Politik Steinmeier lehnt nach Scheitern von Jamaika Neuwahlen ab

«Berlin.»Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier hat die Parteien an ihre Verantwortung zur Regierungsbildung erinnert. „Das ist der Moment, in dem alle Beteiligten noch einmal innehalten und ihre Haltung überdenken sollten“, sagte das Staatsoberhaupt gestern nach einem Gespräch mit Kanzlerin Angela Merkel (CDU). Die Parteien im Bundestag seien dem Gemeinwohl verpflichtet. Steinmeier redete damit auch seiner eigenen Partei ins Gewissen, nachdem SPD-Chef Martin Schulz erneut eine Neuauflage der großen Koalition mit der Union abgelehnt hatte. Die Wähler sollten die Lage nach dem Scheitern der Jamaika-Sondierungen neu bewerten können, sagte Schulz und fügte hinzu: „Wir scheuen Neuwahlen nicht.“ Dagegen erklärte Steinmeier wenig später: „Ich erwarte von allen Gesprächsbereitschaft, um eine Regierungsbildung in absehbarer Zeit möglich zu machen.“ Die Parteien hätten sich in der Wahl am 24. September um die Verantwortung für Deutschland beworben. Diese könne man auch nach der Vorstellung des Grundgesetzes nicht einfach an die Wähler zurückgeben. „Diese Verantwortung geht weit über die eigenen Interessen hinaus und gilt insbesondere nicht nur gegenüber den Wählern der jeweils eigenen Partei.“ Am Sonntag kurz vor Mitternacht hatte die FDP die Jamaika-Sondierungen mit CDU, CSU und Grünen in Berlin abgebrochen. FDP-Chef Christian Lindner begründete den Schritt damit, dass es in gut vier Verhandlungswochen nicht gelungen sei, eine Vertrauensbasis zu schaffen. Das wäre aber Voraussetzung für eine stabile Regierung gewesen. Der nordrhein-westfälische Ministerpräsident und stellvertretende CDU-Vorsitzende Armin Laschet appellierte an die „staatspolitische Verantwortung“ der SPD, sich nicht weiter einer großen Koalition zu verweigern. Diese wäre zweifelsohne die „stabilste Lösung“ für die Bundesrepublik, so Laschet. Steinmeier kündigte sowohl Gespräche mit den Vorsitzenden von CDU, CSU, FDP und Grünen an, als auch „mit den Vorsitzenden von Parteien, bei denen programmatische Schnittmengen eine Regierungsbildung nicht ausschließen“. Damit dürfte die SPD gemeint sein. Die Grünen sind laut Parteichef Cem Özdemir heute zu einem Gespräch bei Steinmeier eingeladen. Als theoretische Option steht neben Neuwahlen und der von der SPD ausgeschlossenen Wiederauflage der großen Koalition nur eine Minderheitsregierung im Raum. Die CDU-Vorsitzende Merkel stünde im Falle von Neuwahlen noch einmal als Kanzlerkandidatin zur Verfügung. „Also ja“, sagte sie gestern in der ARD-Sendung „Brennpunkt“ auf die Frage, ob sie dazu bereit sei. Zunächst will sie nach eigenen Angaben die Gespräche abwarten, die Steinmeier mit den anderen Parteien führen will. Merkel bekräftigte ihre Skepsis gegenüber einer Minderheitsregierung: „Ich glaube, dass dann Neuwahlen der bessere Weg wären.“ Das Scheitern der Sondierungsgespräche über eine neue Regierung in Berlin löst in Europa Besorgnis aus. Während die Niederlande von einer schlechten Nachricht sprechen, bangt der französische Präsident Emmanuel Macron um einen verlässlichen Verbündeten. „Im Sinne Deutschlands und Europas wollen wir, dass unser wichtigster Partner stark und stabil ist, damit wir die Dinge gemeinsam voranbringen können“, erklärte das Präsidialamt in Paris. In dieser Ausgabe Zum Aus der Sondierungsgespräche lesen Sie den Leitartikel auf Seite 2 und weitere Berichte auf den Blickpunkt-Seiten 3 und 4.

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