Politik Die „Hauruck-Erhöhung“ ist ein Fall für Karlsruhe

Es war das Aufreger-Thema im Juni: In gerade einmal fünf Werktagen hatten Union und SPD im Bundestag die Erhöhung staatlicher Zuschüsse für die Parteien durchgepeitscht. Nun reichen drei Oppositionsfraktionen Klage vor dem Bundesverfassungsgericht gegen den Beschluss der Großkoalitionäre ein. Grüne, Linke und FDP argumentieren, dass es keine Begründung gibt für das sprunghafte Anwachsen der Alimentation durch Steuergeld.

Parteien haben mehrere Einnahmequellen, darunter Mitgliedsbeiträge, Spenden und staatliche Zuschüsse. Letztere sind nach Auffassung des Bundesverfassungsgerichtes grundsätzlich gerechtfertigt, weil Parteien gesellschaftlich verwurzelt sind und eine wichtige Rolle in der Demokratie spielen. Vor allem aber, weil sie nicht in die Abhängigkeit solventer Spender geraten sollen. So gibt es vom Staat beispielsweise für die ersten vier Millionen Wählerstimmen bei der Bundestagswahl jeweils einen Euro pro Stimme, für jede weitere Stimme 83 Cent. Allerdings gibt es ein Limit für die Summe der Finanzierung aller Parteien. Diese 1992 vom Bundesverfassungsgericht eingezogene Obergrenze erhöht (oder senkt) sich jährlich analog zur Inflation und Kaufkraft und liegt zur Zeit bei 165 Millionen Euro. So stieg die absolute Obergrenze von 2017 auf 2018 nach den geltenden Vorgaben um lediglich 2,2 Prozent. Mit den Stimmen von Union und SPD wurde sie im Juni aber gleich um 15 Prozent angehoben – auf 190 Millionen Euro. „Das war eine absolut dreiste Aktion“, sagte gestern Grünen-Fraktionsgeschäftsführerin Britta Hasselmann. Ihr Amtskollege von den Linken, Jan Korte, hält das damalige Vorpreschen von Union und SPD sogar für eine „Sauerei“. Auch wenn die eigenen Schatzmeister ein Plus staatlicher Zuschüsse durchaus gerne sehen würden, wolle man in dieser „sensiblen Frage“ nicht klein beigeben, so Korte. Marco Buschmann, FDP-Fraktionsgeschäftsführer, ist überzeugt: „Diese Hauruck-Regelung widerspricht der Verfassung.“ In der von den drei Oppositionsfraktionen vorgelegten Klageschrift heißt es, bei der staatlichen Parteienfinanzierung müssten die Vorgaben des Bundesverfassungsgerichtes eingehalten werden. Dazu zähle auch eine Begründung, weshalb die Erhöhung des Zuschusses jenseits der jährlichen Preisanpassung nötig sei. Schließlich diene das staatliche Geld lediglich dazu, die Arbeitsfähigkeit der Parteien zu gewährleisten. Union und SPD hatten nach Meinung von Grünen, FDP und Linken jedoch nur „formelhaft und substanzlos“ argumentiert, sie bräuchten das Geld, um mit der Digitalisierung und ihren Folgen Schritt halten und den neuen innerparteilichen Mitwirkungsmöglichkeiten (etwa Mitgliederentscheid) Rechnung tragen zu können. Prozessbevollmächtigte Sophie Schönberger hält diese Begründung nicht für ausreichend. „Es ist dürftig und pauschal, was Union und SPD vorgebracht hatten.“ Es gebe hohe Hürden, um die Obergrenze so zu erhöhen, wie es im Juni geschehen sei. Das Bundesverfassungsgericht halte solche großen Sprünge bei den Zuschüssen lediglich dann für verfassungskonform, wenn diesen „außergewöhnliche Umstände“ zugrunde lägen. Diese sehe sie nicht bei den Parteien. In der Klageschrift wird ausgeführt, dass die Digitalisierung zwar zu höheren Kosten führe, gleichzeitig würden durch sie aber Kosten in anderen Bereichen gesenkt. Und zu den höheren Kosten für die Mitgliederbeteiligung heißt es, dass beispielsweise Mitgliederentscheide gesetzlich nicht vorgeschrieben seien. Sie rechtfertigten eine allgemeine Anhebung der Obergrenze nicht. Grüne, Linke und FDP hatten bereits vor zwei Wochen eine Klage vor dem Bundesverfassungsgericht gegen das bayerische Polizeigesetz eingereicht. FDP-Fraktionsgeschäftsführer Buschmann sagte, es sei nicht auszuschließen, dass die Zusammenarbeit der drei Oppositionsfraktionen mit weiteren Verfassungsklagen fortgesetzt werde – „sobald es einen Anlass dazu gibt“. Auf eine Mitwirkung der AfD wolle man aber verzichten. Diese Partei mache die demokratischen Strukturen verächtlich, so Linken-Politiker Korte zur Begründung.

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