Rheinpfalz Bis der entscheidende Moment kommt

Speyer. Einmalige Naturschauspiele können viele Wanderer und Kletterer erleben. Selten jedoch erfahren andere später von atemberaubenden Sonnenaufgängen, der Begegnung mit wilden Tieren oder Ausblicken über tiefe Täler. Deshalb hat Richard Kuhn aus Speyer seine „kleine Nikon“ auf seinen Alpen-Touren stets dabei. „Ich fotografiere schon seit über 30 Jahren“, erzählt der Bauingenieur, der seine Bilder später anderen etwa bei Jahresrückblicken zeigt.

Die Berge hat Kuhn, im Unterschied zur Fotografie, erst vor sieben Jahren so richtig für sich entdeckt. Seit dieser Zeit ist er aktives Mitglied im Deutschen Alpenverein, Sektion Speyer. Mindestens viermal im Jahr zieht es ihn in die Berge. Er kennt den mitteleuropäischen Gebirgszug längst gut, hat die deutsche Seite bewandert, war in den Dolomiten, hat den Karnischen Höhenweg in Osttirol erlaufen, die Verwall-Gruppe südlich des Arlbergs erklommen oder den Grande Sassière auf französischer Seite umrundet. Und damit sind natürlich nur einige Beispiele genannt. „Meine erste Bergerfahrung habe ich vor rund 40 Jahren gemacht, allerdings zunächst nur zum Skifahren“, erzählt Kuhn. Der heute 64-Jährige, der im westfranzösischen Laval aufgewachsen ist, hat bei einem spontanen Winterausflug in der französischen Schweiz das Herz seiner heutigen Gattin, einer Speyererin, erobert. Nach dem Abitur sei er zuvor als junger Soldat seinem besten Freund nach Speyer ins 32. Pionierregiment der französischen Armee gefolgt und habe dort schon bald die Liebe seines Lebens kennengelernt. Als diese dann mit ihrer Freundin in den Skiurlaub gefahren sei, sei er ihr hinterhergefahren, erinnert er sich. Weitere Skiurlaube mit seiner Frau und dem 1979 geborenen Sohn habe es später immer wieder gegeben. In Speyer hat Kuhn seine zweite Heimat gefunden. „Ich träume auf Deutsch“, bekennt der französische Staatsbürger. Bereut hat er den Umzug nie, sagt er. „Ich habe schon damals die Genauigkeit, das Verlässliche, Strukturierte und die Pünktlichkeit sehr geschätzt“, erzählt er, der mit dem französischen Laisser-faire-Gefühl groß geworden ist. Begleitet hat ihn die deutsche Akkuratesse sein ganzes Berufsleben hindurch. Nachdem er sich 1970 entschieden hatte, in Deutschland zu bleiben, besuchte Kuhn zuerst die Berufsschule in Ludwigshafen und lernte Bauzeichner. An der Fachhochschule Kaiserslautern machte er im Sommer 1977 seinen Abschluss als Bauingenieur. Lange Zeit sei er als Bauleiter für unterschiedliche Unternehmen in Mannheim, Heidelberg und Neustadt tätig gewesen und habe unter anderem die teilweise Erneuerung des Hockenheimrings mitgestaltet. „Den Hubschrauberplatz auf dem Gelände habe ich geplant“, berichtet er stolz. Ein idealer Arbeitsplatz sei das auch deshalb gewesen, weil er sich privat mit dem Automobilsport beschäftigt habe. „Auf dem Nürburgring war ich Helfer und habe auch gedolmetscht.“ 2006 sei das Jahr gewesen, in dem er zum Motorsport Abstand gewonnen habe. „Im Dezember hat meine Frau in der Zeitung gelesen, dass im Salle d’honneur auf dem Normand-Gelände die Weihnachtsfeier des Alpenvereins stattfinden sollte. Da sind wir dann hingegangen.“ Und sie sind Mitglied geworden. Ehrenamtlich ist Kuhn seither für das Veranstaltungsprogramm zuständig und organisiert Vortragsabende von Kletterern wie zuletzt mit Alix von Melle und Luis Stitzinger. Seit fast zwei Jahren ist Kuhn, dessen Vorfahren aus Luxemburg und Lothringen stammen, in Altersteilzeit. Er nutzt seine Zeit zum Planen neuer Touren und mit knackigen Wanderungen durch den Pfälzerwald, etwa rund um Hauenstein, als Vorbereitung zehntägiger Gipfelbesteigungen. Und zum Fotografieren: „Manchmal warte ich auch ein paar Stunden in regloser Stille, bis der entscheidende Moment kommt und ich das Motiv so vor die Linse bekomme, wie ich es mir vorgestellt habe.“

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