Rheinpfalz Deutsche Justiz kann ermitteln

Auf der Umgehungsstraße Weilerbach kam am 6. Februar ein 17-jähriger Schüler aus dem Ort ums Leben. Die Amerikaner, die den Fall
Auf der Umgehungsstraße Weilerbach kam am 6. Februar ein 17-jähriger Schüler aus dem Ort ums Leben. Die Amerikaner, die den Fall untersuchen, haben ihre Ermittlungen noch immer nicht abgeschlossen.

«Kaiserslautern». Auf der Weilerbacher Umgehungsstraße war am 6. Februar ein 17 Jahre alter Schüler aus der Gemeinde bei einem Verkehrsunfall vor den Augen seines nachfolgenden Freundes tödlich verunglückt. Der Junge war in einem dreirädrigen Transporter der Marke Ape Piaggio unterwegs, als es zum Frontalzusammenstoß mit dem Sportwagen eines 21-jährigen Amerikaners kam. Dieser junge US-Soldat war nach einem Überholmanöver nicht mehr auf seine Fahrspur zurückgewechselt; sein Wagen krachte in den Gegenverkehr und tötete den jungen Weilerbacher (die RHEINPFALZ berichtete mehrfach). Obwohl dieser Unfall, der viele Menschen in der Region bewegt hat, nun schon mehr als drei Monate zurückliegt, gibt es nach wie vor keine Informationen zur Unfallursache. Hatte der 21-jährige mutmaßliche Unfallverursacher Alkohol oder andere Rauschmittel konsumiert? War er mit seinem Sportwagen zu schnell unterwegs ? Und: Welche Strafe hat der US-Militärangehörige zu erwarten? Die Amerikaner bitten „noch um etwas Geduld“ Auf all diese Fragen gibt es noch keine Antwort. „Die gründliche Untersuchung des Unfallherganges ist noch nicht vollständig abgeschlossen“, teilt die Pressestelle der Air Base Ramstein auf erneute RHEINPFALZ-Anfrage mit und bittet „noch um etwas Geduld“. „Solange der endgültige Bericht nicht vorliegt, dürfen wir keine Verlautbarungen an Dritte oder an die Öffentlichkeit weitergeben“, sagt Sprecher Kilian Blümlein. Unter Hinweis auf das Nato-Truppenstatut hatte die Staatsanwaltschaft Kaiserslautern den Fall an die US-Gerichtsbarkeit übergeben. Ein Vorgehen, das bei so manchem in der Region auf Unverständnis stößt, wie Kommentare in den sozialen Netzwerken zeigen. Die deutschen Behörden müssten mit ins Boot, fordert auch Linkspolitiker Alexander Ulrich. Er findet die Abgabe der Ermittlungen an die Amerikaner „völlig inakzeptabel“, denn diese erwecke den Eindruck, dass für die US-Militärs zulasten der einheimischen Bevölkerung „Sonderregeln“ bestünden und Zehntausende amerikanische Verkehrsteilnehmer in der Region von der deutschen Strafverfolgung ausgeschlossen seien. Der Bundestagsabgeordnete aus Reichenbach-Steegen hat deshalb recherchiert und diverse Anfragen – etwa an den rheinland-pfälzischen Innen- und Justizminister – gestellt sowie den Wissenschaftlichen Dienst des Bundestags um eine Einschätzung gebeten. Dieser schreibt, dass dem Aufnahmestaat – sprich Deutschland – zwar ein Strafverfolgungsvorrang zustehe, die Bundesrepublik gemäß Artikel 19, Absatz eins, des Zusatzabkommens zum Nato-Truppenstatut aber einen allgemeinen Verzicht erklären kann. Diesen Verzicht auf den Vorrang deutscher Gerichtsbarkeit habe die Bundesrepublik gegenüber Großbritannien, Kanada, den Niederlanden und den Vereinigten Staaten erklärt. Aber: Die zuständige Staatsanwaltschaft könne diesen Verzicht im Einzelfall binnen 21 Tagen widerrufen, „wenn die Belange der deutschen Rechtspflege die Ausübung der Gerichtsbarkeit erfordern“, heißt es in Absatz 3. Dies sei, so der Wissenschaftliche Dienst weiter, „namentlich bei Staatsschutz- und Tötungsdelikten sowie Vergewaltigung und Raub der Fall. Bei Verkehrsstraftaten ohne tödlichen Ausgang wird die deutsche Gerichtsbarkeit daher regelmäßig nicht ausgeübt.“ „Es ist also sehr wohl möglich, die Ermittlungen nicht an das Militär abzugeben“, fasst Linkspolitiker Ulrich zusammen. Dies bestätigt auch Udo Gehring, Leitender Oberstaatsanwalt in Kaiserslautern, auf Anfrage. Der Verzicht auf die deutsche Gerichtsbarkeit könne zurückgenommen werden, nachdem die deutschen Behörden von den US-amerikanischen über den betreffenden Einzelfall informiert wurden. Auf die Frage, ob sich die Staatsanwaltschaft auch zu einem späteren Zeitpunkt in das Verfahren noch einklinken kann, antwortet Gehring: „Wenn die Justiz eines Vertragsstaats des Nato-Truppenstatuts eine rechtskräftige Entscheidung in einem Einzelfall getroffen hat, kann der Angeklagte nicht nochmals vor Gericht gestellt werden, auch nicht durch die Justiz eines anderen Vertragsstaats.“ „Fälle geprüft, aber bislang nie verzichtet“ Hat die Lauterer Staatsanwaltschaft schon mal von der Möglichkeit, den Verzicht auf die deutsche Gerichtsbarkeit zurückzunehmen, Gebrauch gemacht? Nein, sagt Gehring, ihm sei kein Fall bekannt. „Allerdings gab es Fälle, in denen die Möglichkeit geprüft und in Erwägung gezogen wurde, in denen sich die Staatsanwaltschaft Kaiserslautern aber letztlich gegen eine Rücknahme des Verzichts entschieden hat.“ Im Fall Weilerbach habe die Lauterer Staatsanwaltschaft beschlossen, „dass eine der Bedeutung der Sache angemessene justizielle strafrechtliche Aufarbeitung der Geschehnisse erwartet werden darf“, führt Gehring in einem Schreiben an Alexander Ulrich weiter aus, wieso die Ermittlungen abgegeben wurden. „Diese Erwartung basiert auf einem Vergleich der rechtlichen Regeln der beiden Rechtssysteme zu einem solchen Straßenverkehrsunfall, den Erfahrungen mit der US-Militärjustiz in vergleichbaren Fällen und mittlerweile auch auf unseren Gesprächen mit dem zuständigen US-Militärstaatsanwalt über den vorliegenden Fall.“ Die Lauterer Staatsanwaltschaft begleite die Aufklärung und Strafverfolgung durch die US-Behörden, versichert Gehring. Das letzte Gespräch mit der US-Seite habe am 10. Mai stattgefunden. „Im Fall Weilerbach haben US-Behörden Kontakt zu den Angehörigen aufgenommen.“

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