Saach blooß – die Dialektserie Wer nervt mehr: die „Babbelgosch“ oder die „Schlawwerschnuut“?

Die „Rätsch“ vorm Haus (rechts) erspart die Axt im Wald.
Die »Rätsch« vorm Haus (rechts) erspart die Axt im Wald.

„Erst sprechen, dann denken“, lautet das Motto der Viel- und Dummschwätzer. Davon scheint es in der Pfalz durchaus ein paar zu geben.

„Woher soll ich wissen, was ich denke, bevor ich höre, was ich sage?“ – so lautet der Titel eines Buchs der Hirnforscherin Franca Parianen. Die Neurowissenschaftlerin hat nachgedacht über die Grundsätze des Zusammenlebens und dabei festgestellt: Unser Gehirn hat für das Verhalten unserer Mitmenschen fast immer sofort eine Erklärung parat. Und diese Erklärung ist oft auch mal falsch. Diese Erkenntnis lässt sich ganz gut übertragen – wenn auch nicht streng neurowissenschaftlich – auf die Pfalz und die Pfälzerinnen und Pfälzer: Denn die Menschen zwischen Rhein und Saar sind nicht nur flink und fleißig im Wort – sie sind auch schnell dabei mit Urteilen über all die anderen, die flink und fleißig im Wort sind, die also gerne viel und ungebremst reden.

„Man ist froh, wenn sie fort ist“

Für diese Folge der Serie über pfälzische Begriffe und Redensarten haben wir die „Babbelgosch“ und die „Schlawwerschnuut“ zur Debatte gestellt. Klar ist vorweg: „Babble“ und „schlawwre“ sind Synonyme für „reden“, ausführlich nachzulesen in Kapitel 54 des Buchs zur Serie. „Gosch“ und „Schnuut“ wiederum stehen beide für „Mund“ (wie in den Kapiteln 191, 192 und 256 geschildert). Härteste Variante hier: Das Maul. Außer Acht gelassen wird heute außerdem das „Schlawwre“ im Sinne von „verschütten“ oder „verschnuddle“ wie in: „Du hoscht dein Kaffee verschlawwert.“ Denn es geht diesmal um die Feinheiten der beiden zusammengesetzten Wörter.

„Hoscht schunn g’heert?“ Viele „Babbelgosche“ und „Schlawwerschnuute“ lästern gern.
»Hoscht schunn g’heert?« Viele »Babbelgosche« und »Schlawwerschnuute« lästern gern.

Apropos „fein“. „Beide reden einem des Ohr ab un widder dro“, schreiben „die Karin un die Elke vun de Haßlocher Sparkass“. Und: „Man ist froh, wenn sie fort sind“, urteilt Gertraud Hanewald aus Flomersheim über die „Schlawwerschnuut“ und die „Babbelgosch“, beides „urpfälzische Wörter“ nach Meinung der Leserin. Sie bringt also gleich mal die dunkelsten Neigungen vieler Vielrednerinnen und Vielredner ins Spiel: das Verbreiten von Gerüchten oder gar die üble Nachrede, die übrigens von der „Rätsch“ perfektioniert wurde: „Des isch e schlimmi Rätsch“ – „Hoscht schunn g’heert? Die So-un-so hot tatsächlich ...?“

„Das Ganze trifft Männlein und Weiblein“

Aber: Trifft diese Kritik beide – die „Babbelgosch“ und die „Schlawwerschnuut“ – zu Recht?

„Die Babbelgosch gilt für Viel- und/oder Dummschwätzer“, schreibt Manfred Zaun aus Dirmstein, „awwer mit Schlawwerschnuut määnt mer en großspuriche Aagewwer“ – am besten noch einen mit feuchter Aussprache. Auch Reinhard Hartmann aus Kaiserslautern hält die „Babbelgosch“ für „sympathischer, wenn überhaupt: denn sie quasselt nur unaufhörlich“. Er erinnert hier an das altertümliche Synonym „Babbelduschur“, in dem das französische „toujours“ (für: immer) steckt. „Das Ganze trifft natürlich Männlein wie Weiblein“, stellt der Leser im Übrigen klar. Und den Pfälzer Spruch „Der/die hot Babbelwasser getrunke“, wollen wir natürlich an dieser Stelle nicht vergessen.

Immer weiter! Wie findet man bloß ein Ende, wenn man gerade so schön in Fahrt ist?
Immer weiter! Wie findet man bloß ein Ende, wenn man gerade so schön in Fahrt ist?

