Rheinland-Pfalz Die Spur aus Schließfach 34

Ein Student aus dem Kreis Kaiserslautern soll sich in italienischen Fälscherwerkstätten Blüten im Wert von über 400.000 Euro besorgt haben. Er wurde erwischt und zu einer Haftstrafe verurteilt. Doch es bleiben Fragen: Wo ist das Falschgeld? Gab es Verbindungen zur rechtsextremistischen Szene? Und: Wie viele Pfälzer wurden betrogen?

Kaiserslautern

(ros). In der Regel kaufte er nur Kleinigkeiten: Ein Glas Honig, ein wenig Obst am Marktstand, ein gebrauchtes Handy und immer wieder ein paar Brötchen. Bezahlt wurde jeweils mit einem 50- oder 20-Euro-Schein. Die Einkäufe selbst waren nebensächlich, wichtig war das Rückgeld. Denn seine Euro-Scheine waren gefälscht – häufig trugen sie sogar die selbe Seriennummer. Die Einkaufstour diente dazu, aus den Blüten Echtgeld zu machen. Auf diese Art brachte ein 23-Jähriger aus dem Kreis Kaiserslautern Falschgeld in Umlauf. Teils in der Westpfalz, teils in Flensburg, wo er studierte. Dort waren es an einem Tag einmal rund 120 Geschäfte, in denen der Student zusammen mit einem Komplizen falsche Noten im Wert von 5000 Euro versilberte. Bei seinen Streifzügen klebte sich der 23-Jährige Heftpflaster an Daumen und Zeigefinger – um keine Fingerabdrücke auf den Blüten zu hinterlassen. Trotz solcher Vorsichtsmaßnahmen wurden Ermittler des Polizeipräsidiums Westpfalz auf den 23-Jährigen aufmerksam. Unter anderem, weil dieser einem V-Mann der Polizei Falschgeld angeboten hatte. Die anschließend angeordnete Telefonüberwachung brachte weitere Hinweise. Im November wurde der Mann schließlich in Kaiserslautern festgekommen. Kurz zuvor hatte er wieder einmal in einer Bäckerei eingekauft – und mit einem falschen 50-Euro-Schein bezahlt. Bei seiner Festnahme hatte der Student einen Schlüssel bei sich, der zu Schließfach 34 im Kaiserslauterer Hauptbahnhof gehörte. Darin fanden die Beamten eine Sporttasche mit zwei Geldbündeln – es waren 14.400 Euro Falschgeld. Dass dies bei weitem nicht alles sein konnte, steht fest. Doch wie viele Blüten der 23-Jährige tatsächlich besitzt beziehungsweise zuvor verschoben hat, ist unklar. Auch der Prozess gegen ihn vor dem Landgericht Kaiserslautern brachte dazu keine Erkenntnisse. Der Student legte zwar gleich zu Beginn ein Teilgeständnis ab, machte aber zu Lieferanten und Hintermännern keine Angaben. Weil er eine Hausdurchsuchung befürchtet hatte, schickte er kurz vor seiner Festnahme seinen Falschgeld-Bestand per Paket an einen unbekannten Dritten – vermutlich im Raum Kaiserslautern. Einem Mitbewohner seiner Studenten-WG hatte er einmal von 400.000 Euro Blüten erzählt, die in einem Versteck lagerten. Im Prozess sagt er dazu, dies sei geprahlt gewesen. Eine solch hohe Summe habe er nie besessen, es seien allenfalls 60.000 bis 70.000 Euro gewesen. Es habe sich auch nur um eine einzige Lieferung gehandelt. An dieser Version gibt es Zweifel. Ermittler wie Staatsanwaltschaft vermuten, dass der Student schon früher im Falschgeldgeschäft aktiv war. Bei den Blüten handelte es sich um Falsifikate von sehr guter Qualität. Sie stammen aus Italien. In der Gegend um Giugliano, einer der Camorra-Hochburgen in der Nähe von Neapel, betreiben Fälscher illegale Druckereien. Aus ihnen kommt nach den Erkenntnissen von Europol fast die Hälfte der im Umlauf befindlichen falschen Euro-Banknoten. Wie der Westpfälzer dorthin Kontakte knüpfen konnte, dazu schweigt er. Vermutlich ist sein Hintermann ein 38-jährige Mann aus der Vorderpfalz, der verwandtschaftliche Beziehungen nach Italien hat und inzwischen auch die italienische Staatsangehörigkeit besitzt. Zusammen mit diesem Mann war der Student im September 2013 von Stuttgart nach Neapel geflogen. Vermutlich, um selbst eine größere Menge Falschgeld abzuholen. Es ist dieser Umstand, der Anlass zu Spekulationen gibt. Der zuständige Kriminalhauptkommissar: „Das ist sehr ungewöhnlich, dass ein Deutscher zu diesem Zweck nach Italien darf, die halten sich dort lieber bedeckt.