Rheinland-Pfalz Vom Mittelmeer an den Rhein

NEUWIED/LUDWIGSHAFEN (lrs/ jüm). In Rheinland-Pfalz klagen viele Branchen über Nachwuchsmangel – und in Spanien grassiert eine hohe Jugendarbeitslosigkeit. Deshalb kommen junge Menschen von der iberischen Halbinsel zur Ausbildung in Betriebe im Land.

Carlos Prades tritt aus einer Auto-Werkstatt in Neuwied-Oberbieber und blinzelt in die Herbstsonne. „In Valencia sind es jetzt 36 Grad“, sagt er etwas wehmütig. In Deutschland sei das Wetter schlechter. „Aber sonst ist alles gut.“ Carlos Prades ist 24 Jahre alt. Im August vergangenen Jahres zog er von Valencia in den Norden von Rheinland-Pfalz, um hier eine Lehre zum Kfz-Mechatroniker zu machen – und um der hohen Arbeitslosigkeit in der Heimat zu entgehen. Vermittelt hat das die Koblenzer Handwerkskammer, die 2013 ein Projekt mit der Agentur für Arbeit Koblenz-Mayen sowie dem Berufsbildungszentrum Xabec in Valencia startete. Mittlerweile gibt es weitere Beispiele. So werden an den Berufsschulen in Bernkastel-Kues und Edenkoben junge Spanier in Berufen des Gastgewerbes ausgebildet. Die BASF in Ludwigshafen hat 2013 ein Pilotprojekt gestartet. Dabei absolvieren 18 junge Leute aus Spanien eine Berufsausbildung, die vergleichbar mit der deutschen Ausbildung zum Chemikanten ist. In diesem Monat ist bereits der zweite Jahrgang bei der BASF an den Start gegangen. Einer der Initiatoren des Koblenzer Projekts war der Obermeister der Kraftfahrzeug-Innung Mittelrhein, Mark Scherhag. Dieser habe vor rund drei Jahren vor einem „Riesen-Nachwuchsproblem“ gewarnt, erinnert sich Alexander Baden, Hauptgeschäftsführer der Handwerkskammer (HwK). Die erste Gruppe aus 15 Spaniern sei 2013 in die Region gekommen – alles Männer, die Ausbildungen in technischen Berufen begannen. Die Zwischenbilanz: Einige brachen krankheitsbedingt ab, einer fand wieder Arbeit in Spanien. Elf sind laut HwK-Hauptgeschäftsführer Baden noch da, einer davon Carlos Prades, der in dem kleinen Kfz-Betrieb von José Carillo in Neuwied-Oberbieber untergekommen ist. Prades′ Chef ist selbst gebürtiger Spanier, das hilft im Alltag. Grundsätzlich hätten die HwK-Ausbildungsberater geschaut, in welche Betriebe die Interessenten passen, erklärt Baden. Dann seien Azubi und Chef im Internet per Skype-Konferenz zusammengebracht worden. In den Firmen habe es nur Zustimmung gegeben, sagt Baden. Auch José Carillo war sofort dabei. „Wenn ich Spanien helfen kann, dann mache ich das“, sagt er. Dass er seinem Azubi aus Spanien anfangs etwas mehr habe helfen müssen – etwa bei Behördengängen – sei okay. Mit dem Verlauf des Projekts ist die Koblenzer Kammer so zufrieden, dass in diesem Jahr weitere 14 Spanier in die Region Koblenz ziehen werden – diesmal auch vier Frauen und diesmal auch Lehrlinge im Lebensmittelhandwerk. 2015 sollen neben Spaniern auch junge Bulgaren kommen. Die Arbeitsagentur übernimmt zahlreiche Ausgaben, etwa für die Anreise oder Sprachkurse. Die jeweilige Ausbildungsvergütung wird auf maximal 818 Euro pro Monat aufgestockt. Ulrike Mohrs, Leiterin der Arbeitsagentur Koblenz-Mayen, ist überzeugt, dass davon alle Beteiligten profitieren. „Die Jugendlichen können hier eine fundierte Ausbildung machen, die ihnen so in ihrer Heimat zurzeit nicht geboten werden kann.“ Die Betriebe fänden den dringend benötigten Nachwuchs. „Und nebenbei leisten wir auch noch einen sinnvollen Beitrag zur Bewältigung der europäischen Finanz- und Wirtschaftskrise.“ Azubi Prades weiß das zu schätzen. „Viele junge Leute in Spanien haben einfach keine Chance auf Arbeit“, sagt der 24-Jährige. Er habe früher in der Industrie gearbeitet, sei dann aber ein Jahr ohne Job gewesen. „Dann habe ich mich für eine Lehre entschieden. Das ist besser, als auf dem Sofa zu liegen.“ Nun absolviert er ein strammes Programm, arbeitet im Betrieb, besucht die Berufsschule, Ausbildungen bei der Handwerkskammer und geht zweimal in der Woche zum Deutsch-Kurs. Für Prades hat das duale Ausbildungssystem in Deutschland viele Vorteile. In Spanien gingen Lehrlinge jahrelang in eine Berufsschule und machten dann ein dreimonatiges Praktikum in einem Betrieb. „Wenn man fertig ist, kann man seine Arbeit nicht so gut wie hier“, sagt er. Und doch gibt es Dinge, die ihm in Neuwied fehlen. „Ich vermisse den Strand, meine Familie, Freunde und das spanische Essen. Hier muss ich die Paella selbst machen, bekomme sie nicht von Oma.“

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