Rheinland-Pfalz Abiturnoten falsch berechnet?

Trier (ros). Rund 14.500 Schüler haben in Rheinland-Pfalz in diesem Jahr Abitur gemacht. Hat die Klage eines Trierer Abiturienten Erfolg, müssen die Zensuren möglicherweise nachträglich neu berechnet und gegebenenfalls korrigiert werden. Der Gymnasiast sieht sich durch die neue Abiturprüfungsordnung, die 2014 erstmals galt, benachteiligt.

Bei dem Streit geht es um die Methode, wie die Facharbeit – eine freiwillige schriftliche Hausarbeit – in die Abitur-Endnote eingeht. Als das Verwaltungsgericht Trier gestern den Fall verhandelte, wurde aber schnell deutlich: Es geht vielleicht um viel mehr. „Wenn wir die Prüfungsordnung für nichtig erklären, dann würde die alte wieder gelten“, sagte der Vorsitzende Richter Christoph Klages. Und dann ginge es nicht mehr nur um die Anrechnung der Facharbeit allein, dann müssten die Leistungen insgesamt ganz anders gewertet werden. Ein Beispiel: Die eigentliche Abiturprüfung – also das Schriftliche und Mündliche – haben nach der neuen Regelung deutlich mehr Gewicht. Sie macht jetzt ein Drittel der Endnote aus. Nach der alten Prüfungsordnung waren es nur 28 Prozent. Eine Entscheidung will die sechste Kammer des Verwaltungsgerichts erst in etwa zwei Wochen treffen. Im Vorfeld der gestrigen Verhandlung hatte die Kammer freilich zu erkennen gegeben, dass sie durchaus Bedenken gegen die Art der Berechnung des Gesamtergebnisses hegt. Ein Kippen der neuen Prüfungsordnung würde den Schulleitungen wohl einen enormen Korrekturbedarf bescheren. Über diese mögliche Konsequenz der Klage ist gestern offenbar auch Michael Witzel, der Trierer Rechtsanwalt des Schülers, etwas erschrocken: „Uns geht es um die Korrektur eines Einzelfalls; dass es zu einer Gesamtaufhebung der Prüfungsordnung kommt, ist gar nicht unser Interesse“, sagte Witzel. Der Jurist war selbst früher Richter am Trierer Verwaltungsgericht, danach persönlicher Referent des Regierungspräsidenten und später zehn Jahre lang Bürgermeister der Verbandsgemeinde Trier-Land. Er sollte sich also mit Gesetzen und Verordnungen und vor allem mit deren Auslegung auskennen. Und in der neuen rheinland-pfälzischen Abiturprüfungsordnung glaubt Witzel eine Gerechtigkeitslücke entdeckt zu haben. Im Falle seines Mandanten, der auf das Anfertigen einer Facharbeit verzichtet hatte, habe dies zu Maluspunkten geführt. Statt mit 1,5 habe der 19-Jährige deshalb sein Abitur „nur“ mit 1,6 abgeschlossen. Witzel nennt das Zeugnis, das der Gymnasiast bekommen hat, „rechtswidrig“. Zum Verständnis: Die Facharbeit soll Schüler auf das wissenschaftliche Arbeiten im Studium vorbereiten. Für diese schriftliche Hausarbeit können sich die Schüler im Bereich ihrer Leistungsfächer ein Thema frei wählen, für die Bearbeitung haben sie zwölf Wochen Zeit. Das Schreiben einer Facharbeit ist keine Pflicht. Wer jedoch diese Aufgabe erfolgreich absolviert und sie in die Endabrechnung einbringt, erreicht im Abitur eine höhere Gesamtpunktzahl. Gegen diese Zusatzpunkte wehrt sich Witzel auch gar nicht. Der Rechtsanwalt stößt sich aber an der Umrechnungsformel, mit der aus den Kursleistungen der Mainzer Studienstufe (MSS) und der Abiturprüfung die Endnote errechnet wird. Dabei würden Schüler ohne Facharbeit benachteiligt: „Eine freiwillige Leistung, die nicht erbracht wird, geht nun als ungenügende Leistung, also mit null Punkten in die Abiturnote ein.“ Die Vertreter des Mainzer Bildungsministeriums bestritten diese Darstellung in der gestrigen Verhandlung. Sie rechneten dem Gericht ihrerseits gleich mehrere Beispiele vor. Darunter dies: Ein Schüler ohne Facharbeit, der in allen seinen Kursen und Prüfungen 11 Punkte, also eine glatte 2, erzielt habe, komme mit der Umrechnungsformel auch in der Abiturendnote auf eine glatte 2. Mit dem Einbringen einer Facharbeit eröffne sich ihm aber die Chance, seine Abiturnote auf 1,9 zu verbessern. Richter Christoph Klages hielt sich gestern mit Bewertungen des Vorgangs weitgehend zurück. An einer Stelle orakelte er freilich ein wenig: „Wenn ich nichts habe, kann ich auch nichts einbringen; das ist wie beim Geld: Wenn ich keins habe, kann ich auch keins auf die Sparkasse bringen.“

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