Raumstation ISS Unterwegs ins Ungewisse

Seit mehr als 20 Jahren kreist die ISS um die Erde.
Seit mehr als 20 Jahren kreist die ISS um die Erde.

Seit mehr als 20 Jahren kreist die Raumstation ISS um die Erde. 2024 soll die internationale Zusammenarbeit enden. Was danach passiert, ist völlig unklar. Ist die ISS zum Spielball der Politik geworden?

Wenn der deutsche Astronaut Matthias Maurer im Herbst zur Internationalen Raumstation fliegt, dann ist die Zukunft der ISS ungewisser denn je. Russland hat zuletzt wenig Interesse an einem Weiterbetrieb gezeigt. Moskau will eine eigene Station ins All schicken. Wann? Das ist noch unklar. Andere Länder sollen dort allenfalls noch zu Gast sein, aber nicht mitreden dürfen.

Wie angespannt die Zusammenarbeit zwischen Russland und den USA mittlerweile ist, zeigen die Drohungen des Chefs der russischen Raumfahrtbehörde Roskosmos. „Entweder arbeiten wir zusammen – und dann müssen die Sanktionen sofort zurückgenommen werden“, sagte Dmitri Rogosin kürzlich. Oder wenn nicht, dann sei Washington dafür verantwortlich, dass Moskau aus der Kooperation aussteige. Lange galt die Raumfahrt als eines der wenigen Beispiele, wo es noch gut läuft zwischen Moskau und Washington.

Ärger über US-Strafmaßnahmen

Der neue Chef der US-Raumfahrtbehörde Nasa, Bill Nelson, versucht zu besänftigen. Er habe schon mehrere „sehr freundliche“ Gespräche mit Rogosin gehabt, sagte Nelson jüngst in einem Interview. „Ich möchte, dass die Russen unsere Partner bleiben. Sie sind ein sehr wichtiger Partner bei der ISS.“

Aber Russland ärgert sich schon lange über US-Strafmaßnahmen, von denen sich russische Raumfahrtunternehmen auf den internationalen Märkten ausgebremst sehen. Dabei geht es um lukrative Aufträge, um die sich die Russen gebracht sehen. Die USA hatten Strafmaßnahmen im Zusammenhang mit dem Konflikt in der Ostukraine verhängt. Auch Rogosin selbst wurde auf die US-Sanktionsliste gesetzt.

Immerhin bleiben die Chefs der beiden großen Raumfahrtbehörden im Gespräch. Und es solle auch Fortschritte bei den Verhandlungen über Lieferungen russischer Raketenantriebswerke an die USA geben, hieß es zuletzt. Erst vor kurzem hat Russland ein neues Forschungsmodul mit dem Namen „Nauka“ (Wissenschaft) zur ISS geschickt. Es sollte eigentlich schon seit Jahren im All arbeiten. Dass es nun doch vom russischen Weltraumbahnhof Baikonur abgehoben ist, deuten einige Beobachter als Zeichen, dass Russland an der ISS festhalten könnte.

Für Moskau ist die ISS altersmüde

In Moskau ist die ISS zuletzt oft als anfällig und altersmüde abgestempelt worden. Seit Monaten werden im russischen Sektor undichte Stellen untersucht. Experten glauben, dass kleine Teile im All gegen die Außenhülle geprallt sind und deshalb die Lecks entstanden sind.

Ein Grundstein für den Außenposten der Menschheit in 400 Kilometer Höhe wurde am 20. November 1998 gelegt, als eine russische Proton-Rakete das erste Bauteil ins All brachte. Bis 2024 haben die internationalen Partner ihre Zusammenarbeit verabredet. Roskosmos teilt nun mit: Eine Entscheidung über die Zukunft werde nach 2024 getroffen auf der Grundlage des technischen Zustands der einzelnen Module, die „schon größtenteils das Ende ihrer Lebensdauer erreicht haben“. Neben den Vereinigten Staaten, Russland, Kanada und Japan sind die Mitgliedstaaten der Europäischen Raumfahrtagentur Esa an der ISS beteiligt.

Kritiker beklagen fehlende Vision für die Raumfahrt

Manche sehen eine Kommerzialisierung als Zukunftsperspektive für die ISS – nach dem Motto: vermieten statt versenken. So soll es schon bald zwei Missionen mit Weltraumtouristen geben. Für andere verstellt das zähe Ringen um die Zukunft des Labors die Frage nach den nächsten Zielen der bemannten Raumfahrt. Soll der Mensch erstmals seit 1972 wieder auf den Mond? Oder auf den Mars? Lassen sich die Kräfte der Raumfahrtmächte USA, China und Russland sowie von Esa, Japan und Kanada bündeln? 20 Jahre nach dem kontrollierten Absturz der Station „Mir“ in den Pazifik binde die ISS wichtige Ressourcen, meinen Kritiker. Es fehle eine Vision, wie es weitergehe.

Die US-Raumfahrtbehörde Nasa und auch der kommerzielle Partner Boeing betonen allerdings anders als Russland, dass die ISS zumindest vom Material her theoretisch noch bis mindestens 2028, aber auch über 2030 hinaus einsatzfähig sei.

„Meiner Meinung nach wäre es eine Tragödie, wenn wir nach all dieser Zeit und all diesen Anstrengungen die niedrige Umlaufbahn der Erde verlassen und das Territorium aufgeben würden“, gab Jim Bridenstine, vor Nelson Chef der Nasa, seinem Nachfolger mit auf den Weg. „Wir werden die ISS nicht mit einer neuen 100-Milliarden-Dollar-Station ersetzen. Der Übergang muss kommerzielle Stationen bedeuten. Nicht nur eine, sondern mehrere.“

x