Rheinpfalz „Enttäuscht und sehr verärgert“

Weder der Katastrophenschutz des Landkreises noch die deutsche Feuerwehr waren darüber informiert, dass die Amerikaner in einem Labor auf dem Landstuhler Kirchberg offenbar in der Vergangenheit mit aktiven Milzbranderregern operiert haben. Das hat die für Katastrophenschutz zuständige Erste Kreisbeigeordnete Gudrun Heß-Schmidt (CDU) gestern auf RHEINPFALZ-Anfrage bestätigt und scharfe Kritik am Verhalten der US-Streitkräfte geäußert: „Wir sind enttäuscht und sehr verärgert.“

„Dass möglicherweise aktive Anthraxsporen nach Landstuhl versandt wurden, davon hat man weder mich noch den Kreisfeuerwehrinspekteur in Kenntnis gesetzt“, sagt die Beigeordnete. Sie wolle nun zunächst die Antworten auf den Fragenkatalog von Landstuhls Bürgermeister Peter Degenhardt (CDU) abwarten (wir berichteten). „Sollte sich dabei herausstellen, dass dies tatsächlich so war, dann können wir nicht einfach so zur Tagesordnung übergeben, dann muss es weitergehende Gespräche mit den Amerikanern geben.“ Die US-Streitkräfte müssten verstehen, betont Heß-Schmidt, „dass wir sehr verärgert sind“. Denn gerade beim Katastrophenschutz komme es wesentlich auf eine vertrauensvolle Zusammenarbeit aller Beteiligten an. Wie mehrfach berichtet, wurden offenbar in den Jahren 2007, 2009 und 2010 aus Versehen aktive statt abgetötete Milzbranderreger an ein Labor der US-Army in Landstuhl geschickt. Wo genau sich dieses Labor auf dem Landstuhler Kirchberg befindet, konnten bis gestern weder der Bürgermeister noch die oberste Katastrophenschützerin sagen. Die Antwort der Amerikaner auf diese Frage steht noch aus. Auch wie die Sporen nach Landstuhl transportiert wurden, ist noch offen. „Es ist von Shipments, Schiffstransporten, die Rede“, zitiert Degenhardt Aussagen von der Homepage des US-Verteidigungsministeriums. „Und dann? Wie kamen die Anthraxsporen von Rotterdam oder wo auch immer nach Landstuhl? Mit dem Lkw quer durch Europa?“ Laut der Internetseite des „Department of defense“ seien offenbar zahlreiche Laboratorien der US-Army in den Vereinigten Staaten und mindestens in sieben weiteren Ländern – darunter Deutschland – betroffen, gibt Degenhardt die dortigen Informationen wieder. „Außerdem ist dort die Rede von ,Post-Exposure-Prophylaxis’, der prophylaktischen Behandlung von 21 Personen“, hat er nachgelesen und will nun von den Amerikanern wissen, ob Mitarbeiter des Labors in Landstuhl behandelt werden. Der Bürgermeister hat Fragen über Fragen: „Wie wird das Zeug entsorgt? Landet das womöglich in unserer Kläranlage? Für was braucht man überhaupt den Biokampfstoff Anthrax in Landstuhl? Und: Was gibt es womöglich sonst noch für andere hochgefährliche Substanzen in dem Labor?“ Degenhardt ist sich mit Heß-Schmidt einig, dass das Hantieren mit Biokampfstoffen über die Arbeit eines normalen Labors weit hinaus geht. „Wir haben Verständnis dafür, dass im Labor eines Krankenhauses, in dem auch Patienten nach einem Aufenthalt in tropischen Ländern in Behandlung sind, beispielsweise Tollwut-Erreger oder ähnliches beprobt werden. Das machen unsere deutschen Krankenhäuser auch, um die Erreger identifizieren zu können“, sagt die Beigeordnete. „Doch der Einsatz von Kampfstoffen wie Anthrax ist ein ganz anderes Feld.“ Es sei „wirklich ein Hammer“, dass die deutschen Behörden nicht darüber informiert worden seien, kritisiert Degenhardt und fragt: Was wäre beispielsweise im Falle eines Großbrands passiert, bei dem einheimische Wehrleute alarmiert und den Amerikanern zur Hilfe geeilt wären? Heß-Schmidt ergänzt: Bei einem Laborbrand würden zwar Schutzanzüge getragen, „aber man muss auch wissen, gegen was man sich schützen muss“. Der Milzbranderreger sei „extremst gefährlich“ für Mensch und Tier, so die Kreisbeigeordnete. Daher habe sie beim Kreisveterinäramt nachgefragt, ob es Erkenntnisse über möglicherweise infizierte Tiere gebe oder gegeben habe. „Darüber liegt nichts vor“, betont sie. Auch deutschlandweit gebe es darauf keine Hinweise. „Das hätte man uns gemeldet“, sagt sie und bezieht sich damit auf den Bericht der Zeitung „Bild“, wonach bei Nato-Manövern in Deutschland versehentlich aktive Anthraxsporen eingesetzt worden sein sollen, um Systeme zu testen, die Biokampfstoffe erkennen sollen. Um sich Gehör zu verschaffen, hat die Kommunalpolitik mittlerweile die örtlichen Bundestagsabgeordneten Anita Schäfer und Xaver Jung (beide CDU) eingeschaltet. Der SPD-Bundestagsabgeordnete Gustav Herzog hat eine Kleine Anfrage an die Bundesregierung gestartet, in der er unter anderem wissen will, ob die Bundesregierung „eine Gefährdung der Zivilbevölkerung durch lebende Anthraxsporen im Forschungslabor der US-Army ausschließen kann“.

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