Rheinpfalz Bewaffnet zum Unterricht

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Mit Messer, Schlagring und Pfefferspray in der Tasche drücken einige Jugendliche in Rheinland-Pfalz die Schulbank. 139 Straftaten mit Waffen und Werkzeugen an Schulen hat die Polizei landesweit seit 2014 gezählt. Und 72 Angriffe auf Lehrer.

Mainz. Die einen nehmen ein Pausenbrot in die Schule mit – und die anderen Waffen. „Die Art der Gewalt an Schulen hat sich verändert. Die Körperverletzung wird exzessiver, brutaler“, sagt der rheinland-pfälzische Chef der Deutschen Polizeigewerkschaft, Benno Langenberger. 139 Straftaten mit Waffen oder Werkzeugen wie Scheren und Metallzirkeln an Schulen, 96 mit Waffen bedrohte oder verletzte Schüler und 72 Angriffe auf Lehrer hat die polizeiliche Kriminalstatistik von 2014 bis 2016 in Rheinland-Pfalz erfasst. Das teilt das Innenministerium in Mainz auf eine Anfrage der CDU-Landtagsfraktion mit. Langenberger geht aber von einer „beachtlichen Dunkelziffer“ aus: „Festgestellt wird nur das, was der Lehrer sieht und anzeigt.“ An Pfälzer Schulen wurden in diesem Zeitraum 65 Straftaten mit Waffen registriert, die Jugendliche bei sich hatten – die meisten Fälle gab es an Schulen in Ludwigshafen (13), Pirmasens (7), Kaiserslautern (6) sowie in Frankenthal und Germersheim (jeweils 4). Von den 96 bedrohten oder verletzten Schülern kommen 55 aus Pfälzer Schulen, allein an der Pirmasenser Realschule plus Kirchberg gab es demnach unter den Schülern 20 Opfer von gefährlicher Körperverletzung. Einer der Fälle an dieser Schule aus dem Jahr 2015: Ein Schüler hat dort gegen Ende der Schulpause in einem der Geschosse Pfefferspray versprüht. Die Folge war, dass etwa 13 Schüler zweier Klassen brennende Augen hatten und unter Hustenreiz und Atemnot litten. Bei sieben Schülern waren die Reizungen so stark, dass sie sich ins Krankenhaus begeben mussten. Thomas Giehl ist Schulleiter der Bertha-von-Suttner Realschule Plus in Betzdorf im Kreis Altenkirchen, der rheinland-pfälzischen Schule, an der die Polizei 2016 bisher die meisten Straftaten mit Beteiligung von Waffen registriert hat. Viermal bedrohten Schüler ihre Mitschüler, ein anderes Mal nahm die Polizei eine gefährliche Körperverletzung auf. Giehl hat in mehr als 20 Jahren Schuldienst beobachtet, dass sich Schüler häufiger bedrohten und auf dem Schulgelände mehr Straftaten begingen. Auch Mobbing und Beleidigungen hätten zugenommen. Der Schulleiter sieht eine Ursache in Smartphone und Co.: „Wenn man sich mittags per Whatsapp beleidigt, dann geht das morgens in der Schule weiter.“ Der Schulleiter setzt auf Prävention: „Man muss sagen, dass das strafrechtlich verfolgt werden kann. Das schreckt ab.“ Auch Langenbergers Kollegen bei der Polizei setzen auf Abschreckung. Sie informieren Schüler über die Konsequenzen für verletzte Opfer und Täter. „Viele wollen ja auch immer noch zur Polizei und dann muss denen auch klargemacht werden: Leute, wenn ihr eine Straftat begangen habt, dann geht das nicht mehr“, erklärt der Gewerkschafter. Giehl sagt, wer sich an der Bertha-von-Suttner-Schule etwas zu Schulden kommen lasse, müsse mit dem Schulsozialarbeiter sprechen. Zusätzlich könne der Schüler für einige Tage oder auf Dauer vom Unterricht ausgeschlossen werden. Laut Schulgesetz ist ein Ausschluss möglich, wenn von dem Schüler „eine ernstliche Gefahr“ für seine Mitschüler ausgeht. Stichwaffen wie Messer trügen immer mehr Schüler bei sich, sagt Langenberger. Auch Schlagringe und Pfeffersprays kämen zum Einsatz. Aber: „Schusswaffen kann man an einer Hand abzählen.“ „Wir sind da Gott sei Dank weit weg von irgendwelchen Situationen, wie wir sie aus Amerika kennen“, sagt der Landeschef der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW), Klaus-Peter Hammer: „Allerdings kann man feststellen, dass der Ton den Lehrern gegenüber zugenommen hat, er ist zum Teil respektloser geworden.“ Viele Kollegen berichteten ihm, dass die Schüler aggressiver geworden seien. Deshalb seien Schulungen, in denen Lehrer lernten, mit Aggressionen umzugehen, ein Klassiker im Fortbildungsprogramm. „Das ist aber nicht bezogen auf Selbstverteidigung.“ Zudem müssten Schulen gezielt Sozialarbeiter zurate zu ziehen, sagt Hammer. Die meisten Schulen versuchten, im Schulalltag Konflikten vorzubeugen. So könnten Schüler etwa in einem sogenannten Klassenrat über Probleme sprechen. Hammer findet diesen Ansatz sinnvoller, „als wenn man anfangen würde, Schulen in Hochsicherheitstrakte zu verwandeln.“ | lrs/swz

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