Rheinland-Pfalz Karlsruhe: Integration zum Zuschauen

Bei Bäckermeister Thomas Schmidt (rechts) arbeiten Menschen mit und ohne Handicap. Am Ofen: der 22-jährige Bäckereigehilfe Micha
Bei Bäckermeister Thomas Schmidt (rechts) arbeiten Menschen mit und ohne Handicap. Am Ofen: der 22-jährige Bäckereigehilfe Michael.

Gegenüber: Schmidts „Gläserne Bäckerei“ in Karlsruhe gilt im Südwesten als Vorzeigeprojekt. Von zwölf Angestellten sind sechs behinderte Mitarbeiter – exakt die Hälfte der Belegschaft. Wie das funktioniert, darüber können sich Passanten in der Innenstadt schon morgens ein Bild an den Schaufenstern machen.

«Karlsruhe.» Dem 22-jährigen Michael macht die Arbeit sichtlich Spaß. Mit einem großen Blech holt er fünf Stangen frisch gebräuntes Walnuss-Baguette aus dem Ofen. „Mir gefällt es hier, ich bin sehr zufrieden“, sagt er mit einem Lächeln. Er hilft bei Spülarbeiten und in der Produktion. Vor allem nachmittags ist er hier anzutreffen: in der Backstube der Bäckerei Schmidt, in Karlsruhes Innenstadt. Zwölf Mitarbeiter zählt die Bäckerei und gilt als Vorzeigeprojekt für Inklusion. Nur ein paar Schritte nebenan arbeitet Boris, und bereitet den Brezelteig für den nächsten Tag vor. Die Mischung will genau abgewogen sein. Nach dem Kneten kommt die Teigmasse für 15 Stunden in den Kühlraum, bei vier Grad Celsius – bevor er am nächsten Morgen gebacken wird. Boris, 25, ist seit Dezember 2016 dabei. Schon kurz nach der Eröffnung der Bäckerei Schmidt stieß er zu dem Team. Als einer von sechs behinderten Mitarbeitern, die genau die Hälfte der Belegschaft ausmachen. Boris hatte zuvor bei den Hagsfelder Werkstätten gearbeitet.

Gute Arbeitsatmosphäre

„Was er macht, das macht er gut“, sagt sein Chef, Bäckermeister Thomas Schmidt. Eigentlich hatte Boris ursprünglich den Traum Stapelfahrer zu werden, in einem Großlager. Jetzt ist er Bäckereigehilfe in der Ritterstraße. Eine 35-Stunden-Woche prägt seinen Arbeitsalltag. Ob er das bis zur Rente machen will? Boris grinst. So wie bei der Frage, ob sein Chef „ein guter Chef“ sei. Die Arbeitsatmosphäre ist gut. Mit der Beschäftigung von inzwischen sechs behinderten Mitarbeitern ist die Bäckerei Schmidt ein Vorzeigeprojekt im Lebensmittelhandwerk als anerkannter Inklusionsbetrieb. Die Idee mit dem Einsatz von Behinderten „kam ein halbes Jahr vor Eröffnung der Backstube“, erzählt der Chef der Backstube, der eher von „Menschen mit einem Handicap“ spricht. Eingestellt hat Schmidt Menschen „die auf dem ersten Arbeitsmarkt nicht vermittelbar sind“. Auch für ihn und seine Frau Tina, die den Betrieb mit ihm zusammen führt, war das Neuland. Da sei er selbst „am Anfang sehr gefordert gewesen“, räumt er ein: bei anfangs fünf „Ungelernten“, mit denen jeder Schritt geübt werden musste.

Ganz neue Erfahrungen

Seine eigenen Arbeitstage, so sagt der Bäckermeister, hätten in der Startphase häufig zwölf bis 15 Stunden gedauert. Im vergangenen Dezember kam dann der 22-jährige Michael als sechster Inklusionsmitarbeiter dazu. Wenn jemand meine, das „aus wirtschaftlichen Gründen machen zu müssen, soll er es besser bleiben lassen“, ist Schmidt überzeugt. Vom Integrationsamt, das bei der Vermittlung assistierte, bekommt die Bäckerei für die Beschäftigung Behinderter Fördergelder. Das „dürfe aber nicht den Ausschlag geben“, sagt er. Der Bäckermeister machte ganz neue Erfahrungen. „Da bekommen sie sehr viel zurück“, auch viel menschliche Wärme. Einer seiner jungen Mitarbeiter, ein Mann mit Down-Syndrom, sei „der lustigste Kerl im ganzen Team“. Doch mit seinem im Spätherbst 2016 in der Ritterstraße eröffneten Betrieb verfolgte Schmidt noch zwei weitere Ziele, ohne die der schnell eingetretene Erfolg – und damit auch die dauerhafte Beschäftigung der sechs Behinderten – vermutlich gar nicht möglich gewesen wäre. Vornean stand die „Gläserne Bäckerei“: Durch große Ladenfenster kann jeder Passant zugucken, wenn der Teig geknetet, das Brot gebacken, die Backstube gereinigt und gesäubert wird.

Butter aus dem Elsass

Auch in anderen Bereichen ist Schmidt – seit 1987 Bäckermeister – eigensinnig: Für Blätterteigwaren wie Pasteten und Apfeltaschen bezieht er die Butter aus dem benachbarten Elsass, das Getreide kommt ausschließlich von zertifizierten Bauern der Marke „Kraichgau Korn“ aus der Region. Auch Bernhard Pflaum ist immer wieder Gast in Schmidts Backstube. Der Referatsleiter im Integrationsamt nennt die Bäckerei „ein einzigartiges Unternehmen im Backhandwerk“. Inhaber Schmidt war früher schon einmal selbstständig, von 1990 bis 2001, mit damals zehn Mitarbeitern – ehe er mit einer anderen Karlsruher Bäckerei fusionierte. Jetzt habe er „nochmals neu durchgestartet“, so Pflaum anerkennend. Erkennbar mit Erfolg: trotz der teilweise doch deutlich teureren Brot-Produkte als bei Ketten-Bäckereien. Schmidt kommentiert gelassen: Dass das Konzept beim Kunden ankommen würde, da sei er „sich von Anfang an sicher gewesen.“

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