Darts Wie die Pfalz das WM-Halbfinale von Gabriel Clemens erlebt

Gefragter Gesprächspartner: Mannschaftskapitän Ralph Schehrer (rechts).
Gefragter Gesprächspartner: Mannschaftskapitän Ralph Schehrer (rechts).

In der Dartkneipe in Winnweiler herrscht Ausnahmezustand. Hier wird das das Halbfinale der Darts-WM von Gabriel Clemens übertragen. Befreundete Spieler sind als Interviewpartner gefragt. Dabei liegen ihre Nerven gerade blank.

Hinter der Theke steht das Phrasenschwein von Sport1, verkleidet als Gerwyn Price, die Nummer eins der Welt, die „Gaga“ am Abend vorher abserviert hat. „Gaga“ heißt eigentlich Gabriel Clemens und ist derzeit in aller Munde. „Für das Phrasenschwein ist eine Mannschaftskasse draufgegangen“, erklärt der Wirt der First Dart Lounge in Winnweiler grinsend und zapft ein Bier. Er wirkt entspannt, wenn man bedenkt, dass in seiner Kneipe Ausnahmezustand herrscht.

„Ob ich froh bin, so einen berühmten Mitspieler zu haben? Ganz ehrlich?“, fragt Ralph Schehrer. „Es ist gerade ein bisschen anstrengend“, gibt der Mannschaftsführer zu, meint es aber nicht so ganz ernst, denn stolz ist er schon auf „Gaga“, der sich zunächst selbst nicht zugetraut hatte, bei einem Bundesligaverein zu spielen.

Liveschalte aus der First Dart Lounge.
Liveschalte aus der First Dart Lounge.

Schehrer ist nicht ganz unschuldig daran, dass es schließlich so kam. Er hat seinen Vorgänger im Amt, Uwe Schmitt, mit „Gaga“ zusammengebracht. Der war damals laut Schehrer „ein sehr guter E-Dart-Spieler, war relativ bekannt in Deutschland“, hatte aber wenig Erfahrung im Steeldart. „Ob die mich wollen?“, fragte Clemens damals Schehrer, der dessen Bedenken zerstreute.

Mit „Gaga“ Meister geworden

Der Saarländer kam schließlich tatsächlich zum DV Kaiserslautern und ist seit 2014 Mitglied des Bundesligateams. „Gaga,“ der seinen Spitznamen bekam, als sein kleiner Bruder seinen Namen nicht richtig aussprechen konnte, schlug gleich ein. „Mit ihm sind wir 2014 das erste Mal deutscher Meister geworden“, sinniert Schehrer, der ein wenig stolz ist, dass der Dartsprofi immer noch für Kaiserslautern gemeldet und nicht zu einem der zahlungskräftigen Vereine abgewandert ist. Dass sich andere Spieler ins gemachte Nest setzen können, während sein Team alles aus eigener Tasche bezahlen muss, ärgert ihn schon ein wenig. Für die Darts-Spieler des Karlsruher SC gäbe es zum Beispiel ein Budget von 60.000 bis 90.000 Euro. Das Team kommt mit dem Mannschaftsbus, während der DV KL alles aus eigener Tasche bezahlt. Aber sowohl für ihn, als auch für die anderen Spieler ist klar, dass sie das Hobby lieben, für das es im Falle der Meisterschaft „nur einen Pokal und einen Handschlag“ gibt.

Ein „Gaga“-Double.
Ein »Gaga«-Double.

An der Theke lehnt ein Dartsfan im Gaga-Trikot, isst Pizza und freut sich auf das Spiel. Die First Dart Lounge ist proppenvoll und Jan Schneider hat alle Hände voll zu tun. Der Wirt freut sich auf den Abend. Er ist selbst leidenschaftlicher Dartsspieler, tritt in der Freizeitliga an, in der zwei Teams das Lokal in Winnweiler als Heimstätte gewählt haben. „Wenn ich spiele, versuche ich immer, dass ich frei bekomme. Dann vertritt mich meine Kollegin“, sagt er und deutet auf eine blonde Frau, die Pfeile auf die Scheiben wirft. Offensichtlich ist hier alles im Dartsfieber.

Der Hype der WM

Ralf Brisch, Präsident des DV Kaiserslautern, liebt die Darts-WM. Auch weil er jedes Jahr den Hype spürt, den das Ereignis auslöst. Plötzlich wollen alle Darts lernen. „95 Prozent der Anfragen kommen im Dezember“, erzählt er und fügt an, dass er sich wünscht, dass sich der Andrang aufs ganze Jahr verteilen würde. Er macht trotzdem jedem Mut, der Darts lernen will. „Dieser junge Spieler hier hat vor zwei Jahren noch kein Darts gespielt und ist jetzt im Bundesligateam“, sagt er und deutet auf Dominic Kiefaber, der gerade ein paar Pfeile wirft, bevor die Fernsehübertragung von der WM beginnt.

