Sport Sieger als Buhmänner der Fans
KAISERSLAUTERN. Pfiffe für die Gewinner – die Stimmung während des schwachen Heimspiels, das der Fußball-Zweitligist 1. FC Kaiserslautern am Montag gegen den SC Paderborn mit 1:0 für sich entschied, hat erneut gezeigt: Die Fankultur auf dem Betzenberg hat sich in den vergangenen Jahren stark verändert.
Der Gang in die Kurve fiel diesmal flach. Zu Klatsch-Ritualen mit den Anhängern war den mit acht Punkten nach vier Spielen ungeschlagenen und viertplatzierten Roten Teufeln am Montagabend nicht zumute. Auch nicht zu den üblichen Dankesbekundungen an die Fans. Zu tief haben vor allem die Pfiffe der Zuschauer zur Halbzeit trotz der 1:0-Führung die Lauterer Spieler getroffen. „Ich kann grundsätzlich verstehen, wenn Fans unzufrieden sind und pfeifen. Aber solange wir Tore schießen und führen?“ Marius Müller, am Montag erneut ein sicherer Rückhalt, wusste wie seine Kollegen nicht, ob er sich über den ersten Heimsieg freuen sollte – oder ob er sich über die Pfiffe nach einer spielerisch erbärmlichen Darbietung seines Teams ärgern sollte. „Wir haben sicher nicht den attraktivsten Fußball gespielt, und wir haben viel zu viele einfache Fehler gemacht“, sagte der Torwart, „aber unterm Strich steht: Wir haben gewonnen, kein Gegentor kassiert und sind ungeschlagen.“ Dass es am Betzenberg schon seit einigen Jahren zum schlechten Ton gehört, die Mannschaft übertrieben negativ zu sehen, wegen der man eigentlich ein Spiel oder ein Training besucht, wurde am Montagabend wieder einmal deutlich. Befördert durch die fußballerisch erschreckend schwache erste Hälfte. „Bei einer 1:0-Führung zur Halbzeit kann ich Pfiffe der eigenen Fans nullkommanull verstehen“, meinte FCK-Kapitän Chris Löwe, der einen Foulelfmeter zum Tor des Abends verwandelte (15.), nach der Partie aufgebracht. „Dass uns das nicht hilft, ist klar. Gerade unsere jungen Spieler bräuchten mehr Unterstützung.“ Ein finsterer Zweitliga-Abend nach dem Motto „Willkommen in der Mittelmäßigkeit“ ließ den bei vielen Anhängern mehr oder minder permanent vorhandenen Frust über drei recht knapp verpasste Aufstiege in Serie wieder hervortreten. Die Reaktionen von Spielern und Zuschauern werfen die Frage auf: Wo ist jene Fankultur geblieben, die den „Betze“ einst zur gefürchteten Bastion hat werden lassen? Sind Frustabbau zu Lasten des „eigenen“ Teams, Trainers und Vorstandsvorsitzenden live und im Internet, sind Selfies und Chats mit dem Smartphone wichtiger geworden als die Freude über einen – wenn auch „dreckigen“ – Sieg der Lieblingsmannschaft? „Sehr schade“, sagte FCK-Trainer Kosta Runjaic eine gute Stunde nach dem Abpfiff sichtlich bewegt, „wir haben gewonnen, und keiner freut sich.“ Runjaic ist in einer noch sehr jungen Saison dabei, Team und Taktik zu entwickeln. Da war die gute Partie am vorigen Sonntag bei Union Berlin – das von seinen Fans trotz dürftiger Darbietung und schwachen Starts toll unterstützt wurde – spielerisch ein Schritt nach vorne. Das Spiel gegen Paderborn aber war fußballerisch ein klarer Schritt zurück. Wenn auch Kacper Przybylko am Ende das 2:0 und 3:0 hätte machen müssen. Runjaic warb um Geduld mit einem zwangsläufig wieder neu formierten, jungen Team. „In Berlin haben wir ein starkes Spiel abgeliefert, aber nur einen Punkt geholt. Jetzt haben wir schlecht gespielt, aber drei wichtige Punkte geholt – ist das, was zählt“, sagte Löwe wütend. Eigengewächs Jean Zimmer, der als Jugendlicher selbst lange in der Fankurve stand, pflichtete ihm ebenso verärgert bei. Immerhin der „harte Kern“ der Westkurven-Fans sorgte für Anfeuerung. So tröstete sich auch Kapitän Löwe schließlich mit den Worten: „Auswärts sind unsere Fans super. Und die, die am Freitag mit nach Heidenheim fahren, haben heute auch nicht gepfiffen.“