“ Die Staatsanwaltschaft Kaiserslautern vermutet deshalb, dass schon länger eine intensive Geschäftsbeziehung zwischen dem Studenten und dem Vorderpfälzer mit italienischen Wurzeln bestanden haben muss: „Der Angeklagte war in einer anderen Liga unterwegs als Leute, die auf der Kirmes einen falschen Fuffi verteilen.“ In der Tat waren es nicht nur zahllose Bäckerei-Gänge, mit denen der 23-Jährige sein Falschgeld absetzte. Einem 22-jährigen Kaiserslauterer, so sagte er, habe er 10.000 Euro Falschgeld für 2500 Euro Echtgeld verkauft. Ein weiteres Geschäft mit diesmal 50.000 Euro Falschgeld wurde besprochen, platzte aber angeblich kurz vor der Übergabe. Die Absatzkette beim Falschgeld gleicht jener des Drogenhandels: Großhändler, kleine Unterhändler, Kleinkriminelle, die letztlich die Ware in Umlauf bringen. War der 23-Jährige also doch eher eine größere Nummer im Falschgeldgeschäft? War es doch keine Prahlerei, als von 400.000 Euro die Rede war? Und wie kam es zu einer derart vertrauensvollen Beziehung zu dem Hintermann, dass der den Studenten mit nach Neapel nahm? Darauf fand das Landgericht in der Verhandlung keine Antworten. Die Strafkammer war auf ein schnelles Urteil aus, ihr reichte das Geständnis: Nach rund dreistündiger Verhandlung verurteilte das Gericht den 23-Jährigen vorvergangene Woche zu einer Haftstrafe von vier Jahren und drei Monaten. Ein intensiverer Blick zurück hätte vielleicht mehr Aufschlüsse liefern können. Denn der 38-jährige Hintermann könnte eine rechtsextremistische Vergangenheit haben. Vieles spricht dafür, dass er jener Neustadter ist, der Ende der 1990er Jahre zum Umkreis des bekannten Rechtsextremisten Anton Pfahler gehörte. Pfahler war Funktionär der verbotenen „Wehrsportgruppe Hoffmann“ gewesen, zeitweise stellte er sein Grundstück in Bayern für mehrere Monate der NPD zur Verfügung. Die Polizei ermittelte gegen Pfahler, den Neustadter und drei weitere Männer wegen des Verdachts der Bildung einer kriminellen Vereinigung und Verstößen gegen das Waffengesetz. Bei Razzien wurden damals zahlreiche Waffen und rechtsextremes Propagandamaterial sichergestellt. Das Landgericht Ingolstadt verurteilte Pfahler 1999 wegen der illegalen Waffengeschäfte zu einer Haftstrafe von drei Jahren und acht Monaten, das Strafmaß gegen den Neustadter, der zuvor wiederholt wegen Volksverhetzung verurteilt worden war, ist härter: vier Jahre und acht Monate. Einem internen Verfassungsschutzbericht über die rechtsextremistische Aktivitäten in Deutschland in den Jahren 1997 bis 2004 ist zu entnehmen, dass der Neustadter auch in der Haftzeit auffiel. Bei ihm wurden Schriften gefunden, in denen er dazu aufforderte, Verräter, Spione und verdeckte Ermittler sowie deren Familien auf brutale Weise zu töten. Später sah der Generalbundesanwalt Anhaltspunkte, dass der Neustadter den Aufbau einer rechtsextremistischen Terrororganisation plant. In der Verhandlung gegen den Westpfälzer Studenten wurde der Lebensweg des Hintermannes nicht thematisiert. Weder vom Gericht, noch von der Staatsanwaltschaft. Ein politischer Hintergrund des Mannes sei für das aktuell vor Gericht zur Verhandlung gekommene Verfahren nicht relevant gewesen, sagt der Kaiserslauterer Oberstaatsanwalt Udo Gehring. Das rheinland-pfälzische Landeskriminalamt teilt auf Anfrage mit, rechtsextremistische Aktivitäten des Mannes seit 2004 seien nicht bekannt. Der Generalbundesanwalt habe hinsichtlich der damals aufgetauchten Verdachtsmomente das Verfahren eingestellt und keine Anklage erhoben. Gibt es also keine Indizien für eine rechte Falschgeld-Connection? Möglicherweise muss die Vorgeschichte demnächst trotzdem thematisiert werden: Denn der Hintermann des Westpfälzer Studenten, mit dem er nach Italien geflogen war, sitzt seit April selbst in Untersuchungshaft: Auch ihm werden Falschgeldgeschäfte vorgeworfen. Verhandelt wird sein Fall – falls Anklage erhoben wird – wohl am Landgericht Frankenthal.

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