„Gaga“ auf allen Bildschirmen.
»Gaga« auf allen Bildschirmen.

Langsam steigt die Nervosität. Die letzten Interviews laufen. Und der Mannschaftsführer schwärmt noch ein bisschen von Gabriel Clemens, der alles richtig gemacht habe, als er bei seinem Arbeitgeber, der Stadt Saarbrücken, eine Freistellung beantragte und es als Dartsprofi versuchte. „In zwei Jahren hat er es auf ein Preisgeld von 300.000 Pfund gebracht. Natürlich ist er talentiert, aber ich war mir auch sicher, dass das funktioniert.“

Ralf Brisch, der Präsident des DV, am Mikrofon.
Ralf Brisch, der Präsident des DV, am Mikrofon.

Der kleine Bruder

Dass Gaga immer daran denke, wo er herkommt, findet Schehrer gut, der auch Kontakt zu dessen Mutter hat. „Die ist total stolz auf ihre beiden Söhne. Gabriels Bruder Frederik ist ein guter Boulespieler.“

Das Kamerateam filmt und auf der Leinwand wird es ernst: „Gaga“ läuft zu „Wonderwall“ ein. Ein kleiner Junge wirft weiter Darts, muss hochspringen, um sie wieder aus der Scheibe zu ziehen. Er schaut immer wieder auf den Bildschirm, der den German Giant bei seinem großen Auftritt im Ally Pally zeigt. „Wow“, entfährt es den Fans, als Gaga seine erste 180-Punkte-Serie abliefert. Es folgen noch jede Menge.

Fiebern und leiden mit: die Fans in der Dartkneipe.
Fiebern und leiden mit: die Fans in der Dartkneipe.

Trikot ist ausverkauft

Moderator Elmar Paulke erklärt gerade auf DAZN, dass die Shirts des „German Giant“ genauso wie seine Darts in vielen Shops bereits ausverkauft sind. Als Gaga auf dem Weg zum Neundarter ist, wird es richtig laut in der Kneipe in Winnweiler. Seine Fans und Mannschaftskameraden fiebern und leiden mit. 1:0 führt Smith, hat eine überragende Trefferquote abgeliefert. „Das wird so nicht weitergehen“, prophezeit Peter-Pascal Portz vom DV. Clemens macht die Prophezeiung wahr. „Geil!, ja!, geht doch!“, tönt es durch die Kneipe. Gaga schafft das Break zum 2:2 im zweiten Satz. Es wird laut und plötzlich still: Das Fernsehbild ist ausgefallen, ist wieder da, Clemens trifft zum Satzgewinn und gleicht damit zum 1:1 aus. Als Gaga das Break im dritten Satz schafft, wird es richtig laut. Seine Mannschaftskameraden, Anhänger, die Krawallbrüder, die Skinheads, die Pink Elwedritsche, alle brüllen ihre Erleichterung raus. Die emotionale Berg- und Talfahrt geht weiter.

Trauer und Trost

Als Smith, der „Bully Boy“, zum 6:2 getroffen und gejubelt hat und Elmar Paulke erklärte, dass es für den Deutschen nicht gereicht hat, auch wenn „Gaga“ einen Schnitt von über 100 Punkten hingelegt hat, ist es ruhig in der Dartskneipe in Winnweiler. Auch wenn alle stolz auf ihren „Gaga“ sind, müssen sie erst verarbeiten, was da gerade passiert ist.

Der Mannschaftsführer ist einer der Ersten, der wieder Worte findet: „Gabriel Clemens hat sich sehr gut verkauft. Er kann erhobenen Hauptes nach Hause fliegen. Er hat vielen Menschen Darts näher gebracht, alles ist gut“, sagt er und denkt Richtung Zukunft. „Am 7. Januar spielen wir zum Beispiel in Queidersbach – es ist das Derby gegen den anderen Verein aus Kaiserslautern“, wirbt Ralph Schehrer für das Bundesligaspiel gegen Nostra DartMus. „Es kann sein, dass Gaga da plötzlich mitspielt, wenn er sonst nichts zu tun hat.“ Das hofft auch sein Mitspieler Peter-Pascal Portz und spricht das in eine Fernsehkamera. Schehrer ruft ihm währenddessen über die Schulter zu: „Wir werden alles dafür tun.“

An dieser Stelle finden Sie ein Video via Glomex.

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