Sport Der unvollendete Weltmeister

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Er ist Weltmeister. Aber nur ein halber. Er war eine Randfigur beim WM-Triumph 2014 in Brasilien: Lukas Podolski, der Trainings-Weltmeister, der Team-Bespaßer. Morgen (20.45 Uhr) verabschiedet sich „Poldi“ in Dortmund gegen England mit seinem 130. Länderspiel aus der deutschen Fußball-Nationalmannschaft. Noch einmal steht der inzwischen 31-Jährige in der Startelf, für die der Sonnenschein des deutschen Fußballs schon lange kein Thema mehr war. Mittendrin und doch oft außen vor. Podolski debütierte am 6. Juni 2004 in der Nationalelf. Der Teamchef hieß Rudi Völler und „Poldi“, gerade 19 geworden, kam beim 0:2 gegen Ungarn in Kaiserslautern für Fredi Bobic. Ungarns Trainer hieß Lothar Matthäus. 129 Länderspiele, 48 Tore, acht Turniere – so liest sich die Bilanz des Nationalspielers Lukas Podolski, der 2004 das EM-Aus und das Ende der Ära Völler erlebte, der unter Jürgen Klinsmann Stammkraft war und unter Joachim Löw fester Bestandteil des Kaders blieb, auch wenn er in seinen Klubs mal nicht spielte. 1. FC Köln, Bayern München, wieder Köln, FC Arsenal, Inter Mailand, Galatasaray Istanbul – Podolskis Stationen. Im Sommer geht’s nach Japan. Die Bayern kamen zu früh für den damals 21-Jährigen. 2009 floh er vor „Quälix“ Magath, kehrte zum falschen Zeitpunkt nach Köln zurück. Hier war er „Prinz“, hier war er Star, wurde schier erdrückt von der Last der Erwartungen. Der FC Arsenal – die nächste Herausforderung. Eine große Adresse. Podolski aber war nur Mitläufer. Ausgemustert, abgeschoben zu Inter Mailand. Auch hier Statist und Reservist – und doch fester Bestandteil der deutschen Nationalmannschaft. „Poldi“ – der Liebling der Fans, immer für einen Spruch, aber fast immer auch für ein Tor gut. Podolskis Stern sank, als sich die Trainer vom 4-4-2 verabschiedeten. In der Nationalelf harmonierte er großartig mit Miro Klose, wurde nach dem Systemwandel im 4-2-3-1 aber zum Linksaußen und nicht selten auch zum Linksdraußen. „Poldi“ aber war Profi, er nahm seine Rollen an, ob Joker oder Bankdrücker, er kam, wenn Löw ihn rief. Und er kam gern. Der Kreis schließt sich: „Poldi“, in Gliwice, früher Gleiwitz, geboren, geht durch den Haupteingang. Ein Star zum Anfassen. Einer, der sich mit seiner Stiftung für Jugendliche auf der Schattenseite der Gesellschaft engagiert. Ein wunderbarer Spieler, der oft zum falschen Zeitpunkt am richtigen Platz war. Hätte er bei Bayern Jupp Heynckes nicht nur als Interimstrainer genossen, sondern als Ziehvater erlebt, Podolski wäre wohl zum Weltstar geworden. Aber „Poldi“, der unvollendete Weltmeister, scheint auch so zufrieden mit dem Erreichten.

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