Rheinpfalz Begräbnisstimmung am ehemaligen Werk

Geschätzte 350 Menschen nutzten am Freitag die vermutlich letzte Chance einer Führung durch die Ausgrabungen am ehemaligen Werk 38 der Landauer Festung. Die Landesarchäologen haben ihre Dokumentationsarbeit beendet. Nach derzeitigem Stand ist der Weg für den Bau einer Tiefgarage und damit die Zerstörung der historischen Funde frei.

„Wenn ich komme, ist es meistens schon zu spät.“ Paul Scherrer, Archäologe beim Landesamt in Speyer, beantwortet die Frage eines Geschichtsinteressierten nüchtern. „Wir dokumentieren, was zerstört werden soll.“ Das Schicksal der steinernen Zeitzeugen, die aus der Erde lugen, scheint besiegelt. Kurz vor 14 Uhr am Freitag. Vor dem Bauzaun in der Wirthstraße/Ecke Hartmannstraße stehen die Menschen in Trauben. Drinnen zwei blaue Container, auf einem Tisch davor kleine Pappschachteln mit dem, was von einem Soldatenleben übrig blieb. Bleierne Musketenkugeln, Uniformknöpfe. Die Gebeine sind bereits abtransportiert worden. Archäologe Frank Krämer tritt an den Zaun. „Ich begrüße Sie am Werk 38. Auch dieses Mal haben wir nicht mit dieser Resonanz gerechnet. Aus Sicherheitsgründen müssen wir Sie in Gruppen aufteilen.“ Verständnisvolles Raunen, eine Unterschriftenliste zum Erhalt der Ausgrabungen, kursiert. Die erste Gruppe startet. Wer an festes Schuhwerk gedacht hat, hat Glück. Schmatzend gibt der Matsch die Schuhe wieder frei. Im Bogen geht es auf einem Wall um die Mauerreste herum. Und auf den nächsten noch höheren Wall hinauf. Nicht jeder traut den provisorischen Stufen. Eine ältere Dame bleibt lieber, wo sie ist, eine andere wird von der Enkelin an der Hand genommen, von der Tochter geschoben. Geschafft. Einen Gesamtplan der Festung in der Hand, erläutert Scherrer, was der Boden preis gibt. „Wir sind hier im Süden von Landau, die Innenstadt liegt hinter uns“, erklärt er den interessierten Zuhörern Auf dem Festungsplan gut zu erkennen sind die heutigen Ringstraßen und abseits ein Bauwerk. „Kennen Sie den Dagobertshof von Herrn Holch?“, fragt Scherrer. „Da liegt das Cornichon drunter.“ „Ist da noch viel zu sehen?“, fragt einer. „Ein paar Gänge, die überbaut sind“, sagt Scherrer und lenkt den Blick auf die Ausgrabungen. Die Spitze der Werkmauer besteht aus grauen Granitsteinen. „Sie stammen aus dem Albersweilerer Steinbruch. Der Stein ist so hart, dass wir mit dem Minibagger nichts ausrichten können, da muss man mit dem Meißel dran.“ Anerkennendes Raunen. Um die Steine für den Festungsbau nach Landau zu schaffen, wurde eigens ein Kanal parallel zur Queich angelegt, auf dem Ochsen die Kähne zogen. Während nebenan auf dem Gartenschaugelände sich modernstes Baugerät scheinbar mühelos durch den Boden gräbt, wird der Gruppe immer deutlicher bewusst, wie schwer die Bauherren von damals rackern mussten. Aufeinanderfolgende Wälle mit Mauern, dazwischen Gräben. „Die Festung war so ausgelegt, dass sie im Fall der Belagerung 85 Tage standhalten konnte“, erzählt Scherrer. „Solange hat es wohl gedauert, bis eine Ersatzarmee den Bedrängten zu Hilfe eilen konnte.“ Rund 10.000 Mann Besatzung hatte die Festung, zu Belagerungszeiten jedoch nur 6000 bis 7000. Die Angreifer benötigten gar das Fünffache, um eine Chance zu haben. Im 19. Jahrhundert sei die Festung geschleift worden, aber nur bis zu einer gewissen Tiefe. Das erklärt, warum soviel von den Mauern zu sehen ist, Strukturen gut zu erkennen sind. Noch. Mit der geplanten Tiefgarage wären auch diese Reste Geschichte. 1692 wurde e die Festung nach fünf bis sechs Jahren reiner Bauzeit fertiggestellt. Im spanischen Erbfolgekrieg ab 1707 habe die Südseite Schwächen offenbart. „Sie ließ sich nicht fluten. An anderer Stelle sorgte das Stauen der Queich dafür, dass der Boden versumpfte und Kanonen und Soldaten nicht vorankamen“, erläutert der Archäologe. Um das Bollwerk sicherer zu machen, wurde die Südseite nachträglich durch zusätzliche Werke ausgebaut, darunter Werk 38. Die Gruppe ist weitergezogen, wirf einen Blick in einen der freigelegten Gänge. „Was passiert eigentlich mit den Gebeinen?“, möchte jemand wissen. „Wir haben sie gewaschen, eine Anthropologin wird sie sich noch genauer anschauen“, sagt Scherrer. Ob es Franzosen, Deutsche, Kaiserliche waren, wird man wohl nie erfahren. „Uniformen wurden ihnen ausgezogen.“ Und nähergehende Analysen wären zu teuer. Der Blick schweift über Schießscharten, eine Türöffnung, deren Angeln noch gut erhalten sind. „Was passiert mit alle dem?“, will ein Mann wissen. „Die Gänge werden wohl abgetragen, die Gewölbe gekappt, rund ein Meter Mauer kommt weg“, schätzt Scherrer. „Tiefer als die Baugrube darf auch der Investor nicht graben.“ Scherrer erntet resigniertes Schnauben. Christian Schleuning vom Festungsbauverein und seine Mitstreiter wollen die Hoffnung jedoch noch nicht aufgeben. „Ich bin überzeugt, dass eine einzige Unterschrift Zeit verschaffen könnte, um eine Lösung zu finden. Wenn man nur wollte.“ (git)

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