Kultur Südpfalz Entfernung und Annäherung

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Wer Kunst und Kunstwissenschaft mal auf geniale Weise miteinander verzahnt sehen will, der sollte noch bis zum 4. September ins Frank-Loebsche Haus nach Landau kommen. Dort findet man den Landauer Kunstpädagogen „Diethard Herles im Dialog mit Thomas Nast“ und gewinnt bei der beredten Zwiesprache auf fast spielerische Art und Weise Einblick in die Bildwelten des berühmten Karikaturisten.

Thomas Nast, der berühmte Sohn Landaus, kam 1846 als sechsjähriger Steppke nach Amerika, wohin seine Familie ausgewandert war. Er wurde in den USA vor allem wegen seiner politischen Karikaturen berühmt. Und die konnte man im renommierten „Harpers Weekly“ „lesen“. Ja, „lesen“ ist das richtige Wort, denn die bissigen Schwarz-weiß-Illustrationen, die den Finger auf die Wunden der Zeit legten, Sklaverei und Korruption beklagten und deren Übeltäter an den Pranger stellten, sprachen als symbolträchtige Botschaften Bände und schrieben Fortsetzungsgeschichten über die Historie ihrer Zeit. Als Professor für Kunstpädagogik und Kunsttheorie an der Uni Landau hat sich Diethard Herles in diese Botschaften besonders intensiv eingelesen und dabei auch ihre technische Raffinesse bewundert und schließlich sogar einen ihnen zu Grunde liegenden Code entschlüsselt. Herles wies nach, dass Nast entgegen der verbreiteten Meinung keine Holzschnitte fertigte und öffnete der Fachwelt die Augen für eine ganz neue Betrachtung der grafischen Ausdrucksweise. Schließlich adelte Herles den amerikanischen Karikaturisten sogar zum „Großmeister der Kreuzschraffuren“, von dem selbst Albrecht Dürer noch hätte lernen können. Nur einen Katzensprung von der Roten Kaserne entfernt, wo Nast 1940 in ärmliche Verhältnisse geboren wurde, kann man sich nun also intensiver als dies je in den USA geschah, mit der ganz persönlichen „Handschrift“ des Meisters auseinandersetzen und sehr genussvoll seine Kunst der Schraffur studieren. Als Künstler und Kunstwissenschaftler in einer Person hat Herles die Sprache Nasts aber nicht nur analysiert, sondern auch dechiffriert, um mit ihr in einen kreativen Dialog zu treten. Herles gelingt dieser Dialog vorzüglich, er verliert sich trotz akribischer Spurensicherung nicht in Details. Obwohl er das überaus beredte Zwiegespräch vor allem durch das extreme Heranzoomen und Vergrößern einzelner Bildausschnitte, mitunter nur Fragmente, initiiert, geht das übergeordnete Thema nie verloren, weil man die Gesamtwirkung der großformatigen Arbeiten nur aus der Distanz wahrnehmen kann. Das Wechselspiel mit Entfernung und Annäherung befördert zugleich die Energie, die in den Arbeiten steckt und im wahrsten Sinne des Wortes bewegende Illusionen weckt. Die Besucher haben nicht nur ihre helle Freude am munteren Defilee von Nasts tierisch bissigem Figurenkabinett und seiner weidlichen Ausgestaltung auf den vergilbt anmutenden Leinwänden von Herles, sie haben auch Spaß am damit einhergehenden Schulungsprogramm. Denn wirklich, wie in einer Schule auf Schautafeln und Staffeleien, hat Herles das Nast’sche „Alphabet“ – nämlich diverse Grundraster seiner Schraffur- und Grauabstufungstechnik – buchstabiert und einzelne „Vokabeln“ als wiederkehrende Motive sondiert, die das Gerüst alle Karikaturen bilden. Dass es sich dabei stets um sehr kindliche Motive handelt, die der ganz und gar nicht heilen Erwachsenenwelt den Spiegel vorhalten, offenbart einen fast liebevollen Einblick in das Seelenleben des Amerikaners mit den pfälzischen Wurzeln. Auch Diethard Herles macht aus seinem Herzen keine Mördergrube. In einigen Schautafeln lässt er die Pferde auf Rollen, die Katze auf Rädern, den Kaspar aus der Kiste oder den Esel mit überlangen Ohren auf plakativ kindhafte Weise lebendig werden und signiert das bunte Sammelsurium mit einem bekennenden: „Didi loves Nast“. Info Bis 4. September, Dienstag bis Donnerstag 10 bis 12 Uhr und 14 bis 17 Uhr, Freitag bis Sonntag 11 bis 13 Uhr. |ttg

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