Bruchsal/Karlsruhe Badische Landesbühne einnert mit Stück an NS-Opfer Ludwig Marum

Dokumentarisch angelegt ist Hajo Kurzenbergers Stück „Ein Mann des Rechts“.
Dokumentarisch angelegt ist Hajo Kurzenbergers Stück »Ein Mann des Rechts«.

„Ein Mann des Rechts“ heißt das neue Stück an der Badischen Landesbühne in Bruchsal. Es erinnert an den SPD-Politiker und Rechtsanwalt Ludwig Marum (1882-1934), der am 28. März vor 90 Jahren im damaligen KZ Kislau (Bad Schönborn) von Nationalsozialisten ermordet wurde.

Das Dokumentarstück ist historisch und aktuell zugleich. „Marum habe ich stets für eine exemplarische Figur gehalten. An ihm kann man viel über Faschismus erzählen“, sagt Autor Hajo Kurzenberger. Das Stück stehe in der Tradition der Badischen Landesbühne, „sich mit der Geschichte der Region zu befassen“, betonte der Theaterwissenschaftler. Er ist gebürtiger Bruchsaler, Jahrgang 1944, arbeitete als Dramaturg und Regisseur und war von 1981 bis 2009 Professor für Theorie und Praxis des Theaters an der Universität Hildesheim. Für das Stück habe er viele Gespräche mit der Enkelin Ludwig Marums, Andrée Fischer-Marum (1941-2023), geführt. Sie hatte die Briefe gesammelt, die sich Ludwig und seine Frau, Johanna Marum, während der Haft schrieben.

Die Handlung von „Ein Mann des Rechts“ liest sich schlicht: Vier junge Menschen, zwei Frauen und zwei Männer, machen sich auf die Suche nach der Person, die Ludwig Marum war. In wechselnden Rollen gehen die Protagonisten der Frage nach: „Warum Marum?“ Anhand von Briefen, Zeitzeugenberichten und Dokumenten nähern sie sich seinem Schicksal. Der Zuschauer wird hineingezogen in das Privatleben von Johanna und Ludwig, er spürt die existenzielle Bedrohung der Familie. Hartes Schreibmaschinengeklapper symbolisiert die Gewaltherrschaft der NSDAP und erzeugt eine beklemmende Atmosphäre.

Ludwig Marum wurde vor 90 Jahren ermordert, ein Gedenkstein am Ludwig-Marum-Gymnasium Pfinztal erinnert an ihn.
Ludwig Marum wurde vor 90 Jahren ermordert, ein Gedenkstein am Ludwig-Marum-Gymnasium Pfinztal erinnert an ihn.

Marum, 1882 in Frankenthal geboren und 1934 im KZ Kislau nördlich von Bruchsal von SS-Leuten ermordet, war Abgeordneter im Badischen Landtag, dort auch Fraktionsvorsitzender seiner Partei und zeitweilig auch badischer Justizminister. Der Jurist jüdischer Herkunft plädierte für die Abschaffung der Todesstrafe, setzte sich für die Rechte nichtehelicher Kinder ein und bezog eindeutig Stellung gegen den aufkommenden Nationalsozialismus. Fast 25 Jahre war Marum als Rechtsanwalt in Karlsruhe tätig.

Als SPD-Politiker und Jude war er den Nationalsozialisten schon bald ein Feindbild. Marum zählte zu den frühen politischen Opfern: Bereits am 10. März 1933 wurde er unter dem Bruch der Immunität als Reichstagsabgeordneter festgenommen und in „NS-Schutzhaft“ ins Bezirksgefängnis nach Karlsruhe gebracht. Die Haltung Marums wird deutlich zu einem Zeitpunkt, als Flucht noch möglich schien: Er lehnt die Flucht aus „unerschütterlichem Glauben an Recht und Rechtsstaat“ ab. „Meine Freiheit können sie mir nehmen, aber nicht meine Würde und meinen Stolz“, zitieren die Darsteller Marums Worte.

Schaufahrt auf offenem Lastwagen

Höhepunkt der Schmähungen ist am 16. Mai die Schaufahrt auf einem offenen Lastkraftwagen durch Karlsruhe. Er wurde zusammen mit anderen führenden badischen Sozialdemokraten – unter ihnen der badische Staatspräsident Adam Remmele – ins KZ Kislau gebracht. Dramatisch dargestellt auf der Bühne ist die Szene vor dem johlenden NS-Pöbel aus Sicht der Tochter, Elisabeth Marum.

Das Konzentrationslager wurde 1933/34 in der ehemaligen Schlossanlage Kislau in Bad Schönborn eingerichtet und später als andere frühe Lager, nämlich erst 1939, aufgelöst. Kislau war das einzige KZ in Baden. Zu den Inhaftierten gehörten wegen regimekritischer Predigten auch Geistliche wie der Plankstadter Priester Franz Sattelmann und der Ettlinger Stadtpfarrer Augustin Kast. Mundtot gemacht vom NS-Regime kehrten weder Sattelmann noch Kast nach der Entlassung aus dem KZ in ihre Heimatgemeinde zurück.

Schreibmaschinen-Gklapper schafft im Stück eine beklemmende Atmosphäre.
Schreibmaschinen-Gklapper schafft im Stück eine beklemmende Atmosphäre.

In der Nacht vom 28. auf den 29. März 1934 wurde Marum in seiner Zelle von mehreren SA-Männern erdrosselt und am Fensterkreuz aufgehängt, um einen Selbstmord vorzutäuschen. Zu dem öffentlichen Begräbnis Marums auf dem Karlsruher Hauptfriedhof fanden sich tausende Trauergäste ein.

Es ist nach einem Stück über eine Reichsbürger das zweite zeitpolitische Thema, das der neue Intendant der Badische Landesbühne, Wolf E. Rahlfs, aufgreift. Erinnerungsarbeit und aktuelle gesellschaftliche Themen seien ihm ein Anliegen, sagt er. „Wir haben als Theater auch einen politischen Auftrag, der mehr kann als Schule.“ epd

Termin

„Der Mann des Rechts“, Dokumentartheater von Hajo Kurzenberger, Uraufführung an der Landesbühne Bruchsal mit Ensemblemitgliedern aus Schauspiel und Jungem Theater, die nächste Vorstellung ist am 6. April um 19.30 Uhr mit einer Einführung und einem Gespräch im Anschluss. Karten gibt es unter Telefon 07251 72723.

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