Kultur Südpfalz Gesänge aus dem Exil

Dichtung im Zeichen von Flucht und Vertreibung, angefüllt von beklemmender Aktualität, von Menschen im Bewusstsein, ins Vergessenwerden zu fallen, kam in einer Veranstaltung beim Kunst-und-Kulturverein Annweiler im Museum unterm Trifels zu Wort. Burkhart Denger rezitierte aus Gedichten und Texten politisch Verfolgter während der Zeit des Nationalsozialismus bis zur Gegenwart.

Das Thema „Werft eure Herzen über alle Grenzen“ beinhaltete Dichtung der Emigration von aus der Heimat nur wegen ihrer jüdischen Abstammung verstoßenen Mitbürgern. Die von Aufbegehren gegen die Unmenschlichkeit bis hin zur bitteren Ironie und letztendlicher Resignation geprägten Verse stellte Denger in unpathetisch gehaltener Sprache und gerade dadurch mit ergreifender Intensität dar. Begleitet und in ihrer Wirkung verstärkt wurde sein Vortrag, mit geradezu stereotyp gesetzten eindringlichen Tonfolgen durch Isabel Eichenlaub auf dem Cello, etwa mit Ausschnitten aus Hindemith-Sonaten und Hanns Eislers „Ernste Gesänge“, einem Schüler Arnold Schönbergs und Weggefährten Bertolt Brechts, der nach Mexiko und in die USA geflohen war. Vertriebene, Verbannte sind wir, drückt Brecht die Seelennot der Emigranten aus, im Grunde von Auswanderern, wie der Begriff es im eigentlichen Sinne meint. Leute, die sich nicht fügen wollen, passten eben nicht in unsere Zeit, bemerkt Hans Reinow sarkastisch in seinem Gedicht „Wohin“. Im „Interview mit mir selbst“ erkennt Mascha Kaleko, wie naiv sie doch gewesen sei, zu meinen, wenn Kriege aus sind, müsse es Frieden geben. Du darfst nicht schlafen und träumen heißt es im „Schlaflied für Daniel“ von Siegfried Einstein. Verzweiflung, Hoffnungslosigkeit und Vereinsamung reichen bis zum Verlust der eigenen Identität, so ins Hans Sahls „Vom Brot der Sprache“ mit der Gewissheit, von völliger Vergessenheit eingehüllt zu werden: Niemand wird meine Verse lesen. Aber auch verträumte Melancholie war zu vernehmen, so bei der mit 18 Jahren im Zwangsarbeitslager umgekommenen Selma Meerbaum-Eisinger und in Rose Ausländers sehnsuchtsvollem Gedicht „Eine Insel erfinden“, dort aufgenommen zu werden, „wo wir wachsen dürfen“. Den Bogen zur Gegenwart spannten Ausschnitte aus dem Roman „Drei starke Frauen“ von Marie NDiaye, Schicksalswege einer jungen Frau auf der Flucht durch die afrikanische Wüste nach dem verheißungsvollen Paradies Europa mit jähem Ende an Stacheldrahtzäunen. Tröstlich klang dazu auf dem Cello eine von Isabel Eichenlaubs Eigenkompositionen. Die Regie führte Ro Tritschler. (ppo)

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