Politik Schwere Verluste für große Koalition AfD dritte Kraft, FDP wieder zurück

Trotz deutlicher Verluste der Union steht Bundeskanzlerin Angela Merkel vor ihrer vierten Amtszeit.
Trotz deutlicher Verluste der Union steht Bundeskanzlerin Angela Merkel vor ihrer vierten Amtszeit.

«Berlin.» „Wir haben einen Auftrag, eine Regierung zu bilden.“ So kommentierte gestern Abend Bundeskanzlerin Angela Merkel den Ausgang der Bundestagswahl. Trotz herber Einbußen blieb Merkels CDU stärkste Partei in Deutschland. Gemeinsam mit der Schwesterpartei CSU kommt die Union auf etwa ein Drittel der Wähler. Abgeschlagen die SPD: Nur etwa ein Fünftel der Wähler gab den Sozialdemokraten die Stimme. Als Konsequenz kündigte SPD-Spitzenkandidat Martin Schulz an, seine Partei werde nun die Opposition im Bundestag anführen. Er wolle Parteichef bleiben, aber nicht die Fraktion im Bundestag anführen. „Ich werde mich voll auf die Erneuerung der Partei konzentrieren“, sagte er. Der bisherige SPD-Fraktionschef Thomas Oppermann sagte, es würden definitiv keine Koalitionsgespräche mit der Union geführt. „Es wird keine Hintertür geben.“ Die Alternative für Deutschland (AfD), die bereits in 13 Landtagen vertreten ist, stellt künftig die drittstärkste Fraktion im Bundestag – laut Hochrechnungen vor der FDP, der Linken und den Grünen. Besonders in Ostdeutschland erhielt die AfD viel Zuspruch: Dem Institut Infratest dimap zufolge stimmten dort 21,5 Prozent der Wähler für sie, Hochrechnungen der Forschungsgruppe Wahlen für das ZDF sahen die AfD im Osten bei 22,8 Prozent. Die meisten Stimmen – 1,2 Millionen – holte die AfD demnach aus dem Lager der bisherigen Nichtwähler. Unter den Parteien des bisherigen Bundestags verlor die Union mit 1,05 Millionen Stimmen die meisten Wähler an die AfD. Der Präsident des Jüdischen Weltkongresses, Ronald S. Lauder, nannte die AfD eine „schändliche Bewegung“, die an das Schlimmste aus Deutschlands Geschichte erinnere und verboten werden sollte. Dem hielt AfD-Ko-Chef Jörg Meuthen entgegen: „Wir werden Ausländerfeindlichkeit ebenso wenig dulden wie rassistische Positionen. Wir haben sie aber auch schlicht nicht.“ Die Union büßte nicht zuletzt in Bayern deutlich ein – rund zehn Prozentpunkte im Vergleich zu 2013, als sie in ihrem Bundesland 49,3 Prozent holte. CSU-Chef Horst Seehofer erklärte das schlechte Abschneiden seiner Partei damit, „dass die Union auf der rechten Seite eine offene Flanke“ habe. Bundeskanzlerin Merkel nannte den Einzug der rechtspopulistischen Partei in den Bundestag als „große Aufgabe“. Sie wolle die Wähler der AfD zurückgewinnen. AfD-Ko-Chefin Frauke Petry sagte, der Wahlerfolg sei ihrer Partei Ansporn, den „Regierungswechsel für 2021“ vorzubereiten. Die AfD schließt derzeit eine Regierungsbeteiligung aus. Spitzenkandidat Alexander Gauland kündigte eine harte Konfrontation an: „Die Bundesregierung, wie immer sie aussieht, kann sich warm anziehen, wir werden sie jagen. Wir werden uns unser Land und unser Volk zurückholen.“ AfD-Spitzenkandidatin Alice Weidel sagte: „Wir werden den Untersuchungsausschuss Angela Merkel initiieren.“ Dies sei „das erste, was wir tun werden“. Das „Comeback“ seiner Partei bejubelte FDP-Chef Christian Lindner. Die Liberalen waren 2013 nicht mehr in den Bundestag eingezogen. Linken-Spitzenkandidatin Sahra Wagenknecht sagte angesichts des starken Abschneidens der AfD im Osten, vielleicht habe ihre Partei Probleme in der Flüchtlingspolitik nicht deutlich genug angesprochen. Da die SPD eine erneute Auflage der großen Koalition ausschließt und keine Partei mit der AfD koalieren will, muss die Union auf die FDP und die Grünen zugehen. Neben Schwarz-Rot hat nur Schwarz-Grün-Gelb eine rechnerische Mehrheit im neuen Parlament. Dieses muss bis zum 30. Oktober erstmals zusammentreten. Solange keine neue Regierung steht, amtiert die bisherige geschäftsführend. FDP-Vizechef Wolfgang Kubicki machte klar, dass ein Bündnis der Jamaika-Farben „keine Selbstverständlichkeit“ sei. Nur weil die SPD sich „vom Acker mache“, bedeute das nicht, dass die Liberalen „die Ausputzer“ seien. „Das werden komplizierte Gespräche“, sagte Grünen-Spitzenkandidatin Katrin Göring-Eckardt. In Rheinland-Pfalz lagen die Parteien der großen Koalition über ihrem Bundesergebnis. Die CDU holte 35,9 Prozent der Zweitstimmen, die SPD 24,2 Prozent. Auf die AfD entfielen 11,2 Prozent, die FDP 10,4 Prozent, die Grünen 7,6 Prozent und die Linke 6,8 Prozent.

Will die SPD weiter führen, aber nicht Fraktionschef werden: Martin Schulz.
Will die SPD weiter führen, aber nicht Fraktionschef werden: Martin Schulz.
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