Klimaschutz-Initiative „Dicker-Pulli-Tag“: Bitte warm anziehen

Wer einen dicken Pulli anzieht, kann die Heizung etwas runterdrehen.
Wer einen dicken Pulli anzieht, kann die Heizung etwas runterdrehen.

Klimaschutz kann auch Spaß machen. Beispielsweise am „Dicker-Pulli-Tag“. Die Idee stammt aus den Niederlanden und Belgien, hat inzwischen auch in Deutschland Nachahmer gefunden. Mancherorts wird der Pulli-König gekürt.

Es müssten ja nicht immer 20 Grad in der Bude sein – auch wenn es ein bisschen kühler sei, lasse sich’s prima leben. Das sagte im Jahr 2008 Thilo Sarrazin, damals Finanzsenator in Berlin – und gefürchtet für seine Sprüche. „Wenn die Energiekosten so hoch sind wie die Mieten, werden sich die Menschen überlegen, ob sie mit einem dicken Pullover nicht auch bei 15 oder 16 Grad Zimmertemperatur vernünftig leben können.“

Sarrazin löste damals heftige Empörung aus – weil er die Empfehlung für warme Pullis mit einem Nein zu höheren Heizkostenzuschüssen für Arme verband, wie sie Gewerkschaften, Linkspartei und Sozialverbände gefordert hatten.

Pullover anziehen, Heizung runterdrehen

Was in den Augen vieler Menschen als zynische Äußerung eines wohlhabenden Politikers klang, versucht eine bundesweite Initiative seit zwei Jahren in einem freundlichen und werbenden Ton im Sinne des Klimaschutzes: Am Freitag findet wieder der „Dicke-Pulli-Tag“ statt. „Schon mit kleinen Veränderungen im eigenen Alltag kann man viel für das Klima bewirken“, begründet die Initiatorin, die Bonnerin Corinna Nitsche-Hainer, die nicht nur symbolisch gemeinte Aktion. „Ein Grad weniger Heiztemperatur spart sechs Prozent Heizenergie“, schreibt sie unter Berufung auf das Umweltbundesamt. Es helfe schon, einen dicken Pullover anzuziehen und die Heizung eine oder zwei Stufen herunterzustellen. Auch dicke Socken, Tee und Bewegung empfehlen sich. Frieren solle aber niemand.

Die Idee hat sich Nitsche-Hainer aus den Nachbarländern Belgien und den Niederlanden abgeschaut. Das Umweltamt der Provinz Flandern in Belgien veranstaltet den „Dicketruiendag“ bereits seit 17 Jahren immer im Februar. In den Niederlanden gibt es den „Warmetruiendag“ seit 15 Jahren. Auch Kanada hatte schon seinen „National Sweater Day“. Betriebe und Schulen beteiligen sich. In manchen Schulen wird der Dicke-Pulli-König gekürt.

2020 erster „Dicker-Pulli-Tag“

2019 stellte Nitsche-Hainer einen Bürgerantrag an die Stadt Bonn – mit Erfolg. 2020 organisierte die Stadt Bonn den ersten „Dicker-Pulli-Tag“, an dem es im Stadthaus eine Messe zum Thema klimafreundliches Wohnen gab. 30 Schulen, mehr als ein Dutzend städtische Einrichtungen und auch Unternehmen beteiligten sich.

„Also endlich den dicken Pulli von Oma Erna aus dem Schrank zu holen“, werben die Initiatoren. Schließlich hat wohl jeder so ein Kleidungsstück in der hintersten Ecke seines Kleiderschranks. Davon gehen auch Modedesign-Studierende der Hochschule Hannover aus. Schon zum zweiten Mal engagieren sie sich für den „Dicke-Pulli-Tag“ und riefen dazu für den vergangenen Sonntag zu einer Gemeinschaftsaktion im Museum August Kestner auf, das die Ausstellung „use-less. Slow Fashion gegen Verschwendung und hässliche Kleidung“ zeigt.

Für Schüler sind dicke Pullis nichts Besonderes

Teilnehmer sollten ihren liebsten dicken Pulli anziehen und aussortierte Pullis mitbringen, um sie umzugestalten oder zu tauschen. Außerdem präsentierten die Studierenden auf dem Catwalk ihre Pulli-Designs zum Thema. „Kleidung ist hässlich, wenn sie unter menschenverachtenden Bedingungen entsteht, wenn die Umwelt darunter leidet und wenn sie Ressourcen verschwendet“, sagte Martina Glomb, Modeprofessorin und Leiterin des Projekts.

Für viele Schüler und Lehrer ist der „Dicke-Pulli-Tag“ allerdings in Coronazeiten nichts Besonderes: Sie müssen schon seit Beginn der Pandemie in kühlen, immer wieder gelüfteten Klassenräumen lernen.

x