Neuer Bundestag Schäuble ermutigt Parlamentarier: Führung wagen

Wolfgang Schäuble ist seit 1972 im Bundestag, am Dienstag war er der Alterspräsident.
Wolfgang Schäuble ist seit 1972 im Bundestag, am Dienstag war er der Alterspräsident.

Der bisherige Bundestagspräsident Wolfgang Schäuble hat die Abgeordneten des neuen Bundestags gemahnt, ihr politisches Amt verantwortungsbewusst zu nutzen.

Als Alterspräsident eröffnete der CDU-Politiker Schäuble die erste Sitzung des neuen Parlaments im Berliner Reichstagsgebäude. Das Mandat bestehe darin, als gewählte Repräsentanten das Volk nicht durch die Person, sondern durch Politik zu vertreten. „Durch sie sollten alle Menschen politisch Gehör finden“, sagte Schäuble, der seit 1972 dem Bundestag angehört. Zur Eröffnung des nunmehr 20. Bundestages erklärte er: „Der Bundestag bündelt Interessen und er trägt damit Verantwortung für den Zusammenhalt in unserem Land.“

Schäuble weiter: „Unsere repräsentative Demokratie beruht auf der politischen Gleichheit aller Bürgerinnen und Bürger – ohne Rücksicht auf ihre soziokulturellen Merkmale“, betonte Schäuble. Parlamentarier sollten sich daher „immer wieder selbst hinterfragen, ob wir, ob unsere Parteien der Vielfalt an Interessen und Meinungen genügend Gehör verschaffen“. Zugleich warb Schäuble dafür, im Bundestag auch zu streiten, sofern es fair und nach Regeln zugehe. „Wenn wir das Prinzip der Repräsentation stärken wollen, dann müssen wir uns immer wieder um die Faszination der großen, strittigen Debatte bemühen“, sagte der CDU-Politiker. Streit könne leidenschaftlich sein, solle „aber auch mit der Gelassenheit, die einer erregten Öffentlichkeit Beispiel geben kann“, geführt werden.

Schäuble: Nicht Eigeninteresse dienen

Politik sei kein Selbstzweck. „Wir dienen nicht dem Eigeninteresse einer gesellschaftlichen Gruppe oder einer Meinungsblase, sondern wir dienen der Gemeinschaft“, sagte Schäuble. An die Abgeordneten appellierte er: „Trauen wir uns etwas zu, ob in Regierungsverantwortung oder als Opposition – sonst geht verloren, was die Demokratie eben auch dringend braucht: politische Führung.“ Die Demokratie verlange „den Blick für die wirklich großen Aufgaben - und die Fähigkeit, das gesellschaftliche Interesse auf diese großen Aufgaben zu lenken“. Dazu müsse man bereit sein, den Menschen auch etwas zuzumuten.

In seiner Rede warb Schäuble auch für eine Wahlrechtsreform, die „ersichtlich keinen Aufschub“ dulde. Der neue Bundestag ist mit 736 Abgeordneten der bislang größte.

Merkel neben Steinmeier

Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) hat die konstituierende Sitzung des Bundestags nicht – wie bislang bei normalen Bundestagssitzungen üblich – von der Regierungsbank aus beobachtet. Stattdessen saß die scheidende Regierungschefin am Dienstag zwischen Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier und der früheren Bundestagspräsidentin Rita Süssmuth (CDU) auf der Tribüne des Plenarsaals. Offiziell endet mit der konstituierenden Sitzung des Parlaments die Amtszeit der Kanzlerin und der Bundesminister. Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier wollte den Mitgliedern der Bundesregierung noch am Dienstag ihre Entlassungsurkunden aushändigen. Er hat Merkel aber gebeten, die Regierungsgeschäfte noch so lange weiterzuführen, bis ein neuer Kanzler gewählt wird.

Scholz erster konfessionsloser Kanzler?

Vor der Eröffnung des Bundestags gab es fürs Parlament einen Gottesdienst in der evangelische Marienkirche in Berlin-Mitte. Dem traditionellen ökumenischen Gottesdienst blieben viele Vertreter der geplanten Ampel-Koalition fern. SPD-Politiker Olaf Scholz, der bei seiner Wahl der erste konfessionslose Kanzler der Bundesrepublik wäre, die Grünen-Vorsitzenden Annalena Baerbock und Robert Habeck sowie FDP-Chef Christian Lindner fehlten und kamen stattdessen direkt in den Reichstag.

Dagegen ließen es sich altgediente Spitzenpolitiker wie die scheidende Kanzlerin Angela Merkel (CDU) und Alterspräsident Wolfgang Schäuble nicht nehmen, in der Kirche Platz zu nehmen – zusammen mit rund 150 Parlamentariern und Bundestagsmitarbeitern. Ebenso kam Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier, der am Montag noch in Rom Papst Franziskus getroffen hatte.

Bundeskanzlerin Angela Merkel verfolgte die Eröffnung des 20. Bundestags von der Besuchertribüne aus – neben Bundespräsident Fra
Bundeskanzlerin Angela Merkel verfolgte die Eröffnung des 20. Bundestags von der Besuchertribüne aus – neben Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier und Alt-Bundestagspräsidentin Rita Süssmuth.
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