Rheinland-Pfalz Die Signalkrebse kommen

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Der aus Nordamerika eingewanderte Signalkrebs (Pacifastacus leniusculus) ...

Zwei aus Nordamerika stammende Krebs-Arten erobern europäische Gewässer - auch in der Pfalz. Sie verdrängen dabei heimische Arten.

"Ein riesiges Problem" haben die europäischen Edelkrebse und ihre enge Verwandten, die Steinkrebse. So kurz und einfach drückt es Anne Schrimpf aus. Die promovierte Biologin, die an der Universität Landau arbeitet, hat schon ganze Krebsbestände in Gewässern der Pfalz und anderen Gegenden auf einen Schlag verschwinden sehen. "Da kann eine Population schon seit Jahrzehnten da sein, und plötzlich liegen alle Krebse tot am Grund." Schrimpf kennt die Ursache für solche Ereignisse gut, und sie kennt sogar Gegenmittel. Doch wenn es um das Verschwinden der europäischen Süßwasserkrebse geht, gibt es keine einfachen Lösungen.

Anspruchsvolle Tierchen

Um zu verstehen, was für ein lautloser Überlebenskampf in hiesigen Gewässern tobt, muss man sich die beteiligten Parteien genauer anschauen. Da sind zunächst die in Europa einheimischen Arten, der Edelkrebs (Astacus astacus) und sein kleinerer Verwandter, der Steinkrebs (Austropotamobius torrentium). Der Edelkrebs ist ein beeindruckendes Tier von bis zu 20 Zentimetern Länge, das theoretisch unter das Fischereirecht fällt - schmackhaft ist es nämlich auch. Allerdings darf es schon länger nicht mehr gefangen und gegessen werden, weil es vom Aussterben bedroht ist. Sowohl der Edelkrebs als auch der Steinkrebs sind recht anspruchsvoll, brauchen sauberes Wasser, vor allem chemische Belastung vertragen sie gar nicht. Und: Sie sind anfällig für die Krebspest, eine Pilzerkrankung. Auf der anderen Seite stehen eingeschleppte Krebsarten, die eigentlich aus Nordamerika kommen. Die Wichtigsten in der Pfalz sind laut Schrimpf der Signalkrebs (Pacifastacus leniusculus), der Kamberkrebs (Faxonius limosus) der Kalikokrebs (Faxonius immunis), letzterer vor allem am Rhein. Die nordamerikanischen Krebse sind größtenteils immun gegen die Krebspest. Außerdem haben sie nicht ganz so hohe Ansprüche an ihr Habitat, und sie vermehren sich schneller.

Plötzlich sind alle Edelkrebse tot

Die Folge: Die einheimischen Krebsarten sind auf dem Rückzug, beziehungsweise aus manchen Gegenden schon ganz verschwunden. Das Sterben verläuft mitunter schockwellenartig, berichtet Anne Schrimpf: "Wenn ein Tier, das die Krebspest hat, in ein Gewässer gesetzt wird, können innerhalb weniger Tage alle Edelkrebse tot sein." Solche Massensterben hat sie selbst im Rahmen ihrer Forschungstätigkeit schon beobachtet. "Es waren Edelkrebse da, und plötzlich sind da Signalkrebse. Da ist für mich dann schon klar, warum die Edelkrebse verschwunden sind." Der im Gebiet des Rheins auftretende Kalikokrebs hat laut Schrimpf außerdem die Angewohnheit, die Struktur der Ufer seiner Habitate stark zu verändern. Das Problem besteht schon mindestens seit dem 19. Jahrhundert, aus dieser Zeit datieren jedenfalls die ersten Berichte sowohl über fremde Krebsarten in europäischen Gewässern als auch über die Anfälligkeit die einheimischen Tiere für die Krebspest.

