Mitarbeiterin Mandy Kreb ist Mutter und selbst vom Streik der Erzieherinnen betroffen. Sie war heute zusammen mit den anderen Eltern bei Stadtbürgermeister Wilhelm Matheis. Ihr Sohn Vin ist dreieinhalb Jahre alt. Hauptberuflich ist Mandy Kreb Fachleiterin am Staatlichen Studienseminar für das Lehramt an Grundschulen in Kusel.

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