Zweibrücken Omas in Fenstern ersetzen die Videokamera

Nach einem gelungenen Auftakt am Samstag (wir berichteten gestern) ging der Kleinkunstwettbewerb St. Ingberter Pfanne am Sonntagabend in die nächste Runde. Dank des politischen Programms des Kölner Kabarettisten Volker Weininger, der musikkabarettistischen Darbietung von Anna Piechotta und des artistisch-poetischen Bewegungskabaretts von Seibt & Helmschrot vergossen die Zuschauer auch am zweiten Wettbewerbstag Tränen vor Lachen.

„Ich bin ein Hippihopper“, teilte Philipp Scharri, der Moderator der 30. St. Ingberter Pfanne, dem Publikum in der bis auf wenige Plätze voll besetzten Stadthalle mit und untermauerte das mit einem „Flower-Power- Gangster-Rap“ − einer Hymne eines „Mülltrennerkindes der 80er Jahre: zu spät geboren, um ein Blumenkind zu sein, zu früh, um zum Gangsterrapper zu werden“. Ähnliche Probleme könnten auch den 1971 geborenen Kölner Volker Weininger beschäftigen. Doch der Autor und Kabarettist mit karnevalistischen Wurzeln muss sich in seinem Programm „Euer Senf in meinem Leben“ mit ganz anderen Fragen herumschlagen. Nicht genug, dass die Welt voll von Problemen ist und „Langnese zu allem Überfluss jetzt auch noch den Flutschfinger vom Markt nimmt“. Nein, dazu gibt es noch eine Menge selbst ernannter Experten, die allesamt ihren Senf zu diesen Problemen geben. Nicht zuletzt die Medien. So informiere zum Beispiel der Kölner Express unter der Rubrik „Ratgeber“ über das korrekte Einführen eines Zäpfchens. Und mehrere Magazine meldeten, dass ein ehemaliger Berater des amerikanischen Ex-Präsidenten Bush, den man zerstückelt auf einer Müllkippe gefunden haben soll, Opfer eines Verbrechens geworden sein könnte. Da scheint es logisch, dass sich Weininger die „gute alte Zeit“ zurückwünscht, in der es lediglich zwei Experten gab: „Peter Scholl-Latour und die Zahnarztfrau in der Zahnweißwerbung“. Doch auch um das Expertenwissen unserer Politiker scheint es schlecht bestellt zu sein. So müsse man sich um die Erdkundekenntnisse des Bundessicherheitsrates sorgen, der Panzer an Katar liefern lasse, um eine Verteidigung gegen den Iran zu ermöglichen. „Ich weiß nicht, ob die das wissen, aber da sind 300 Kilometer Persischer Golf dazwischen, und die wenigsten Panzerschlachten werden auf dem Meer geführt“, so Weininger. Er hält die Krimkrise für einen perfekten Schachzug des russischen Präsidenten Putin:„ Das hat er geschickt eingefädelt. Mitten in den Karnevalstagen, wo alle im Konfettitunnel sind und niemand etwas mitbekommt. Komisch ist nur, das alle immer sagen, der Konflikt dürfe nicht militärisch gelöst werden − wobei die Soldaten und Panzer, die man immer wieder im Fernsehen sieht, schon sehr an Militär erinnern.“ Einen Kontrast zu den politischen Themen bot Anna Piechottas musikalisches Soloprogramm „Komisch − im Sinne von seltsam“. Die stimmgewaltige Texterin und Sängerin überzeugte mit großer musikalischer Qualität, raffinierten Texten voller spitzer Pointen und virtuosem Klavierspiel. In zuckersüßer Mädchenmanier besingt die eigenwillige Musikerin das normale Leben in einem Kaff in der Eifel, wo man statt Videokameras zur Überwachung Omas in Fenstern installiert hat. Sie gibt ihr „Lied für alle Einsamen und Depressiven“ zum Besten, in dem sie sich − seit Kurzem nach Hamm gezogen − dazu entschließt, eine Zeugin Jehovas zum Essen und einen Einbrecher zum Baden einzuladen. Das ist schwarzer Humor vom Feinsten. Nur als Babysitterin dürfte die charmante Künstlerin nicht geeignet sein: Ob die Kleinen wirklich schlafen, wenn sie ihnen ihr Wiegenlied „Wenn’s draußen Nacht wird und alle schlafen, werden die bösen Geister wach; sie zerstören Playmobilfiguren und schneiden Barbies die Haare ab“ ins Ohr säuselt? Altbekanntes im überraschend neuen Gewand zeigte das Duo Seibt & Helmschrot mit seinem bewegungskabarettistischen Programm „Gretchen im Spagat“. Romy Seibt − gefragte Künstlerin in modernen Inszenierungen rund um den „Cirque Nouveau“ − und Karl-Heinz Helmschrot, Schauspieler, Musiker und Artist, hauchten Goethes Faust neues Leben ein. Es entstand eine unterhaltsame „Deutschstunde“ samt „Schülerpublikum“, das vom gestrengen Pädagogen Helmschrot gnadenlos mit seinen Bildungslücken konfrontiert wurde. Davon blieb selbst Hans Wagner, Oberbürgermeister der Stadt St. Ingbert, nicht verschont. Das Duo beschränkte sich nicht nur auf Wortwitz und Pointen. Mit bemerkenswerter Körperbeherrschung und voller Anmut übersetzten die Künstler die Geschichte um Gretchen in die Sprache des Tanzes. Ausdruckstänzerische und seilakrobatische Sequenzen erzeugten eine träumerische, poetische Atmosphäre, die im Zusammenspiel mit dem rasanten Wortwitz einen aufregenden Spannungsbogen erzeugte.

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