Angelvereine sensibilisieren

Den einheimischen Krebsen bleiben nur wenige Rückzugsräume. Laut Naturschützer Sascha Schleich, Betreiber der Internet-Plattform Flusskrebse-RLP.de, sieht es vor allem für den Steinkrebs ziemlich düster aus: "Für den Edelkrebs werden sicherlich isolierte Stillgewässer ohne Zu- und Ablauf in Zukunft die einzigen sicheren Rückzugsräume darstellen. Der Steinkrebs hingegen kommt natürlicherweise lieber in klaren sauerstoffreichen Quelloberläufen vor", sagt er. "Hier hofft man, dass die meisten invasiven gebietsfremden Arten die Fließgewässer nicht so weit hochwandern - wobei es auch dafür schon erste Anzeichen beim Kaliko- und Signalkrebs gibt." Schleich versucht, über die Fischereiverbände relevante Gruppen in Rheinland-Pfalz - Angelvereine zum Beispiel - für das Thema zu sensibilisieren. Außerdem hat er seit 2009 ein Meldesystem aufgesetzt, über das Angler und andere, die mit der hiesigen Süßwasserfauna zu tun haben, ihre Sichtungen von Krebsarten berichten können. Die Vereine seien auch zumeist sehr aufgeschlossen, sagt Schleich - allerdings hätten sie sich zuvor mit dem Thema oft noch gar nicht beschäftigt: "Das Thema wird in den vergangenen zwei bis drei Jahren erst populärer."

Einfach aufessen?

Wäre es nicht eine mögliche Lösung für das Problem mit den Signakrebsen, einen besonders gierigen und gnadenlosen Fressfeind auf sie loszulassen? Den Menschen, zum Beispiel? Immerhin hat der Homo sapiens schon genügend Tierarten nahezu oder ganz verschwinden lassen, indem er sie einfach aufgegessen hat. Und tatsächlich ist auch der Signalkrebs, wie der Edelkrebs, durchaus ein schmackhaftes Tierchen. Doch um ihm auf diese Weise den Garaus zu machen, ist der amerikanische Einwanderer wohl schon zu weit verbreitet, erklärt Anne Schrimpf. 

Desinfiziert euch!

So bleibt denen, die die einheimischen Krebse in ihren letzten verbliebenen Habitaten schützen wollen, nur Aufklärungsarbeit. Schrimpf und Schleich appellieren an Leute, die sich viel an und in Fließgewässern bewegen, Vorsichtsmaßnahmen zu ergreifen, um zumindest die Krebspest nicht weiter zu verbreiten. Zu dem relevanten Personenkreis gehören für Schrimpf nicht nur Angler, sondern beispielsweise auch Kollegen, die bei der Feldarbeit zwischen Gewässern hin- und herwechseln. Die Sporen der Krebspest - die eigentlich ein Pilz ist - können nämlich leicht von einem Gewässer zum anderen verschleppt werden. Für einen optimalen Schutz müssten eigentlich die Ausrüstungs-Teile, die mit Wasser in Berührung kommen, vor einem Gewässer-Wechsel komplett ausgetauscht werden. Oder zumindest desinfiziert, mit Essigsäure zum Beispiel.

Hoffen auf die Natur

Aus Sicht der Wissenschaft gibt es zumindest eine vage Hoffnung, dass die einheimischen Krebs-Arten trotz Krebspest überleben: Durch Immunität. An eine Impfung denken sie dabei eher nicht. Die wäre zwar theoretisch denkbar, berichtet Schrimpf, entwickelt hat sie aber noch niemand. Und das wird wahrscheinlich auch nicht passieren, denn sie wäre in der freien Wildbahn nicht praktikabel. Es wäre dann nämlich nicht damit getan, einen Wirkstoff ins Wasser zu kippen. Die Impfung würde vielmehr nur funktionieren, wenn sie jedem Krebs einzeln verabreicht würde - ein unrealistisches Unterfangen. Möglich ist aber durchaus, dass die Evolution zuschlägt. Exemplare, die wie die amerikanischen Krebse die Krebspest überleben können, hat man laut Schrimpf schon gefunden. Die Wissenschaftler haben aber bisher keine Idee, wie sie eine solche Entwicklung befördern könnten. Schrimpf: "Da können wir nur auf die Natur hoffen, dass die Immunität sich durchsetzt." PDF: Broschüre des Landesamtes für Umwelt, Wasserwirtschaft und Gewerbeaufsicht über Süßwasserkrebse

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... macht dem in Europa heimischen Edelkrebs (Astacus astacus) Probleme.
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