Ramstein-Podcast Ein Jahr Recherche zu Unglück und Tod – und dazu, was daraus entstehen kann

Für die Aufnahmen ist Rebecca Singer gemeinsam mit Kollegin Elisia Ruiz auch mal zu den Gesprächspartnern nach Hause gefahren, w
Für die Aufnahmen ist Rebecca Singer gemeinsam mit Kollegin Elisia Ruiz auch mal zu den Gesprächspartnern nach Hause gefahren, wie hier zu Franz und Hella Pfaffenrath in Neuhemsbach. Das waren mit die spannendsten Momente: Aufnahmen im Wohnzimmer der Zeitzeugen.

Mindestens 70 Tote, über 1000 Verletzte, weitaus mehr Traumatisierte. Der Flugzeugabsturz beim Flugtag auf der Air Base Ramstein am 28. August 1988 forderte viele Opfer. In einer siebenteiligen Audio-Dokumentation hat die Redakteurin Rebecca Singer die Katastrophe aufgearbeitet. Sie wird diese Recherche nicht vergessen. Ein Erfahrungsbericht.

Wie spricht man mit jemandem, der seine ganze Familie verloren hat? Wie fragt man, wie sich das anfühlt? Vor allem, wenn es nicht darum geht, Hilfe anzubieten oder zu trösten, sondern darum, Informationen zu bekommen. Ich musste dort nachhören, wo es wehtut. Nicht, um die Hinterbliebenen der Ramstein-Katastrophe zu quälen, sondern, um selbst zu erfahren, wie es damals war. Wie es sich anfühlt, Frau und Kind zu verlieren. Wie es ist, als Notarzt Kinder mit Brandverletzungen abweisen zu müssen, weil andere die Hilfe gerade dringender nötig haben. Denn nur, wenn ich das verstanden habe, kann ich diese Emotionen so rüberbringen, wie sie wirklich sind.

Nicht übertrieben, nicht skandalös, aber ehrlich und mit dem nötigen Respekt. So, dass diese Gefühle nicht verharmlost werden, denn das wäre für eine ehrliche Aufarbeitung einer solchen Katastrophe wie 1988 beim Flugzeugabsturz am Flugtag der Air Base Ramstein fatal. Aber auch so, dass nicht übertrieben wird, dass das Leid nicht im Vordergrund steht, sondern alle Aspekte des Unglücks fair gewichtet und beleuchtet werden.

Nahtot-Erfahrungen, Leben, Tod und Gott

Ja, wie geht das? Vor dem ersten Gespräch mit einem Betroffenen der Katastrophe war ich sehr aufgeregt. Es hat sich herausgestellt: Das musste ich gar nicht sein. Wir haben zusammen gegessen und drei Stunden geredet. Er hat erzählt, wie es damals für ihn war, wie es ihm heute geht, wie er mit der Trauer umgegangen ist. Es war ein sehr tiefgründiges Gespräch, das ich nicht so schnell vergessen werde. Es ging um Nahtot-Erfahrungen, um die Angst vor dem Tod, um Gott und alles, was damit zu tun hat.

Aufnahmen mit Roland Fuchs, Zeitzeuge und Betroffener des Unglücks. Er hat damals seine Frau und seine Tochter verloren.
Aufnahmen mit Roland Fuchs, Zeitzeuge und Betroffener des Unglücks. Er hat damals seine Frau und seine Tochter verloren.

Was skurril klingt, war dabei ganz natürlich: Wir haben immer wieder gelacht und Witze gemacht – es war einfach ein gutes Gespräch. Gelernt habe ich daraus, dass es Menschen gut tun kann, über harte und traurige Themen zu sprechen. Dass es schon hilft, einfach nur zuzuhören und zu versuchen zu verstehen, was in jemandem vorgeht.

