Panorama Konfliktforscher: Tötung durch Kinder extremer Einzelfall

Konfliktforscher Andreas Zick.
Konfliktforscher Andreas Zick.

Nach Einschätzung des Konfliktforschers Andreas Zick ist es in Deutschland ein extremer Einzelfall, dass das tot aufgefundene zwölfjährige Mädchen aus Freudenberg mutmaßlich von zwei Kindern umgebracht worden ist. Fragen und Antworten zum Thema.

Warum sind solche Gewalttaten in manchen Ländern verbreiteter?

Schwere Gewalttaten durch Kinder gebe es eher in anderen Ländern, etwa in den USA oder in Kriegsgebieten, sagte der Wissenschaftler dem Evangelischen Pressedienst (epd). In den USA kämen Kinder leichter an Waffen, daher gebe es dort mehr solcher Tötungsdelikte. Auch in Hochrisikogebieten und Kriegsgebieten gebe es Tötungen durch Kinder, etwa durch Kindersoldaten.

Wie viele Fälle gab es in den letzten Jahren?

Dass Kinder unter 14 Jahren Gewalttaten wie schwere Körperverletzung, sexuellen Missbrauch, Totschlag oder Mord begehen, kommt eher selten vor. 2021 ist die Zahl der tatverdächtigen Kinder in diesem Bereich gegenüber dem Vorjahr bundesweit angestiegen (7477 zu 7103). Verglichen mit 2019 gab es 2021 jedoch einen Rückgang um rund zehn Prozent.

Bei den Delikten gegen das Leben sind die absoluten Zahlen äußerst niedrig: 2021 gab es in diesem Bereich bundesweit 19 tatverdächtige Kinder, darunter vier Mädchen. Die Zahlen schwanken von Jahr zu Jahr stark, in den vergangenen 20 Jahren lagen sie jährlich zwischen vier und 21 Tatverdächtigen. Zur Einordnung: Laut Statistischem Bundesamt lebten in diesem Jahr rund 8,5 Millionen Kinder unter 14 Jahren in Deutschland.

Sind die Ursachen übertragbar?

Konfliktforscher Zick sagte, oft würden traumatisierte Kinder zu Tätern, die Gewalt oder Missbrauch erfahren haben. Auch Kinder mit Entwicklungsdefiziten, die sich massiv missachtet und ausgegrenzt fühlten, hätten eine höhere Wahrscheinlichkeit, Gewaltfantasien auszuleben. Jeder dieser Fälle müsse jedoch für sich betrachtet werden, sie ließen sich nicht auf andere übertragen. Bei dem getöteten Mädchen aus Freudenberg könnte der anscheinend gemeinsame Plan der mutmaßlichen Täterinnen ein wichtiger Faktor gewesen sein.

An dieser Stelle finden Sie ein Video via Glomex.

Um Inhalte von Drittdiensten darzustellen und Ihnen die Interaktion mit diesen zu ermöglichen, benötigen wir Ihre Zustimmung.

Mit Betätigung des Buttons "Fremdinhalte aktivieren" geben Sie Ihre Einwilligung, dass Ihnen Inhalte von Drittanbietern (Soziale Netwerke, Videos und andere Einbindungen) angezeigt werden. Damit können personenbezogene Daten an die entsprechenden Anbieter übermittelt werden. Dazu ist ggf. die Speicherung von Cookies auf Ihrem Gerät notwendig. Mehr Informationen und eine Widerrufsmöglichkeit finden Sie in unserer Datenschutzerklärung.

Was brauchen Angehörige und Betroffene?

Neben einer systematischen Untersuchung über die Hintergründe der Tat sei ein umfassendes Beratungs- und Therapieangebot für die Angehörigen und Betroffenen wichtig, sagte der Leiter des Instituts für Interdisziplinäre Konflikt- und Gewaltforschung der Universität Bielefeld. In einer solchen Situation müssen laut Zick „Raum wie Zeit für die professionell Tätigen hergestellt werden“. Das gelte ebenso für die Einrichtungen, die am Ende die Täterinnen betreuen.

Sollte das Strafrecht reformiert werden?

Eine Reform des Strafrechts, das in Deutschland Strafen erst ab einem Alter von 14 Jahren vorsieht, hält der Wissenschaftler nicht für sinnvoll. Kinder durch Gesetze zu Jugendlichen zu machen, würde ihnen Strafen aufbürden, die sie nicht verstehen, und die ihnen auch nicht helfen würden. Wichtiger als eine schnelle Rechtsveränderung sei eine genaue Diagnostik. „Kinder, die getötet haben, brauchen eine intensive und lange psychologische Betreuung und ein Therapieangebot, ebenso wie die Angehörigen der Opfer dies auch brauchen“, sagte der Wissenschaftler.

x