Rheinland-Pfalz Windkraft-Ärger im Welterbe

Im beschaulichen Mittelrheintal gehen Hoteliers, Winzer, Touristiker und Kommunalpolitiker auf die Barrikaden. Sie wollen verhindern, was der Verbandsgemeinderat Loreley beschlossen hat, nämlich den Weg zu ebnen für mehr als 50 Windkraftanlagen auf den rechtsrheinischen Höhenzügen am Rand des Unesco Welterbes. Gestern ging das „Bündnis Kulturlandschaft Romantischer Rhein“ in St. Goar an die Öffentlichkeit.

St. Goar. Doris Gawel ist eine zupackende Frau. In vierter Generation leitet die 59-Jährige das Bellevue Rheinhotel in Boppard, mit ihrem Sohn ist schon die fünfte Generation in der Verantwortung. Als Gawel vor drei Wochen von den Plänen auf der rechten Rheinseite erfuhr, nutzte sie ihre Kontakte, um Menschen, die vom Tourismus leben oder denen das Unesco Welterbe wichtig ist, zu informieren. 582 Hektar oder 3,47 Prozent der Fläche der Verbandsgemeinde sollen nach dem Entwurf eines Flächennutzungsplans für Windkraft ausgewiesen werden. Zum Vergleich, der Landesentwicklungsplan sieht zwei Prozent vor. Die Gegner fürchten um den Status als Welterbe und darum, dass die Touristen wegbleiben. Rechtsrheinisch ist Marco Jost einer der Initiatoren des Protests. Jost hat einen Heizungsbaubetrieb in der Gemeinde Dahlheim und er sitzt für die SPD im Verbandsgemeinderat Loreley. Verhindern konnte er dort das Votum des 32-köpfigen Rates nicht. Drei Gegenstimmen wogen nicht schwer genug. Dass Jost bei der Abstimmung einen Formfehler entdeckte, bestätigte der Sprecher der Kreisverwaltung des Rhein-Lahn-Kreises, Uwe Gilberg-Rindsfüßer. Das wird die Planung einige Wochen verzögern, mehr nicht. Die Ortsbürgermeister und die Mitglieder im Verbandsgemeinderat wollen die hohen Pachteinnahmen aus der Windkraft. Das soll die leeren Kassen in der strukturschwachen Region füllen. Für den Unesco-Titel können sich die Gemeinden nichts kaufen. Auf der Homepage der Verbandsgemeinde sind die Windkraftpläne noch bis zum 7. August offengelegt. Auf mehr als drei Seiten ist nachzulesen, dass die Kreisverwaltung des Rhein-Lahn-Kreises in Bad Ems ein Konfliktpotenzial zum Welterbegebiet sieht. Sie verweist auf die Sichtachsenstudie: „Windkraft und Unesco Welterbe Oberes Mittelrheintal“ und auf den Landesentwicklungsplan IV (LEP IV), wonach in Kernzonen des Welterbes die Windkraft nicht erlaubt ist und in den Rahmenbereichen nur mit einem Verträglichkeitsnachweis in Abstimmung mit der Unesco. Ebenso äußern sich die Generaldirektion Kulturelles Erbe, das Kulturministerium und der Zweckverband Oberes Mittelrheintal. Hans-Josef Kring (SPD), Erster Beigeordneter der Verbandsgemeinde Loreley und Vertreter von Bürgermeister Werner Groß (CDU), macht aus den zwei Seelen in seiner Brust keinen Hehl. Einerseits sei er als Mitglied der Verwaltung gehalten, die Beschlüsse des Rates umzusetzen, andererseits werde er als Ortsbürgermeister von Lückershausen, einer 230-Seelen-Gemeinde, Einwände gegen die Pläne vorbringen. Einige Anlagen sollen nur 850 Meter von der Bebauung entfernt stehen, sagt er. Das ist zu wenig für die Menschen, die ihre Ruhe suchen. Seine Gemeinde kann keine Windkraftgebiete ausweisen, sie würde mit 20 Prozent an den Einnahmen der anderen teilhaben. Das sieht ein Solidarpakt vor. Auf eine Quote von 60 zu 40 hätten sich die Windkraftgemeinden nicht eingelassen, sagt Kring. Auch sein Kompromissvorschlag, nur 15 Anlagen zu errichten, fand keine Mehrheit. Nicht alle Windkraftgemeinden liegen auf der Höhe, etliche sind Rheinanlieger, haben aber Flächen in höheren Regionen. Etwa Kamp-Bornhofen, die Heimat von Innenminister und SPD-Chef Roger Lewentz, der für eine Bundesgartenschau 2031 im Mittelrheintal plädiert und jüngst verkündete, dass Bundes- und Landesgelder für den Ausbau des Loreley-Plateaus zur Verfügung stehen. Der Bürgermeister von Kamp-Bornhofen, Frank Kalkofen (SPD), sieht nach einem Bericht der „Rhein-Lahn-Zeitung“ den Gemeinderat und die Bürger seit Jahren einmütig hinter den Windkraftplänen stehen. Um den Welterbestatus fürchte er nicht, denn die Windräder im Hunsrück auf der linken Rhein-Seite seien ja auch vom Rhein aus zu sehen. Das Bündnis Kulturlandschaft will weiter die Trommel rühren und Flyer verteilen. Geld einzufordern für die Entwicklung des Unesco-Welterbes stehe im Widerspruch zum Bau von Windkraftanlagen, sagte Jost gestern beim öffentlichen Auftakt.

x