Das wird mir nicht passieren

Zuhören und da sein, sich nicht abwenden. Mit dem Ehepaar, das sich nach der Katastrophe jahrzehntelang um die Opfer und ihre Familien gekümmert hat, habe ich auch darüber gesprochen, was nach einem solchen Trauma eigentlich wirklich hilft. Hartmut Jatzko sagt, es gehe darum, da zu sein. Die Hilfe anzubieten, die auch wirklich hilft, wie Einkaufen, auf die Kinder aufpassen, kleine Erledigungen übernehmen. Vor allem aber: sich nicht abwenden.

Was mich wirklich schockiert hat, war folgende Geschichte: Weil manche Nachbarn unsicher waren, wie sie mit dem Leid der Betroffenen umgehen sollen, begannen sie, diese zu meiden. Sie wechselten die Straßenseite, wenn sie sie sahen. Diese Vorstellung hat mir das Herz gebrochen. Ohnehin schon am Boden sein und dann wird man ignoriert – aus Unsicherheit? Nach dem Gespräch habe ich mir selbst ein Versprechen gegeben: Wenn ich in meinem Umfeld Leid sehe, erlebe, wie jemand Hilfe braucht, will ich da sein – egal, wie unsicher ich bin.

Aufnahmen im Wohnzimmer von Sybille und Hartmut Jatzko in Krickenbach bei Kaiserslautern.
Aufnahmen im Wohnzimmer von Sybille und Hartmut Jatzko in Krickenbach bei Kaiserslautern.

90 Word-Dokumente

Eine so große und aufwendige Recherche wie die für den Ramstein-Podcast, ein Jahr lang, das macht etwas mit einem. Das Skript für den Podcast selbst hatte zum Schluss knapp 50 Seiten. In dem Ordner auf meinem Laptop, in dem ich die Infos zum Podcast gesammelt habe, sind allein 90 Word-Dokumente, 39 PDFs, 14 Videos, 112 Bilder und eine Powerpoint-Präsentation. Die vielen Aufnahmen für den Podcast selbst, habe ich nicht mehr gezählt. Und in den Schubladen meines Schreibtisches liegt außerdem noch immer eine dicke Mappe mit Fotos und alten Zeitungsberichten.

Alle diese Dateien habe ich selbst erstellt, gelesen, angeschaut und angehört. Sehr oft mehrfach. Auch das hat mich nachhaltig beeindruckt. Am stärksten in Erinnerung geblieben sind mir die Originalaufnahmen des Unglücks, ob Videos und Fotos. Die werde ich nicht vergessen. Es kam vor, dass ich so tief in der Recherche war, da wurde um mich herum im Büro gelacht und geplaudert und mir liefen Tränen. Denn solche Themen dürfen einen als Reporter auch belasten. Auch das habe ich gelernt.

Nie wieder etwas zum Thema gelesen

Eindrücklich gezeigt haben mir das nicht nur meine eigenen Erfahrungen, sondern auch die Gespräche mit unserem Redakteur, der damals vor Ort war. Denn er hat mir erzählt, dass er am Tag des Unfalls selbst, aber auch danach sehr viel über das Unglück berichtet hat. Nachdem er das Thema abgegeben hat, habe er aber nie wieder etwas darüber gelesen.

Aufnahmen mit Redakteur Wolfgang Pfeiffer.
Aufnahmen mit Redakteur Wolfgang Pfeiffer.

Das sei ihm aber erst in dem Moment bewusst geworden, als ich ihn wegen des Podcasts angesprochen habe. Wenn es im Fernsehen um das Thema ging, habe er umgeschaltet, Zeitungsberichte habe er ignoriert. Nach dem Gespräch hat er mich darum gebeten, ihm seine Artikel von damals noch mal zuzuschicken, weil er wissen wollte, was er geschrieben hatte. Als ich ihn ein paar Wochen später danach gefragt habe, hat er erzählt, dass er sie nicht gelesen hat.

 

Zum Podcast

Wichtiger als meine eigenen Eindrücke aus der Recherche sind natürlich die Stimmen der Betroffenen, Hinterbliebenen und Zeitzeugen. Alle Artikel, die meine Kollegen und ich dazu geschrieben haben sowie den Podcast selbst, finden Sie unter rheinpfalz.de/ramstein .

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