„Ausplappern und weitererzählen“

Ingrid Hoffmann aus Offenbach an der Queich meint: „Die Babbelgosch ist jemand, der sehr viel redet, die Schlawwerschnuut ist jemand, der etwas ausplappert oder weitererzählt.“ Bertram Steinbacher aus Lingenfeld sieht das wieder anders: „E Babbelgosch kann e Schlawwerschnuut runnermache, umgekehrt eher net. Beide kennen ehr Klapp net halte, awwer die Babbelgosch babbelt oft abwertend: Die hot e Gosch wie e Schwert!“ Hermann Grundhöfer aus Harthausen sieht das genauso und bietet sogar eine alternative Herleitung, wie das Wort „babble“ entstanden sein könne. Im Duden wird auf das mittelhochdeutsche „papern“ und das mittellateinische „babare“ für „die Lippen unverständlich bewegen“ verwiesen. Der Leser könnte sich allerdings auch vorstellen, dass die „Babbelgosch“ verbal mit „Babbel“ oder „Bäbbel“ um sich wirft, also mit Dreck oder Schmutz.

Doris Rittmann aus Birkenheide hat außerdem eine Herleitung parat, wie die Zusammensetzung auch funktioniert: „Dei dumm Gebabbel geht mer uff die Nerve. Halt dei Gosch!“ Und Rainer Heist aus Landstuhl liefert als Krönung noch ein Cross-Over-Beispiel: „Du aldi Schlawwergosch“, habe er früher von seiner Mutter zu hören bekommen, „wenn wir Kinder außerhalb unserer Wohnung Dinge von zu Hause erzählt haben, die wir eigentlich nicht sagen sollten.“ Der Leser verbrachte seine Kindheit im südpfälzischen Edenkoben.

Der Satz „Heer uff zu schlawwre“ kann in der Pfalz auf zwei Arten gedeutet werden.
Der Satz »Heer uff zu schlawwre« kann in der Pfalz auf zwei Arten gedeutet werden.

Achtung, Schlappmaul!

Damit lässt sich zusammenfassen: Pfälzerinnen und Pfälzer unterscheiden häufig sehr wohl zwischen „Babbelgosch“ und „Schlawwerschnuut“ (oder halt zwischen „Schlawwergosch“ und „Babbelschnuut“, wie „Saach blooß“ vermutet). Doch diese Unterscheidungen werden individuell getroffen. Es gibt also viele verschiedene Einschätzungen, welche Zusammensetzung die Nerven der Zuhörer am stärksten strapaziert. Die Varianten „Schlappmaul“ und „Schlappschnuut“ allerdings, auf die Peter Keller aus Landau verweist, sind ziemlich eindeutig einem bestimmten Personenkreis zuzuordnen: Menschen, die sich gerne ausführlich über andere auslassen. Wie das in der sogenannten „Schläwwerhitt“ aussieht, einer privaten Schutzhütte bei den Königswiesen in der Nähe von Haßloch, können wir nicht sagen. Wir freuen uns aber, dass Heidrun Völkel uns von diesem besonderen Ort des Gedankenaustauschs berichtet hat.

Das nächste Mal: Kores und G’socks

Da wir, bevor wir wissen, was wir schreiben, lesen müssen, was die Leserinnen und Leser sagen, wollen wir gleich den Gedankenaustausch für die nächste Folge starten. Diese soll zwei unschönen, aber prägnanten Wörtern gewidmet sein, denen sich „Saach blooß“ nicht verschließen kann: dem „Kores“ und dem „G’socks“. Was wird damit zum Ausdruck gebracht? Wer ist damit gemeint? Wo kommen die Wörter her? Schreiben Sie uns!

Die vorherige Folge unserer Serie finden Sie hier: Der hot e guti Kuttel.

Die Adresse

Unter dem Motto „Saach blooß“ ergründen wir seit dem Jahr 2002 den Ursprung von Sprüchen und Wörtern aus der Pfalz und die Geschichten dahinter. Wir tun das mithilfe unserer Leserinnen und Leser, ihres Sprachschatzes, ihrer Erfahrungen und Erinnerungen. Schreiben Sie unter dem Kennwort „Saach blooß“ an: RHEINPFALZ am SONNTAG, Amtsstraße 5-11, 67059 Ludwigshafen, E-Mail: saachblooss@rheinpfalz.de

Das Buch zur Serie mit über 250 Folgen aus 20 Jahren gibt es im Buchhandel.
Das Buch zur Serie mit über 250 Folgen aus 20 Jahren gibt es im Buchhandel.
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