Rheinpfalz Bürokratie macht „Leute stinkig“

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MAINZ. In den rheinland-pfälzischen Realschulen plus arbeiten mehr als 3000 frühere Hauptschullehrkräfte, die schlechter bezahlt werden als ihre Kollegen aus den früheren Realschulen. Seit August ist für sie der finanzielle Aufstieg einfacher. Laut Bildungsministerium haben sich landesweit bisher 550 Lehrkräfte für die nötige Aufstiegsprüfung angemeldet. Interessenten würden mit unnötigen bürokratischen Hürden abgeschreckt, klagt der Verband Bildung und Erziehung (VBE). Die Vorgeschichte: Mit der Schulstrukturreform sind ab 2009 die Hauptschulen und Realschulen in Rheinland-Pfalz abgeschafft worden und nach und nach in der Realschule plus aufgegangen. Seither machen dort ehemalige Hauptschullehrer und ehemalige Realschullehrer Seite an Seite die gleiche Arbeit. Die Hauptschullehrkräfte werden nach A12 bezahlt, die Realschullehrkräfte nach A13. Der Einkommensunterschied beträgt im Schnitt 400 Euro pro Monat. Das Bildungsministerium war stets davon ausgegangen, dass die unterschiedliche Einstufung und Bezahlung der beiden Lehrergruppen rechtlich zulässig ist. Das Studium der Realschullehrkräfte sei etwas anspruchsvoller gewesen als das ihrer Hauptschulkollegen, lautete die Begründung. Bereitschaft, an der Zweiklassengesellschaft grundsätzlich etwas zu ändern, war nicht zu erkennen. Das wundert zunächst nicht: Betroffen seien 3400 Lehrkräfte in den Realschulen plus und noch einmal über 600 Hauptschullehrer in den Integrierten Gesamtschulen, wie der VBE vorrechnet. Das Ministerium geht von insgesamt 3400 Betroffenen aus, wobei einige davon schon in Altersteilzeit seien. Nach Leseart des VBE müsste damit jede zehnte Lehrkraft im Land von A12 nach A13 höhergestuft werden. Das wären rund 20 Millionen Euro zusätzliche Personalkosten pro Jahr. Nach den Zahlen des Ministeriums würden immerhin noch 15 Millionen Euro zusätzlich pro Jahr gebraucht. Die Hauptschullehrkräfte hatten zwar schon in der Vergangenheit die Chance, ins Realschullehramt aufzusteigen. Sie mussten sich jedoch neben ihrer Arbeit auf eine anspruchsvolle Zusatzprüfung vorbereiten und vor allem eine dicke wissenschaftliche Hausarbeit abliefern. Gerade einmal 19 Hauptschullehrkräfte hatten sich von 2009 bis 2014 dieser Tortur unterzogen. Gegen diese Prüfungspraxis und gegen die dahinterstehende Rechtsauffassung ist der VBE schließlich vor Gericht gezogen. Er hat die Klage einer betroffenen Lehrerin durch alle Instanzen unterstützt. Im Dezember vergangenen Jahres hat das Bundesverwaltungsgericht dem Land zwar bestätigt, dass es keinen Anspruch auf automatische Beförderung von A12 nach A13 gibt, und deshalb die klagende Lehrerin abblitzen lassen. Die Bundesrichter stellten aber auch fest: Es ist nicht vereinbar mit dem Grundgesetz, wenn Beamte nach einer Schulreform dauernd gefordert werden wie A13 und nur in A12 eingestuft sind. Die bisherige Aufstiegsprüfung sei zu schwer und müsse durch ein Verfahren ersetzt werden, dass jedem einzelnen Ex-Hauptschullehrer eine realistische Chance auf den Aufstieg eröffne. Seit Beginn dieses Schuljahres ist deshalb die Wechselprüfung vereinfacht. Jetzt müssen die interessierten Lehrkräfte nur noch zwei Stunden Unterricht halten, um Prüfern ihre Eignung zu beweisen. Außerdem sind eine Stunde mündliche Prüfung vorgesehen und eine Beurteilung durch den Schulleiter. Der Streit um die Lehrerbezahlung geht dennoch weiter. VBE-Landesvorsitzender Gerhard Bold fordert, am besten ganz auf die Prüfung als Aufstiegsvoraussetzung zu verzichten. Vor allem jedoch wirft er dem Ministerium vor, die Prüfungsanmeldung und das Verfahren unnötig zu komplizieren, um die betroffenen Lehrer zu verunsichern und abzuschrecken. Auf diese Weise wolle das Land Geld sparen. Bold geht davon aus, dass sich ursprünglich 1700 Lehrkräfte für die neue Prüfung interessierten. Viele seien abgeschreckt, weil das Ministerium weiterhin den Eindruck erwecke, die Chancen auf Beförderung seien auch nach bestandener Prüfung nur gering. Inzwischen gebe es die ersten Zulassungsbescheide zur Prüfung, aber noch keinerlei Aussicht auf Termine. Der Lehrergewerkschafter wörtlich: „Die Leute sind stinkig.“ Der Sprecher des Ministeriums weist die Vorwürfe zurück: Es gebe keine Verzögerungsstrategien. Derzeit gehe das Landesprüfungsamt davon aus, dass Anfang 2016 mit den ersten Wechselprüfungen begonnen werden könne. Eine Anzahl von 550 Prüfungen könne dabei „relativ zügig“ abgearbeitet werden. Konkreter wollte der Sprecher nicht werden. Inzwischen kommen aus der Regierungskoalition Signale, dass erfolgreiche Aufstiegsprüflinge durchaus gute Chancen auf baldige Beförderung in A13 haben werden. Das Ministerium ließ verlauten: „In der Personalplanung wird dafür Sorge getragen, dass diejenigen Lehrkräfte, die die Prüfung erfolgreich absolvieren, auch eine realistische Chance auf eine Beförderungsstelle haben.“ Die SPD-Bildungspolitikerin Bettina Brück erklärte, es sei noch nicht entschieden, ob und wie viele zusätzliche A13-Stellen bereits im Haushalt 2016 eingeplant werden. Für die SPD-Fraktion stehe jedoch fest, dass in den kommenden Jahren eine Lösung der strittigen Frage gefunden werden müsse.

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